Interview mit Johannes von Helangår

Einen kleinen Blick zurück auf das Jahr 2005 werfen wir zusammen mit Johannes von Helangår.

Hi, kleiner Mann! Das Jahr 2005 neigt sich dem Ende zu und du hast deinen Bruder bereits nach Japan abgeschoben, um ungestört mit mir plaudern zu können. Wie siehst du 2005 für dich persönlich im Rückblick?
Es war ein schönes, manchmal etwas einsames Jahr. Einige Träume haben mich entgültig verlassen, aber auch neue sind entstanden.

Wie feierst du Weihnachten und Silvester?
Diese Frage hätte ich dir, zumindest seit ich sprechen oder schreiben kann, jedes Jahr gleich beantwortet. Zu Weihnachten bin ich zuhause bei meinen Eltern und wir feiern dieses Fest als ein sehr schönes Familienfest, bei dem endlich alle etwas Zeit haben. Silvester bin ich jedes Jahr bei meinen Großeltern, leider dieses Jahr ohne meinen Bruder, auch dies ein sehr kulinarisch betontes Fest.

Bei Helangar war ja auch einiges los in diesem Jahr. Neue Sängerin, neues Album und so weiter… Wie verlief 2005 insgesamt gesehen für die Band?
Es war wieder sehr arbeitsreich, gefüllt von emotionalen Wechselbädern und schließlich mit einem Happy-End. Fast wie ein Hollywoodfilm.

„Schlafes Bruder“ gibt es nun auch schon ein halbes Jahr. Die Reaktionen der Presse waren wieder durchgehend hervorragend, negative Stimmen gab es aber vor allem nach dem Sängerwechsel und der Bekanntgabe von Lisa und der Tatsache, dass ihr nun mit einer Sängerin und deutschen Texten daherkommen werdet. Wie war die Zeit für euch, in der euch so viele grundlos abgeschrieben haben? Immerhin verstimmten die meisten dieser Vorabmeinungen nach Albumveröffentlichung.
Diese Zeit war natürlich nicht einfach, da niemand frei von Selbstzweifeln ist. Dass diese Musik nun einigen Menschen sehr viel bedeutet, konnten wir vorher nicht wissen, doch unser Ansinnen scheint verstanden zu werden.

Wie seht ihr das Album selbst rückblickend mit nun etwas Abstand?
Wir sehen es mit Stolz und Dankbarkeit an unsere arrogante, elitäre Attitüde, die uns gebot keine Kompromisse zu machen.

Habt ihr schon Pläne, Ideen und Vorstellungen für eine neue CD? Wird es möglicherweise wieder ein Konzeptalbum?
Es wird gewiss keine gewöhnliche CD, unsere Liebe zu langen Geschichten wird nicht abreißen. Wir sind schon viel am Grübeln, aber zunächst noch jeder für sich – eine gemeinsame Arbeit haben wir noch nicht aufgenommen.

Spielt ihr inzwischen von „Evening In Valhalla“ überhaupt noch den ein oder anderen Song live oder beschränkt ihr euch inzwischen nur noch auf die aktuelle Scheibe?
Auf den letzten Konzerten spielten wir lediglich „Numb with cold“ in einer neuen Version für eine Akkustikgitarre live. Da Jodele seit ein paar Monaten in Afrika Entwicklungshilfe leistet müssen wir bei manchen Liedern eben Kompromisse eingehen. Eventuell werden wir irgendwann nochmals den ein oder anderen alten Song aufnehmen, bisher ist das allerdings noch nicht geschehen.

Welches waren 2005 euere besten / schlechtesten Konzerte?
Oh, da gehen die Meinungen sicherlich sehr auseinander, da jeder doch meist vorallem mit sich zufrieden sein muss, um das Konzert als bestes zu titulieren. Ich glaube die letzten beiden Konzerte des Jahres waren spieltechnisch deutlich besser, als alle anderen, da wir nach Abschluss des Albums einfach ein ganz anderes Probenniveau einrichten konnten. Das erste Konzert mit Lisa gaben wir ja bereits 3 Wochen nach ihrem Einstieg, bei dir auf dem Ragnaroekfestival – da war im Zusammenspiel sicherlich noch nicht alles Gold ;)

Wo hat es dir dieses Jahr am besten gefallen? Sei es der Ort / die Umgebung in dem ihr ein Konzert gegeben habt, ein Urlaubsziel oder ähnliches.
Im Mai diesen Jahres war ich in Sizilien. Ich hatte dort eine Tour mit meinem Gitarrenquartett, in dem auch Jodele unser anderer Gitarrist mitspielte. Für die Interessierten, die sich nichts darunter vorstellen können: Wir waren 4 sind nun 3 Gitarristen und spielen grob „klassische“ Musik, die aber ein Spektrum von Rock/Jazz bis zur Renaissance hat.
Wir waren unter anderem zu einem Festival für klassische Theaterkunst und Musik eingeladen und waren in den bevorstehenden Tagen in den Bergen vor Syrakus bei einem alten Musikprofessor untergebracht, der sich dort ein Hotel gebaut hatte. Syracus in Sizilien ist in Deutschland wohl am bekanntesten durch Schillers Gedicht „Die Bürgschaft“ geworden und eine ähnlich intensive Freundschaft verbindet mich mit den anderen Gitarristen. Dieser Ort, mitten in den schroffen Bergen umgeben von Olivenhainen und Feigenbäumen schien meiner Vorstellung des Himmels sehr nah. Wir verbrachten dort wunderbare Tage, die mir viel Kraft gaben, denn direkt davor hatte ich mich von meiner damaligen Freundin getrennt und so etwas beschäftigt mich sehr.

Welche Alben haben dir in diesem Jahr besonders dich beeindruckt?
Zum einen die neue Scheibe von Björk „Medulla“ bei der alle Instrumente mit dem Mund simuliert wurden und nur „Gesang“ zu hören ist. Besonders das isländische Vökuro gefällt mir darauf sehr.
Die neue Nevermore-CD gefällt mir sehr gut. Ebenso aus dem Underground die Platten von Torian und Silverlane. Ansonsten hab ich vorallem ältere CDs entdeckt, die bereits vor einigen Jahren erschienen.

Und welche Scheiben haben dich eher enttäuscht?
Ich hatte mich sehr auf die neue Dream Theaterscheibe gefreut, bisher kann ich mich aber noch nicht so recht damit anfreunden.

Gab es ausserhalb des Metalbereiches etwas Spezielles, was dir wirklich gefallen hat?
Ich habe einige Komponisten entdeckt, die ich bereits schon lange kannte, ohne ihnen wirklich nahe zu kommen. Doch seit einigen Monaten bedeuten mir die beiden schwermütigen Romantiker Bruckner und Schubert sehr viel und ich glaube sie vielleicht ein bisschen zu verstehen.

Der Tsunami in Asien ist nun ein Jahr her und in Amerika toben regelmäßig Hurrikanes. Befürchtet ihr, dass auch uns demnächst ähnliche Naturkatastrophen blühen?
Ja, weil wir Menschen die Erde zerstören. Die Manifestationen unserer Vernichtung sind zwar zunächst immer nur punktuell und greifen meist woanders an als sie entstanden, aber auch hier wird irgendwann die Veränderung spürbar sein. Der Golfstrom hat bereits begonnen seinen Verlauf zu ändern, uns blüht eine Eiszeit in Europa. Vor einigen Monaten wurden viele tote und verstümmelte Delphine und Wale vor Schottland gesichtet, sie fanden ihr Revier nicht mehr durch die ersten Veränderungen am Golfstrom.
Leider geschieht so wenig, obwohl doch fast alle wissen, dass etwas geschehen sollte und das nicht, weil wir vor Entsetzen über unsere Zukunft gelähmt vor Angst sind, sondern weil die persönliche Eitelkeit und Habgier von wenigen das Unglück von vielen bestimmt.

2005 war für Deutschland politisch relativ einzigartig. Hat dich das ganze Schauspiel um Vertrauenfrage und Neuwahlen bis hin zum Wort des Jahres „Bundeskanzlerin“ sehr interessiert? Wie siehst du die deutsche Zukunft mit der neuen Regierung?
Ja, Politik interessiert mich generell schon sehr. Ich glaube durch die gemeinsame Verantwortung beider großen Parteien könnte wirklich etwas in Deutschland bewegt werden. Ich weiss allerdings nicht, ob dies die Richtung ist, in die ich das Land bewegen würde. Ich habe keine von diesen beiden Parteien gewählt.

Im Februar war US-Präsident Bush zu Besuch in Mainz und Wiesbaden. Was dachtest und denkst du über diesen sicher nicht ganz billigen Aufwand, den man hierfür geleistet hat?
Im Zeitalter der weltweiten Vernetzung via Internet, Telefon, Videokonferenzen etc. sind solche kostspieligen Besuche nicht mehr nötig, wenn derjenige nicht wirklich erwünscht wird. Ich hätte auf diesen Idioten gut verzichten können.

Interessierst du dich für Fußall und die Weltmeisterschaft in Deutschland und hast vielleicht auch vor zu einem Spiel zu gehen? Wo siehst du Vor- und Nachteile eines derart großen Ereignisses für Deutschland? Wirtschaft, Sicherheit und so weiter…
Ich teile leider nicht die Begeisterung von Flori für Fussball – er will auch auf ein Spiel. Ich erinnere mich noch gut, als wir klein waren bastelten wir immer Fahnen, Trikots etc. von den Fussballmannschaften die gegen Deutschland spielten und trapierten das ganze Wohnzimmer damit, während wir die auswendig gelernte Nationalhymne dieses Landes sangen. Der ganze Aufwand nur um unseren für Deutschland fiebernden Vater zu ärgern.
Seit jenen Tagen ließ die Begeisterung allerdings kontinuierlich ab. Sicherheitsbedenken habe ich keine, da wir einen gut funktionierenden Polizeiapparat haben.

Gibt es ein bestimmtes Erlebnis aus dem vergangenen Jahr, an das du dich besonders gerne erinnerst oder dich bewegt hat?
Nach der Lektüre des Buches „Der Klang der Zeit“ von Richard Powers habe ich den „Duft von neuen Planeten gefühlt“ und eine neue Musik für mich gefunden. Das Erlebnis dieses Buches hat mich sehr verändert. Das ist jetzt mein Literaturtipp für alle, die auf der Suche sind.

Was soll 2006 für Helangar bringen? Habt ihr bestimmt Pläne? Und wie blickst du allgemein das kommende Jahr?
Ich habe im Sommer mein erstes Staatsexamen in Medizin und will danach noch zusätzlich ein Studium in Musik und Philosophie beginnen, während ich meine klinische Medizinausbildung genieße. Es wird für mich also sehr arbeitsreich, nicht desto trotz werden wir ab Mitte des Jahres wieder verstärkt nach Konzerten suchen und überlegen bereits die ein oder andere Promoaktion. Ebenso werden wir unsere Ideen sammeln und uns auf ein neues Werk vorbereiten. Es wäre schön wenn wir noch mehr Menschen erreichen könnten.

Zum Abschluss ein klein wenig anderes Wortspiel als sonst, alles dreht sich um das Jahr 2005…

„Wir sind Papst“:
Ich identifiziere mich nicht mit ihm. Ein Mensch der Kondome verbietet und damit die AIDS und Hepatitisverbreitung in Afrika weiter anfacht ist für mich ein Massenmörder und nicht die Vertretung des Guten auf Erden. Ich schäme mich für diesen Papst.

„Gammelfleisch“:
Zum Glück komme ich nicht aus Bayern… ;)

Terroranschläge:
In unserer Zeit leider ein Argument für jede Untergrabung des Rechtsstaates. Man stelle sich vor in Guantanamo schmachten seit 3 Jahren die Gefangenen ohne Anklage. Dies sind Zustände wie im Mittelalter. Wir waren schonmal weiter…

Firmenschließungen / Stellenabbau:
Leider ist vielen Unternehmen und Unternehmern nicht mehr klar, dass sie eine Verantwortung auch für die Region und die Menschen übernehmen, in denen sie tätig sind. Die überbordende Profitsucht ist obszön.

Harry Potter:
Nicht meine Lektüre, ich lese lieber Romane. Zwei Filme habe ich mir im Kino angeschaut, da ich zweimal gebeten wurde mitzukommen.

Deutschland sucht den Superstar / Big Brother:
Ein seltsame Welt in der wir leben und bisweilen kann ich mich auch nicht dem Sog dieser seltsamen Welt entziehen. Zum Glück haben Flori und ich in unserer Studenten-WG keinen Fernseher mehr.

Danke
Okay, danke.

Passt scho.

Geschrieben am von Metal1.info

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