Review Within Temptation – Bleed Out 2024 Tour (Official Live Bootleg)

Metallica bieten sie seit Jahrzehnten an, WITHIN TEMPTATION nun erstmalig: offizielle Live-Bootlegs aller Shows. Aber kann ein solches „Live-Album light“ mit einem echten Live-Album mithalten – oder bekommt man allenfalls eine nette Erinnerung an die erlebgte Show ins Haus? Eine Probe aufs Exempel.

Mit 25 € plus Porto ist das Doppel-CD-Album nicht eben ein Schnäppchen, zumal von der Aufmachung des physischen Produktes – man kennt es von Metallica – nicht viel zu erwarten ist: Ein Booklet gibt es natürlich ebenso wenig wie ein „Design“. Vergleichsweise schön sind die zwei Tonträger selbst, der Karton-Digipak mit zwei mickrigen, auf die Show individualisiertem Aufklebern vorne und hinten ist hingegen sehr lieblos gestaltet. Metallica etwa haben für ihre Bootlegs mittlerweile auf schwarzen Karton umgestellt, und deren System mit einem Aufkleber für Vorder- und Rückseite bringt zumindest eine CD-Rücken-Beschriftung mit sich.

Die Aufnahme selbst beginnt mit unangenehmem Knistern – ein technisches Problem, das im Verlauf des Albums zum Glück nur noch vereinzelt auftritt. Auch sonst ist der Klang aber nichts für Audio-Connoisseure: Während die Keyboards und der Gesang sehr voll aus den Boxen schallen, ist das Schlagzeug wie auch der Gitarrensound doch arg trocken gemischt. Insgesamt klingen insbesondere die härteren Songs sehr roh – womit bei einem Bootleg aber natürlich gerechnet werden muss. Bei 33 Live-Bootlegs bleibt schließlich nur wenig bis keine Zeit für Detailarbeit im Mix. Primär die sanfteren Nummern („All I Need“) können sich aber durchaus hören lassen. Schön ist, dass die Live-Atmosphäre gelungen eingefangen wurde: Das Publikum ist sehr präsent, und auch die Ansagen sind in voller Länge enthalten. Das ist bei so manch professionellem Live-Album schlechter gelungen.

Jede einzelne Show einer Tour zu veröffentlichen, ist nicht nur aus technischer, sondern auch aus musikalischer Sicht ein mutiger Schritt: Werden Live-CDs heutzutage in der Regel aus den besten Performances mehrerer Shows oder gar der ganzen Tour zusammengeschnitten, gibt es hier schlichtweg keine alternativen Takes. So hört man auf Live-Bootlegs natürlich auch immer die eine oder andere Unsauberkeit – speziell beim Gesang. Was bei einem rockig-rotzigen Metallica-Song weniger ausmacht, fällt bei WITHIN TEMPTATION allerdings deutlich mehr ins Gewicht – zumal Sharon etwa in München, wo der hier besprochene Mitschnitt aufgenommen wurde, stimmlich leider nicht den allerbesten Tag erwischt hatte (Metal1.info berichtete).

So gibt es, neben herausragend performten Nummern wie etwa „The Promise“ oder „Mother Earth“, auf dem Bootleg gerade zu Beginn der Show auch einige ziemlich schiefe Töne zu hören („Bleed Out“, „Shed My Skin“). Das macht WITHIN TEMPTATION einerseits menschlich – ob man solche Patzer aber für die Ewigkeit festgehalten muss, steht auf einem anderen Blatt: Denn was live nicht ins Gewicht fällt, schmälert den Hörgenuss der Aufnahme dann doch merklich.

WITHIN TEMPTATION bieten ihren Fans hier einen neuen Service, oder – je nach Sichtweise – erschließen sich ein neues Geschäftsfeld. Ob das gebotene Produkt sein Geld wert ist, hängt allerdings stark davon ab, worum es Fans beim Kauf geht. Wer einfach nur Live-Aufnahmen von WITHIN TEMPTATION hören will, ist mit einer offiziellen Live-CD, wie die Band sie mit „Worlds Collide Tour – Live In Amsterdam“ unlängst von der vorangegangenen Tour veröffentlicht hat, definitiv besser beraten. Wer jedoch seine Erinnerung an den jeweiligen, besuchten Konzertabend konserviert haben möchte, sei zumindest gewarnt: Manchmal ist das Schönste an einem Konzert die verklärte und höchst selektive, individuelle Erinnerung daran. Ein erbarmungslos ehrlicher Mitschnitt wie dieser kann diese unangenehm in Richtung Realität verzerren.

Publiziert am 15. Januar 2025 von Moritz Grütz