Interview mit Markus Stock von The Vision Bleak

Das Jahr 2024 war für The Vision Bleak ein überaus geschäftiges. Im April konnte das Dark-Metal-Duo unsererseits das Album des Monats einheimsen. Während der „Weird Tales &  Other Haunting Stories“- Tour, trieb es die Band auf allerlei Bühnen. Wir haben uns für eine kurze Rekapitulation mit Markus Stock über das aktuelle Album „Weird Tales“, die vergangene Tour und Teenager-Sprech unterhalten.

Die letzte The Vision Bleak Tour liegt schon ein paar Tage zurück. Nun seid ihr gleich mit einem Doppel-Set unterwegs gewesen. Wie waren die Resonanzen des Publikums? Wie war es nach dieser langen Tour-Pause wieder unterwegs zu sein?
Die Tour lief auf vielen Ebenen ganz hervorragend. Sowohl das Publikum als auch wir haben das Doppel-Set sehr genossen. Der erste Teil des Abends war mit der Darbietung des neuen Albums „Weird Tales“ in Gänze der „Kunst-Teil“ des Abends, das später folgende Best Of Set dann so etwas wie das gemeinsame Loslassen – fallen lassen – in die wilde Energie des Rock ’n‘ Roll. Die Resonanzen waren wirklich ganz herausragend gut. Hier und da hätte es der ein oder andere Besucher mehr sein können, aber wir haben sehr viel Merch verkauft, was es dann auch finanziell zu einer sehr lukrativen Rutsche gemacht hat. Was ja auch nicht ganz unwichtig ist. Es war schön, nach so langer Zeit mal wieder auf Tour gewesen zu sein – vor allem in der Art, wie wir die Tour gestaltet haben. Ohne Nightliner, mit keinem wirklichen Tour Tross, sondern mit ganz „kleinem Besteck“. Alles Bestens!

THE VISION BLEAK auf dem Ragnarök Festival 2024
THE VISION BLEAK auf dem Ragnarök Festival 2024

Von Euren Konzerten mit Empyrium weiß ich, dass diese immer recht aufwendig vorzubereiten waren. Wie läuft so eine Tourvorbereitung bei The Vision Bleak ab?
Das Best-of-Set läuft mehr oder weniger von allein. Die Vorbereitungen für den ersten Teil des Abends mit „Weird Tales“ am Stück waren allerdings wirklich ein riesiger Haufen an Arbeit. Das Arrangieren des Albums, sodass es Live funktioniert, jedem Musiker seine Parts zuweisen, rausschreiben oder online durchgehen und miteinander proben, sich selbst vorbereiten, der ganze organisatorische Teil der Tour, Merch designen, etc. etc. Ich habe bei dieser Tour (wie auch bei Empyrium) sehr, sehr vieles allein vorbereitet, was dann schon an die Substanz geht, wenn man nebenher noch Produktionen im Studio hat, sowie als Familienvater natürlich auch privaten Verpflichtungen nachkommen muss. Also, wirklich schön, dass sich das alles auch gelohnt hat.

„Weird Tales“ habt ihr auf dieser Tour in voller Länge zum Besten gegeben. Glückwunsch an dieser Stelle zum Album des Monats April auf M1.info. Entiry Gigs habt ihr mit TVB zuletzt auf dem Prophecy Fest gegeben. Steht man da aufgeregter hinter der Bühne als bei einem regulären Set, oder ist es vielleicht sogar andersherum?
Vielen Dank und ja, der erste Teil des Abends war immer recht nervenaufreibend. Es bedarf sehr viel Konzentration und Fokus, um 42 Minuten am Stück live immer voll bei der Sache zu sein. Aber wie oben schon erwähnt, konnte man sich dann beim späteren Set umso mehr fallen lassen.

THE VISION BLEAK auf dem Ragnarök Festival 2024
THE VISION BLEAK auf dem Ragnarök Festival 2024

Ihr habt für eure Tour die Post-Rock-Band Ellereve dabei gehabt. Ich sage bewusst nicht Vorband, da die Formation mit ihren Auftritten ja zwischen euren Gigs stattfand und nicht klassischerweise als Anheizer mitgekommen ist. Vor eurer gemeinsamen Tour war die Band mit Dornenreich unterwegs. Wie kam es eurerseits zu diesem Band-Bundle und wie hat sich die Tour mit den Innsbruckern gestaltet?
Der ganz pragmatische Grund war, dass wir eine Band beziehungsweise einen Künstler mit sehr geringem „Umbauaufwand“ gesucht haben, der bestenfalls auch unserem Publikum gefallen sollte. So konnten wir unser Bühnen-Setup einfach stehen lassen für beide Sets. Wir sind dann durch die Dornenreich Connection auf Ellereve gestoßen und ich denke, es hat wirklich gut funktioniert.

Lass uns mal genauer auf die Doppel-Sets eingehen. Hattet ihr bei der Planung dieser Tour von Anfang an die Idee eines Doppel-Sets? Wenn ja, gab es da Kriterien, wonach ihr die Songs eures Best-ofs ausgewählt habt?
Die Idee bestand tatsächlich von Anfang an. Ich wollte einfach unbedingt dem Albumkonzept auch live vollkommen gerecht werden. Für das Best-of-Set sind wir einfach danach gegangen welche Songs live immer am erfolgreichsten funktioniert haben und welche wir eh auf dem Kasten haben, da der Vorbereitungsaufwand für das „Weird Tales“-Set eh schon ungemein hoch war.

Gibt es schon Pläne für die Zeit jetzt nach der Tour? Also Albumproduktionen, Auftritte oder Tour-Zyklen mit anderen Bands oder Ähnliches?
Wir haben für 2025 schon ein paar Sachen auf dem Radar und auch eventuell einen zweiten kleineren Durchlauf mit dem „Weird Tales“-Set, aber bisher noch nichts wirklich spruchreifes. Fix sind Shows auf dem Dark Troll Festival, Party San und einer „20 Jahre Carpathia“ Show auf dem Prophecy Fest. Für mich steht zudem das Fertigstellen eines neuen Empyrium Albums ganz oben auf dem Zettel.

Mit dem Komplex „Tour“ wären wir tatsächlich schon am Ende. Da wir auf M1 allerdings bisher noch keine Gelegenheit hatten, über „Weird Tales“ als Album zu sprechen, würde ich das hier gerne mit unterbringen.
Sehr gerne.

„Weird Tales“ ist das bis dato komplexeste The Vision Bleak Release und mit Abstand auch die stilistisch offenste Ergänzung eures Repertoires. Das Album besteht aus nur einem Track mit etwas über 50 Minuten Spielzeit. Wie entstand die Idee, so ein Mammutprojekt anzugehen?
Längere Geschichte. Die Idee, ein „One-Track-Album“ zu schreiben, geistert schon sehr lange in meinem Kopf herum – seit ca. 2007. Ich war schon in den 90ern ein großer Fan des italienischen Kult-Projektes Devil Doll von Mr. Doctor. Er hat von Anfang bis Mitte der 90er einfach unfassbare Alben geschaffen – allesamt One-Track-Alben mit unglaublicher kompositorischer Finesse, großartigen Performances und sehr aufwändig produziert. Devil Doll – die kaum jemand kennt – sind definitiv der musikalische Einfluss von „Weird Tales“. Irgendwie hat der Zeitpunkt aber zuvor nie wirklich gepasst, um diese große Inspiration endlich zu verarbeiten. Als ich dann irgendwann zwischen den Jahren 2018 und 2019 anfing, neues The Vision Bleak Material zu schreiben, trat ich irgendwie auf der Stelle. Alles klang für mich wie schonmal da gewesen und ich verwarf fast jede Song-Idee nach kurzer Zeit. Ich war nicht wirklich inspiriert und widmete mich dann anderen Projekten (Sun Of The Sleepless und Empyrium) und TVB lag erstmal unbestimmt auf Eis. Anfang 2023 wagte ich einen neuen zaghaften Versuch und die Idee des One-Track-Albums kam erneut auf. Mit diesem konzeptionellen Frame war der Bann gebrochen und ich schrieb das Album in zwei circa einwöchigen Kompositionssessions im Frühjahr 2023.

Markus, du hast dich schon von allerlei Gruselgeschichten, Dichtern und Künstlern inspirieren lassen. Sei es Theodor Kittelsen, die Grimm’schen Märchen in ihrer volkstümlichen Form oder jüngst durch Edgar Allan Poe. Welche Überlegungen rein inhaltlicher Natur stellst du an, wenn du dich ans Schreiben eines neuen Albums machst?
Ich habe es ja oben schon kurz angerissen: Ein konzeptioneller Rahmen hilft mir immer ungemein, um meine Ideen zu fokussieren und zu konkretisieren. Meist entsteht dieser Rahmen zuerst symbiotisch zu den ersten musikalischen Ideen, die ich im Songwriting für ein neues Album verfolge. Ist das „Framework“ dann vorhanden wie auf „Weird Tales“, also ein One-Track-Album, das lyrisch kombiniert wird mit einer Kurzgeschichtensammlung im Stile der Weird Tales Magazine – geht es meistens recht schnell. Aber diese Ideen reifen bei mir oft über Jahre im Unterbewusstsein, das fast schon traumartig künstlerisch kontrolliert wird von mir. Es ist wirklich schwer zu beschreiben. Wie ein Puzzle aus Gedanken, Emotionen, Inspirationen und Bildern, das man über Jahre immer wieder Stück für Stück zusammensetzt, bis man weiß, woran man da überhaupt puzzelt, um es dann vollenden zu können.

Konstanz übernimmt bei The Vision Bleak das Schlagzeug und den Gesang. Du spielst sämtliche Gitarren, Keys und andere Instrumente. Wie hat sich das Songwriting für „Weird Tales“ gestaltet?
„Weird Tales“ habe ich komplett im Alleingang geschrieben, was bei dem Konzept des Albums gar nicht anders möglich gewesen wäre. Man muss komplett abtauchen in diese Strukturen und Gedanken. Es ist sehr schwer, da jemanden mit rein zu holen, bevor man etwas Vorzeigbares komponiert hat. Ich war ja schon immer der Hauptsongwriter und der Texter bei The Vision Bleak, aber Konstanz war auch Ideengeber, hat oftmals mit arrangiert und auch eigene Songideen eingebracht in der Vergangenheit. Auch wenn der Großteil schon immer von mir kam.

Konzeptalben fordern vom Künstler Disziplin und vom Hörer eine gewisse Aufmerksamkeit. Das Überangebot an Musik und die schnelle Verfügbarkeit wirken beim Konsumenten eher in die gegenteilige Richtung. Kannst du diese Entwicklung aus künstlerischer Sicht bestätigen?
Absolut. Das ist auch der Grund, warum ich mir wieder extra ein Musikzimmer eingerichtet habe, in dem ich nur Vinyl, Tapes und meine alten CDs höre. Einfach um dieser Entwicklung entgegenzuwirken und um den wenigen Momenten die ich habe, wo ich wirklich Musik genießen kann, gerecht zu werden. Wenn man ständig selbst an Musik arbeitet, wie ich es im Studio tue, ist man abends dann doch oft etwas „übersättigt“. Und ich möchte Musik wirklich genießen und nicht nur als Hintergrundbeschallung nutzen.Abschlussfrage: Lohnt es sich da überhaupt noch, derartig große Projekte wie „Weird Tales“ umzusetzen, wenn man weiß, dass Konzeptalben gerade nicht unbedingt die ‚bequemste Lösung‘ für gerade junge Konsumenten sind?
Ja, auch das war ein Gedanke. Der modernen Entwicklung entgegenzutreten, mit diesem „antiquierten“ Konzept. Das liegt ja generell in meiner Art des Ausdrucks – altes neu aufleben zu lassen. Ich habe selbst zwei Teenagerkinder und weiß, wie man heutzutage Musik rezipiert. Grauenhaft.

Zum Schluss noch das obligatorische Brainstorming:

The Vision Bleak mit Orchester?
Jein. Wäre interessant aber im Moment kein inspirierender Gedanke.
Platte des Jahres bisher?
Opeth – The Last Will and Testament. Keine originelle Wahl aber einfach ein unfassbar gutes Album.
Lieblingswerk von E.A.P.?
Seine Gedichte: allen voran Dream-Land und natürlich The Raven. Was seine Kurzgeschichten angeht: The Tell-Tale Heart und Descent into Maelstrom.
Die Serie „The Downfall Of The House Of Usher“?
Nicht gesehen. Ich schaue seit vielen Jahren kein Fernsehen mehr und an Netflix und Konsorten habe ich auch das Interesse verloren.
TVB in 10 Jahren?
Immer noch aktiv in irgendeiner Form.Wir sind wandelbar und werden in Würde altern – nicht so wie viele der Metal Heroen meiner Jugend.

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