Interview mit Marcus von Suidakra

Auch wenn die Veröffentlichung des neuen SUIDAKRA-Albums „Command To Charge“ schon fast zwei Monate in der Vergangenheit liegt, dürfte dieses Thema noch interessant sein. In Vertretung für die Band nimmt Marcus in diesem etwas anderen Interview Stellung zu unserer negativen Kritik…

Grüß dich, Marcus. Wollen wir gleich mal ohne groß drum rum zu reden zur Sache kommen… Der Großteil der Bewertungen eueres neuen Albums „Command To Charge“ ist überwiegend positiv ausgefallen. Wie zufrieden bist du allgemein mit den Reaktionen? Was denkst du über einen anscheinenden „Ausnahmefall“ wie meine Kritik? Nimmst du die überhaupt ernst?
Allgemein sind wir mit den Reaktionen zufrieden, vor allem, da wir nicht nur die deutschen Kritiken sehen. Gerade bei diesen ist nämlich leider der Anteil negativer Kritik viel höher als im Ausland. Deine Rezension bildet somit keinen Ausnahmefall. Wirklich ernst nehmen können wir die meisten Kritiken allerdings wirklich nicht, weil sie zu oft journalistische Grundlagen vermissen lassen. Man hat teilweise das Gefühl, eher einen enttäuschten Fanbrief zu lesen als eine Beurteilung einer Cd in einem öffentlichen Medium. Dass eine Gesangsleitung, die wir als durchweg gelungen empfinden, als „herzloses Gekrächz ohne Spur von Aggressivität“ oder die harte Arbeit von 2 Jahren Songwriting als „keine große Leistung mit 08/15 Riffs“ bezeichnet wird, können wir nicht ernst nehmen und es wird auch keine Auswirkungen auf unser weiteres Schaffen haben, auch wenn es im ersten Moment natürlich frustrierend ist.

Es ist aber generell zu erkennen, dass Hörer, die nicht in Schubladen denken oder sich sehnlich „The Arcanum Teil 2“ wünschen, der neuen Cd viel mehr angewinnen können. Natürlich müssen wir uns an unseren alten Alben messen lassen, aber wie Du selber in Deiner Kritik geschrieben hast, hat jede Platte etwas Eigenes und individuelle Vorzüge. Dass Du diese Vorzüge bei „Command To Charge“ nicht erkennst, ist zwar schade, aber zum Glück ist immer noch ein Großteil unserer Fans open-minded genug, um auch CTC die Qualitäten abzugewinnen, die definitiv vorhanden sind.

Dass ihr wegen ein paar Negativreviews etwas ändert, verlangt ja auch niemand von euch. Ich denke auch nicht in Schubladen oder erwarte „Arcanum Teil 2“, wenn ich das hören möchte, lege ich eben „The Arcanum“ selbst ein. Aber nun gleich jegliche journalistische Grundlagen absprechen und Beleidigungen erkennen zu wollen, weil ein entsprechender Redakteur – wie ich eben – die Riffs und Spannungsbögen recht langweilig und den Gesang vergleichsweise weniger stark finde, finde ich schon etwas übertrieben, auch ich damit gleichzeitig als „nicht open-minded“ dargestellt werde. Ich will euch ja keinesfalls niedermachen, trotzdem muss ich eben offen zugeben, dass ich auf CTC weit weniger Vorzüge finde, als auf den Vorgängeralben…
Eine negative Kritik beinhaltet naturgemäß eigentlich immer die Intention, eine Veränderung herbei zu führen. Deine Frage war, ob wir Kritiken wie Deine ernst nehmen. Und darauf habe ich Dir ehrlich geantwortet. Hauptsächlich stört uns dabei die Ausdrucksweise (dem Inhalt stimme ich zwar auch nicht zu, aber über Geschmack gibt es selbstverständlich nichts zu diskutieren). Wenn ich Dich noch mal zitieren darf, schreibst Du jetzt sowas wie „Riffs und Spannungsbögen recht langweilig, Gesang weniger stark“ –das kommt doch wohl ganz anders ‚rüber als „keine große Leistung, 08/15 Riffs, herzloses Gekrächz“ oder? Aber ich will nicht zu sehr ins Detail gehen. Es war nicht nur Deine Kritik, die in diesem Stil ausgefallen ist und meine Antwort ist, unabhängig von den Zitaten, allgemein gültig zu verstehen. Dass Fans und Kritiker, die lockerer mit unterschiedlichen Richtungen innerhalb des Metal umgehen, mehr mit CTC anfangen können, hat sich einfach anhand der Reaktionen relativ schnell als Tatsache herausgestellt. Die richtig guten Kritiken bekommen wir außerdem zum größeren Teil von Personen, die sich nicht ausführlich mit unseren Vorgängeralben auseinander gesetzt haben. Das ist für uns persönlich ein weiterer Beweis, mit CTC ein amtliches Album abgeliefert zu haben.

Im Vergleich zu den Vorgängern wirkt euer neues Album fast wie das einer komplett anderen Band, auch wenn man Suidakra natürlich noch raushört… Wie kam der doch recht heftige Stilwechsel zustande? War das von langer Hand geplant oder eher ein „Zufallsprodukt“ während des Schreibprozesses?
Ich persönlich finde den Stilwechsel gar nicht so heftig. Vor allem, wenn man vom Vorgänger Album „Signs For The Fallen“ ausgeht (welches im Übrigen damals auch oft genug als Stilbruch bezeichnet worden ist…). Bei den Gigs der letzten 2 Jahre haben wir festgestellt, dass die Songs auf SFTF für viele Leute im Publikum einfach zu vertrackt sind, um richtig dazu abgehen zu können. Zu viele schnelle Taktwechsel, zu viele verschiedene Parts in den Songs… Also sollte CTC eingängiger werden, aber trotzdem Durchschlagskraft besitzen. Das war relativ früh die Devise, als wir anfingen, neue Songs zu schreiben. Da Marcel nur noch im Hintergrund tätig sein wollte und uns für Live Gigs nicht zur Verfügung stand, kam uns Matthias als neuer Gitarrist sehr gelegen. Wir wollten wieder mehr cleanen Gesang einbauen, da wir die Stücke nun auf der Bühne so präsentieren können, wie sie auf Cd klingen. Das hat sich dann während des Schreibprozesses entwickelt.

Hattet ihr Angst oder Bedenken, mit dem Album viele der alten Fans vor den Kopf zu stoßen? Oder achtet ihr da nicht drauf, was euere Hörer von neuen Veröffentlichungen denken mögen?
Uns war klar, dass sich Fans auf Grund des neuen Albums abwenden werden, schließlich mussten wir diese Erfahrung, zugegeben etwas abgeschwächt, schon bei SFTF machen. Aber in erster Linie muss uns unsere Musik selbst gefallen! Anders könnten wir nicht kreativ arbeiten. Und je mehr Fans sich „mit uns“ entwickeln oder uns neu entdecken und gut finden, desto besser finden wir das natürlich. Aber es ist auch vollkommen okay für uns, wenn sich jemand nicht (mehr) mit SuidAkrA identifizieren kann. Zwar irgendwie schade, aber so ist das eben. Wir sehen uns niemandem gegenüber verpflichtet, eine spezielle Erwartung zu erfüllen. Das mag hart klingen, aber die Band ist unser Hobby, nicht unser Job. Ich will hier nicht anfangen ‚rumjammern, schließlich macht uns die Band immer noch riesig Spaß, aber den Leuten sollte einfach auch klar sein, dass die zig Stunden pro Woche, die wir durch Bandprobe, Interviews, Organisation, Booking, Promotion, Homepage, Fan Emails, Artwork usw. in die Band investieren, zusätzlich zu unseren „richtigen“ Jobs anfallen. Unser kompletter Urlaub geht für Touren und den Studioaufenthalt drauf. Und der Traum, mit der Musik vielleicht mal Geld zu verdienen und davon leben zu können, ist wirklich nur ein Traum -da werden wir uns bestimmt nicht vorschreiben lassen, wie sich unsere Musik anzuhören hat, weil gerade dieses Resultat unser Lohn für die ganze Arbeit ist.

Und auf die „Fans“, die uns beleidigende Kommentare ins Gästebuch schreiben, nur weil CTC nicht so klingt, wie sie es gerne hätten, verzichten wir gerne. Konstruktive Kritik ist immer willkommen, und sowas prägt schließlich –zumindest unbewusst- für den Schreibprozess eines folgenden Albums.

Um mal ein wenig abzuschweifen, weils grad recht gut passt. Wie findest du persönlich die Stilwechsel / Entwicklungen von Bands wie Metallica („St. Anger“), Blind Guardian („A Night At The Opera“) oder In Flames („Reroute To Remain“ / Soundtrack To Your Escape“)?
Metallica gefallen mir eigentlich schon seit „Load“ nicht mehr. Hier hat es einen echten Stilwechsel gegeben, weil „Metallica – Metallica“ war noch ein letztes Metal Album, während „Load“ für mich Rock ist. Vor diesem Hintergrund gefällt mir „St. Anger“ schon besser, allerdings ist der Sound dermaßen übel, dass ich mir das Album nicht anhören kann. Die Alben von Blind Guardian kenne ich ehrlich gesagt so gut wie gar nicht. Mit In Flames kann ich mich am besten identifizieren. Habe mir 1994 die „Lunar Strains“ gekauft und war bis zur „Jester Race“ ein Riesenfan, danach habe ich irgendwie ich das Interesse verloren, bis zur „Reroute…“, welche mir wieder richtig gut gefällt.

Glaubst du, mit „Command To Charge“ den „Durchbruch“ schaffen zu können? Ihr seid zwar schon lange keine Unbekannten mehr, aber dennoch immer noch eher ein Insider-Tipp als eine „große“ Band.
Nein, das, was man allgemein als Durchbruch versteht, wird in Deutschland mit dem aktuellen Album wohl nicht passieren. Aber im Europäischen Umland fahren wir viel positivere Kritiken ein, wahrscheinlich, weil die Hörer dort nicht so voreingenommen sind, und es gibt sicherlich noch eine Vielzahl von neuen SuidAkrA Fans für uns zu gewinnen.

Hältst du „Command To Charge“ für das bisher beste Suidakra-Album? Von den Labels kommt das als Standardspruch, aber das würde ich gerne von dir selbst hören, wie du das siehst.
Als Musiker gibt man bei jedem Album das Beste, was man in der momentanen Situation zu bieten hat. Aber irgendwas als „das Beste“ zu bezeichnen, ist eigentlich immer schwierig. Was die Produktion, Eingängigkeit und meine momentanen persönlichen musikalischen Vorlieben angeht, ja, ist das beste SuidAkrA Album. Natürlich ist zum Beispiel „Emprise To Avalon“ viel atmosphärischer –aber ist das „besser“? Nein, es ist einfach „anders gut“.

Die beiden Balladen „A Runic Rhyme“ und „Gathered In Fear“ sowie das Instrumental „Dead Man’s Reel“ wirken meiner Meinung nach mit ihrem Folk-Charakter in der neuen, modernen Umgebung wie Fremdkörper, wie kurze Zwischenspiele, die nicht so recht reinpassen wollen. Was bedeuten die Stücke für dich? Ein letztes Festhalten an alten Tagen? Immerhin sind sonst keine folkigen Elemente mehr aufzufinden.
Ich empfinde die erwähnten Stück keineswegs als Fremdkörper, sondern eher als eine Art Abwechslung oder Auflockerung, die den Spannungsbogen des Albums bereichern. Außerdem enthalten auch die „moderneren“ Songs folkige Melodien, nur sind diese anders eingearbeitet, als das früher der Fall gewesen ist. Wir finden nach wie vor Gefallen an den folkigen Parts, wobei ich zugeben muss, dass es auf CTC in der Tat schwieriger war, diese zu integrieren.

Könnt ihr euch nach wie vor mit eueren Frühwerken identifizieren? Wie fühlt ihr euch auf der Bühne, wenn ihr ein altes und anschließend ein neues Stück spielt?
Wir können mit den alten Tracks nichts mehr anfangen, deshalb stehen wir auch immer gelangweilt und missmutig auf der Bühne, wenn wieder mal „Havoc“ oder „Wartunes“ auf der Setliste stand… Nee, im Ernst: Wir spielen live Songs, auf die wir deshalb Lust haben, weil wir wissen, dass dabei Stimmung aufkommt und sich der geneigte SuidAkrA Fan alter und neuerer Generation die Rübe abbangen kann, respektive z.B. bei „Rise Of Taliesin“ eine Gänsehaut bekommt! Gerade bei den Gigs im letzten Jahr und der Tour im Mai dieses Jahres haben wir gemerkt (und auch die anwesende Presse, wie in verschiedenen Live-Kritiken nachzulesen), dass alte und neue Stücke wunderbar zusammenpassen. Es geht einfach darum, gemeinsam eine Party zu feiern! Dieses Gefühl wollen wir haben, egal ob wir ein altes oder neues Stück spielen.

Und wie haben die Fans Wie auf der Wacken Roadshow die neuen Lieder aufgenommen? Wie verlief die Tour für euch? Neben euch waren mit Holy Moses, Illdisposed und Regicide recht verschiedene Bands am Start.
Die Tour hatte für uns zwei Seiten: Eher ungünstig war, dass wir während der ersten Hälfte der Tour als Opener spielen mussten und außerdem nur 35 Minuten Spielzeit hatten. Ansonsten verlief die Tour gut, wir hatten eine Menge Spaß zusammen mit unseren Fans und die neuen Lieder kamen genauso gut an, wie die alten Klassiker. Live ist ja auch so, dass wir alle Lieder natürlich mit dem gleichen Sound, in der neuen Besetzung und komplett ohne Keyboards spielen, weshalb der Unterschied zwischen alt und neu auch ziemlich verwischt.

Da „Command To Charge“ ja anscheinend besonders im Ausland gut ankommt, würde es doch nahe liegen, auch außerhalb Deutschlands zu touren. Ist bis auf die hand voll Festivals, die schon feststehen, auch noch mehr geplant?
Ja, es sind weitere Gigs im Ausland in Planung. Bisher sind in diesem Jahr 8 Gigs außerhalb Deutschlands bestätigt, meist Einzelgigs oder Festivals. Das ist im Vergleich zu den Vorjahren schon eine beachtliche Steigerung, zumal wir in vielen Ländern (Spanien, Slowenien, Tschechien, England, Frankreich) zum erstem Mal unterwegs sind, da es bisher mit einer Europatournee leider noch nicht geklappt hat. Das Interesse wird aber größer und das Angebot für eine erste Show in den USA mussten wir nur absagen, weil wir gerade mit der Roadshow unterwegs waren… Aber das wird hoffentlich nachgeholt.

Warum habt ihr euch nach zwei Alben wieder von Century Media getrennt und habt mit Armageddon Music ein vergleichbar kleines Label gewählt? Holy Moses haben ja den gleichen Schritt getan…
Wir waren mit Promoarbeit bei Century Media nicht wirklich zufrieden. Man muss ganz klar sehen, dass wir dort eine kleine Band bei einen riesigen Label waren und entsprechend behandelt wurden. Bei Armageddon bekommen wir mehr Aufmerksamkeit und fühlen uns besser aufgehoben. Solche Dinge, wie z.B. ein Album als aufwendiges DigiPack, Samplerbeiträge und direkt eine Tour zum Release des neuen Albums sind bei Armageddon selbstverständlich, bei Century Media war daran leider fast nicht zu denken.

Zum Abschluss:
Danke für das Interview und die Möglichkeit, Stellung zur Deiner Kritik zu beziehen. Ich hoffe, es bewegt einige Leser dazu, sich eine eigene Meinung über „Command To Charge“ bilden zu wollen. Auf www.suidakra.com gibt’s ein mp3-file und weitere Infos zum Album.

Bilder von www.suidakra.com

Geschrieben am von Metal1.info

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