Konzertbericht: The Halo Effect w/ Pain, Bloodred Hourglass

01.02.2025 München, Backstage (Werk)

Dafür, dass THE HALO EFFECT zumindest für Fronter Mikael Stanne zunächst „nur“ ein Nebenprojekt waren, geht es für die Schweden mittlerweile in beachtlichem Tempo voran: Erst Ende 2021 gegründet, kann die Allstar-Band bereits auf zwei Album zurückblicken – und bereist Europa bereits zum dritten Mal. Auch dabei geht es rapide aufwärts: 2022 als erster Support von Amon Amarth und Machine Head gestartet, waren THE HALO EFFECT 2024 Main-Support von Meshuggah – und reisen nun als Headliner in nur unwesentlich kleineren Hallen von einer ausverkauften Show zur nächsten. Zur Attraktivität des Billings tragen allerdings auch die Vorbands bei: Peter Tägtgrens PAIN sowie BLOODRED HOURGLASS.

Vor dem Backstage München bildet sich trotz frostiger Temperaturen eine lange Schlange – und das deutlich vor dem Einlass um 18:00 Uhr und obwohl dieser wiederum deutlich vor dem Beginn um 19:00 Uhr angesetzt ist.

So ist aber zumindest sichergestellt, dass zum Showbeginn wirklich alle Fans im Werk sind. In der Folge kommen schon BLOODRED HOURGLASS als erste Band des Abends in den Genuss einer gesteckt vollen Halle. Von „Newcomern“ zu sprechen, wäre despektierlich – immerhin haben es die Finnen bereits auf 20 Jahre und sechs Studioalben gebracht. Da die Band allerdings erst in den letzten Jahren begonnen hat, viel (und außerhalb Finnlands) live zu spielen, ist die Truppe außerhalb ihrer Heimat noch längst nicht so etabliert, wie man bei diesen Zahlen meinen könnte.

Spielerisch jedoch merkt man schnell, dass hier niemand mehr grün hinter den Ohren ist: Über 40 Minuten hinweg liefern BLOODRED HOURGLASS druckvollen, vor allem aber sehr modernen Metal. Dass sich die Finnen stilistisch vom Melodic Death Metal ihrer Anfangstage weg und in Richtung Metalcore entwickelt haben, mag ungewöhnlich sein – man kennt es ja eher in die andere Richtung –, funktioniert im konkreten Fall aber sehr gut: Waren die alten Sachen mitunter arg kitschig, hat das neuere Material ordentlich Power. Den absolut unverkennbaren eigenen Stil haben BLOODRED HOURGLASS zwar auch mit der Weiterentwicklung nicht gefunden – zumindest live funktioniert das aber vortrefflich.

  1. Quiet Complaint
  2. Six Feet Savior
  3. Valkyrie
  4. We Form the Broken
  5. The Last of Us
  6. Castle Ashtray
  7. Where the Sinners Crawl

Dass PAIN großen Wert auf das Gesamtbild einer Show legen, offenbart schon der Bühnenaufbau: Obwohl dahinter bereits das Schlagzeug von The Halo Effect aufgebaut ist, lassen sich PAIN einen stattlichen Drum-Riser ebenso wenig nehmen wie eine die komplette Bühne umzingelnde Armada aus Leuchtelementen. Was von der eigentlich ausladenden Bühne des Backstage Werk übrig ist, erinnert eher an eine – allerdings sehr gut ausgeleuchtete – Club-Bühne. Das macht aber gar nichts, denn Mastermind Peter Tägtgren und seine Mannen erzeugen mit ihrer Performance sowieso eine so dichte Atmosphäre, dass noch die größte Halle gefühlt auf Club-Feeling zusammen schnurrt. Allerdings haben es PAIN heute nicht ganz so leicht wie sonst.

Wennschon man bei dem Tour-Billing eine Co-Headliner-Tour mit durchmischtem Publikum erwarten könnte, scheint nur ein Bruchteil der Anwesenden mit den Songs der Band vertraut zu sein. Nicht zuletzt durch den geschickten Einsatz von ein paar Gimmicks wie Party-Kostümen und Wasserbällen oder einem Alien gelingt es Peter Tägtgren dennoch, das Publikum für seine Show zu begeistern. Wirklich notwendig wäre aber nichts davon: PAIN sind und bleiben die Meister des elektronisch geprägten Metal – und spätestens das finale „Shut Your Mouth“ kennt dann auch der Großteil der rund 1.500 Fans im Backstage Werk.

  1. It’s Only Them
  2. Don’t Wake the Dead
  3. Call Me
  4. Zombie Slam
  5. Suicide Machine
  6. I’m Going In
  7. Go With The Flow
  8. Same Old Song
  9. The Great Pretender
  10. Party In My Head
  11. Have A Drink On Me
  12. Let Me Out
  13. Shut Your Mouth

Dass in diesem Package THE HALO EFFECT der unumstrittene Headliner sein könnten, erschien vorab nicht unbedingt ausgemachte Sache zu sein – die Publikumsreaktionen jedoch lassen daran von der ersten Sekunde an keinen Zweifel. War die Stimmung bei Pain gut, ist sie nun herausragend: Kaum kommen THE HALO EFFECT auf die Bühne und legen mit „March Of The Undead“ los, hängen die Fans an Mikael Stannes Lippen – und bereits nach dem vierten Song, „The Needless End“, übernehmen die Fans das Szepter, indem sie die Melodie nicht nur während des Songs lautstark mitsingen, sondern damit so lange fortfahren, bis selbst die Band ratlos wirkt, wie oder ob sie sich hier überhaupt nochmal einbringen sollen. Wohl nicht zuletzt diesen Moment dürften THE HALO EFFECT im Kopf gehabt haben, als sie die Show später auf Facebook mit Munich, you’ve left us completely speechless“  kommentierten.

Dass den meisten der Stücke ein Scherflein kompositorischer Witz zum echten Hit fehlt, kompensieren THE HALO EFFECT live durch ihr Auftreten spielend: Jeder einzelne aus der In-Flames-Altherren-Mannschaft wirkt nicht nur absolut zufrieden damit, heute „nur“ im Backstage Werk vor vergleichsweise wenigen Fans zu stehen, sondern von der Euphorie, die ihnen entgegengebracht wird, richtiggehend gerührt: Als die Zugabe-Rufe nach der leider einzigen Zugabe „Shadowminds“ nicht abreißen wollen, kann Patrik Jensen – mit 55 Jahren und Erfahrung mit rund zehn verschiedenen Bands ein absoluter Routinier – die Tränen nicht mehr zurückhalten. Und warum sollte er auch: Genau um solche Emotionen geht es doch bei Musik!

Einzig, dass THE HALO EFFECT nach den obligatorischen 75 Minuten Spielzeit trotz des nicht enden wollenden, frenetischen Applauses nicht spontan genug sind, um noch irgendeinen Song (und sei es, einen bereits gespielten einfach noch einmal) zu spielen, ist schade: An kaum einem Abend hätte wäre eine echte, ungeplante Zugabe zwingender gewesen denn hier und heute.

    1. March Of The Unheard
    2. Feel What I Believe
    3. In Broken Trust
    4. The Needless End
    5. Detonate
    6. Conditional
    7. Cruel Perception
    8. A Truth Worth Lying For
    9. Become Surrender
    10. What We Become

    1. Gateways
    2. Last Of Our Kind
    3. Days Of The Lost

  1. Shadowminds

Während man bei Dark Tranquillity trotz der personellen Verjüngung das Gefühl nicht loswird, die Luft könnte langsam raus sein, wirkt es bei THE HALO EFFECT genau umgekehrt: Mit jedem Album, jeder Tour wirken die alten Hasen jünger: So viel Euphorie, Emotion und Spielfreude wie bei THE HALO EFFECT findet man selbst bei so manchem Newcomer nicht – bei Musikern mit so viel Erfahrung und Routine jedenfalls ist das eine echte Seltenheit. Mit Dark Tranquillity hat die Truppe mit dieser Tour bereits gleich gezogen – ein Ende des Höhenfluges indessen ist noch längst nicht in Sicht. Und vielleicht bekommen wir mit dem dritten Album dann ja auch noch eine dritte Bühnenlicht-Farbe neben grün und blau geboten.

Publiziert am von

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert