Konzertbericht: Neànder

10.02.2025 München, Feierwerk (Sunny Red)

Ein Teufelskreis ist, dem Duden zufolge, eine ausweglos scheinende Lage, die durch eine nicht endende Folge unangenehmer, einander bedingender Geschehnisse, Faktoren herbeigeführt wird“. Und genau in einer solchen befindet sich die Live-Branche, wenn man den Blick mal weg von den Mega-Events, und hin zum Underground wendet. Sämtliche Kosten sind drastisch gestiegen, die Konkurrenz ist enorm – sei es durch „Sammel-Events“ wie deutlich günstiger umzusetzende Tagesfestivals oder aber besagte Mega-Events. Um dennoch keine Miesen zu machen, braucht es höhere Eintrittspreise – was Underground-Shows nun aber nicht eben attraktiver macht.

NEÀNDER im Februar 2025 in MünchenNehmen wir NEÀNDER als Beispiel, eine von der Presse gefeierte, und doch noch eher undergroundige Post-Metal-Band aus Berlin. Um einer Deutschland-Tour überhaupt finanziell rentabel zu halten, kosten die Tickets 22 € im Vorverkauf (25 € an der Abendkasse). Was, die Gründe außen vor gelassen, für einen Konzertabend mit einer einzigen Band aus Fan-Sicht nicht eben wenig Geld ist. Entsprechend schleppend läuft der Vorverkauf in München, wo die Band auch noch an einem undankbaren Montagabend gastiert – und zwar schlussendlich nicht, wie geplant, in der Kranhalle, sondern im deutlich kleineren Sunny Red. In diesem Setting wirken 25 € Eintritt fast schon astronomisch, war der winzige Kellerladen früher eher für DIY-Spirit als für zweistellige Eintrittspreise bekannt.

NEÀNDER im Februar 2025 in MünchenFür die Band kann man hoffen, dass die Tour nicht mit einem der Kranhalle angemessenen Ticketverkauf durchkalkuliert wurde – sonst bleibt bei den rund 60 Fans, die sich schlussendlich im „Sunny“ einfinden, wohl nur noch wenig Geld für Bier. Für all jene, die das Geld in diese aufstrebende Band zu investieren bereit waren, ist die Verlegung allerdings ein Segen: Gäbe die Kranhalle mit dieser Besucherzahl ein eher klägliches Bild ab, ist es in dem kompakten Kellerraum gemütlich. Auch sonst passt das Setting des im besten Sinne abgeranzten Clubs deutlich besser zu NEÀNDER als die fast schon sterile Kranhalle.

NEÀNDER im Februar 2025 in MünchenOhne Bühne und Brimborium kommt die Band hier im wahrsten Sinne des Wortes „bodenständig“ rüber. Fast schon im Proberaum wähnt man sich, als ein Song danebengeht und NEÀNDER nach kurzer Diskussion, wer die Schuld daran auf sich nehmen darf, einfach nochmal anfangen. Auch die Ansagen, für die Bandkopf Jan Korbach eigentlich kaum ein Mikro braucht, unterstreichen die Wohnzimmeratmosphäre. Aber dann ist da eben noch die Musik – und die drückt in einer Art und Weise aus den Boxen, die so gar nichts mit rumpeligem Proberaum zu tun hat: Irgendwo zwischen Neil Young, Sludge und Doom Metal zu verorten, ziehen die Songs das Publikum augenblicklich in ihren Bann.

NEÀNDER im Februar 2025 in MünchenEin weiterer Nebeneffekt der Venue: Das leidige Zugabe-Spielchen erübrigt sich hier – da es schlichtweg keinen Backstage-Raum gibt, in den die Band verschwinden könnte. Oder, wie Korbach es formuliert: „Wir kommen hier sowieso nicht weg.“ Und so machen NEÀNDER einfach nahtlos weiter, hängen noch zwei Songs an und beenden ihre Show nach rund 80 Minuten so authentisch wie nur irgend möglich: Statt einfach ein Sample abzuspielen, wechselt Korbach für die letzten Takte von „Atlas“ noch auf die Akustikgitarre und lässt den Abend mit gemütlich geschrammelten Akkorden vergleichsweise sanft verklingen. Und wenn es nur ein kleines Detail ist, so zeigt doch eben dieses Detail, was man heute fast nur noch im Underground bekommt: wahrhaftig und bedingungslos „live“ dargebotenen Musik – ohne große Produktion, dafür mit großen Emotionen.

    1. Auf Achse
    2. Khapra
    3. Odem
    4. Eremit
    5. Meteor 7
    6. Aas
    7. Krater
    8. Moder
    9. Staub
    10. Ultra
    11. Atlas

NEÀNDER im Februar 2025 in MünchenWer zwischen all den Musical-haften Bandkonzepten, den Hollywood-reifen Produktionen und all den Performances, die mehr mit Singstar als Livemusik zu tun haben, mal wieder echte Handarbeit sehen möchte, muss in den Underground gehen. In München, im „Sunny Red“, sogar wortwörtlich – aber auch andernorts ist diese Erfahrung jedem und jeder nur wärmstens zu empfehlen.  Denn nirgends ist Musik mehr Kunst als da, wo sie ungefiltert und von Herzen kommt. NEÀNDER könnt ihr in den kommenden Tagen in folgenden Städten live erleben:

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