Interview mit Vilhelm & Morbius von Grima

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Die sibirische Atmospheric-Black-Metal-Band GRIMA hat kürzlich ihr neues Album „Nightside“ veröffentlicht. Wir haben mit Vilhelm und Morbius über die Band, das neue Album, die Botschaften gesprochen, die ihre Musik vermitteln möchte. Darauf beschränkte sich die Auskunftsfreude der Musiker allerdings: Unsere Fragen zum Angriffskrieg Russlands in der Ukraine, auch dessen ganz konkrete Folgen auf die Band, etwa Toureinschränkungen oder etwaige Anfeindungen aufgrund ihrer Herkunft, ließ die Band unbeantwortet.

Hallo, vielen Dank, dass ihr euch die Zeit für dieses Interview genommen habt! Kommen wir gleich zur Sache. Für jemanden, der GRIMA nicht kennt – wie würdet ihr euch und eure Arbeit beschreiben?
Vilhelm: Es ist ein fesselndes, filmisches Erlebnis. Immersiv, mit einer düsteren Atmosphäre voller Kälte und einem Gefühl von urzeitlicher Verzweiflung. Wie ein magisches Artefakt – aber in Klangform.
Morbius: Unsere Musik ist dunkel und eisig, ein Klang, der eine Sehnsucht nach Wärme und Frieden weckt. Sie bewegt sich zwischen Angst und Gelassenheit, wie ein Sturm, der immer wieder nach der Ruhe aufzieht.

GRIMA gibt es seit 2014, aber ihr habt euch auch mit den Bands Second To Sun und Ultar in der Szene etabliert. Wie kam es dazu, dass ihr GRIMA gegründet habt, oder anders gefragt: Was war die Intention dahinter?
Morbius: Genau. Grima und Ultar sind unsere Hauptprojekte. Als wir das Debütalbum von Grima veröffentlichten, hatten wir bereits das Debütalbum von Ultar, „Kadath„, fertig aufgenommen, an dem wir lange gearbeitet hatten. Nach der Veröffentlichung von Kadath begannen wir aktiv zu touren. Diese Erfahrung hat uns wertvolle Einblicke in Live-Auftritte gegeben, die uns später ermöglichten, Grima zu einer vollwertigen Live-Band weiterzuentwickeln. Bei Second To Sun sind wir eher Performer und Instrumente für die Umsetzung der Musik, die der Bandleader Vladimir Lehtinen komponiert.
Vilhelm: Wir haben Grima als Duo gegründet, weil wir den Wunsch hatten, zusammen Musik zu schreiben. Bei Ultar komponieren wir Musik als Gruppe von fünf Personen – das ist ein völlig anderer Prozess. Mit Grima wollten wir Alben aufnehmen und physisch veröffentlichen, was uns Naturmacht Productions ermöglicht hat. Nach der erfolgreichen Veröffentlichung unseres ersten Albums haben wir angefangen, das Konzept der Band zu verfeinern – so kamen Masken und unser erstes Video dazu. Uns wurde klar, dass die Band großes Potenzial als Studioprojekt hatte. Aber das hat sich geändert; jetzt sind wir eine vollwertige Live-Band.

Euer Name „Grima“ beschreibt das Gefühl, das man im Körper spürt, wenn man unangenehme Geräusche hört. Es ist jedoch auch die weibliche Form des Wortes „Grimm“, was „Schauder“ oder „Horror“ im Deutschen bedeutet. Wie verbindet ihr euren Namen mit eurer Musik?
Morbius: Grima ist ein fiktiver Charakter, den wir geschaffen haben. Er ist der Wächter des Waldes, der schädliche Eingriffe nicht toleriert. Grima repräsentiert eine mächtige, uralte Kraft, die einen gutmütigen Reisenden sicher aus dem dichten Wald führen kann. Einem Besucher mit bösen Absichten jedoch droht der Untergang. Wir versuchen, eine spirituelle Verbindung zu unseren Zuhörern aufzubauen. Viele empfinden in unserer Musik eine magische Bedeutung, was ihre tiefe Auseinandersetzung und Offenheit für das widerspiegelt, was wir schaffen. Sie spüren die Magie und werden Teil des Wesens von Grima.

Ihr tretet bei GRIMA mit Masken auf. Was hat es mit den Masken auf sich? Gibt es eine bestimmte Bedeutung dahinter?
Morbius: Mit unseren schwarzen Roben und Holzmasken verwandeln wir uns in Geister des sibirischen Waldes. Wir sind die verwesten, uralten und weisen Wurzeln und Baumstümpfe – die Wächter der Taiga. Die Baumrinde dient uns als Maske. Unsere Darstellung symbolisiert die dunklen, ruhelosen Geister des Waldes, wo die Natur überwiegend feindlich gegenüber menschlicher Präsenz und Aktivitäten ist.

Viele Black-Metal-Bands nutzen derzeit das Element der Maskerade, um ihre Identitäten zu verbergen. Eure Namen und Gesichter sind jedoch durch eure anderen Bands bekannt. Warum tragt ihr trotzdem Masken?
Morbius: Wir haben unsere Identitäten bewusst verborgen, um einen spezifischen Stil für die Band zu kreieren, damit die Menschen sich auf die Musik und die visuell interessanten Charaktere konzentrieren, statt auf die Personen dahinter. Auch nachdem unsere Identitäten bekannt wurden, hat das nichts daran geändert, wie die Zuhörer die Band wahrnehmen. Die Kostüme und Masken sind vor allem Elemente der Show und ein visueller Stil, der das Publikum so tief wie möglich in die mystische Aura von Grima eintauchen lässt.

GRIMA auf dem NOISEBRINGER FEST 2023
GRIMA auf dem NOISEBRINGER FEST 2023

Kommen wir zu eurem neuen Album „Nightside“. Mit diesem Release feiert ihr euer Labeldebüt bei Napalm Records. Zuvor wurde eure Musik von Naturmacht Productions veröffentlicht. Wie kam es zu dem Wechsel?
Morbius: Anfang 2024 erhielten wir eine Nachricht von Napalm Records mit dem Angebot, unser neues Album zu veröffentlichen. Ich denke, das ist das Ergebnis unserer kontinuierlichen harten Arbeit. Alle zwei Jahre haben wir ein neues Album veröffentlicht und sind auf Tour gegangen. In den letzten Jahren haben wir rund hundert Shows in Europa gespielt. Die Band ist dadurch für Labels, Konzertveranstalter und Festival-Promoter sichtbarer geworden. Wir hatten immer das Ziel, bei einem großen Label zu unterschreiben. Für uns ist es sehr wichtig, ein breites Vertriebsnetzwerk für unsere Alben und Merchandise zu haben, was durch die Unterstützung eines Labels möglich wird.

Was mir an eurem neuen Album sofort aufgefallen ist – es ist kompakter als alles, was ihr bisher veröffentlicht habt. Wie kam es zu dieser „Straffung“ der Songs und wie lief der Songwriting-Prozess ab?
Vilhelm: Einige Songs sind kürzer als die auf unseren vorherigen Alben. Das war keine bewusste Entscheidung, es ist einfach so im kreativen Prozess entstanden. Wir beginnen immer mit gitarrenbasierter Musik; jeder Song entsteht zunächst an der Gitarre. Wie immer schreiben wir alles Material zu zweit. Es beginnt als Heimaufnahme, die wir sorgfältig überprüfen. Manchmal sind Änderungen nötig, bevor wir ins Studio gehen.

Wo seht ihr die größten, vielleicht sogar bereicherndsten Unterschiede zwischen „Nightside“ und seinem Vorgänger „Frostbitten“?
Vilhelm: Das Sounddesign ist völlig anders. Das neue Album hat einen detaillierteren und nuancierteren Klang, bei dem alle Instrumentalparts klar voneinander unterscheidbar sind. Die rhythmischen Elemente haben sich weiterentwickelt – Blastbeats gibt es immer noch, aber wir haben auch Rhythmen integriert, die wir zuvor noch nie verwendet haben, etwas Unorthodoxes für uns. Außerdem ist der Bayan stärker präsent als auf der letzten Platte. Selbst die Albumnamen deuten auf die unterschiedliche Stimmung hin. Die Zuhörer können ein unheimliches, nächtliches Ritual erwarten.

GRIMA auf dem NOISEBRINGER FEST 2023
GRIMA auf dem NOISEBRINGER FEST 2023

Wenn ich richtig informiert bin, schreibt ihr die Texte zu euren Songs in eurer eigenen Sprache. Erzählt uns ein wenig über den Inhalt von „Nightside“. Worum geht es in euren Texten und wie wichtig ist das Zusammenspiel von Worten und Musik für euch?
Vilhelm: Alle unsere Texte sind in unserer Muttersprache geschrieben. Ich schreibe sie normalerweise, nachdem die gesamte Musik aufgenommen ist. Ich arbeite mit den fertigen Kompositionen und schreibe die Texte, während ich sie direkt im Studio aufnehme. Mit diesem Ansatz sind meine Worte eng mit der Musik und ihrer Stimmung verbunden. Ich werde stärker mit der Struktur verbunden und werde Teil des Arrangements selbst. „Nightside“ erzählt die Geschichte der mystischen Seite des sibirischen Nachtwaldes, einer Reise in endlose Reiche und von den verfluchten Wesen, die dort hausen.

Auf eurem Album verwendet ihr den Bayan als eine Art Begleitinstrument. Könnt ihr unseren Lesern kurz erklären, was das bedeutet und warum ihr dieses Instrument so zentral in eure Musik integriert?
Vilhelm: Während der Aufnahmen haben wir einen alten Bayan aus der Sowjetzeit verwendet. Es ist eines der künstlerischen Elemente, die unsere Identität stärken. Sein Klang ist durchdringend und unkonventionell für Metal-Musik, auch wenn wir ihn stilistisch fast wie eine Orgel einsetzen.

Ihr werdet im Studio und live von Serpentum an der Gitarre und Vlad am Schlagzeug unterstützt. Wie hat sich die Zusammenarbeit mit den beiden bei „Nightside“ gestaltet?
Vilhelm: Wie bei den vorherigen Studioaufnahmen haben sie ihre Parts auf einem sehr professionellen Niveau aufgenommen. Ich habe das gesamte Album als Toningenieur betreut, aber Serpentum hat mir die Arbeit erleichtert, indem er beim Aufnehmen der Drums im Studio geholfen hat. Außerdem hat er den Bass eingespielt.

Vielen Dank für eure Zeit. Zum Abschluss ein kleines Metal1-Brainstorming:
Herr der Ringe: Ein großartiges Werk, das zahlreiche kulturelle Phänomene sowie musikalische und visuelle Kunst beeinflusst hat. Auch wir sind von Tolkiens Welt inspiriert.
KI in der Musik: Ein Instrument, das die Menschen in der Zukunft missbrauchen werden. Der künstlerische Wert, die Kreativität und der konstruktive Prozess hinter der Entstehung eines Werks werden wahre Kunst von Fälschungen unterscheiden.
Tardigrade Inferno: Ein Karneval des surrealen Wahnsinns.
Grima unmaskiert: Lassen wir das hinter den Kulissen. Unsere Musik spiegelt unsere dunklen Seelen wider.
Künstler, mit denen ihr gerne zusammenarbeiten würdet: Es wäre interessant, mit Andy La Rocque im Studio zu arbeiten und mit King Diamond, Abbath und Cradle of Filth auf Tour zu gehen.

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Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
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