Wenn die Coronakrise auch den Konzertkalender leergefegt hat, muss die Abendgestaltung trotzdem nicht Metal-frei bleiben. Nicht (nur) mit Livestream-Konzerten aus leeren Hallen, Proberäumen oder den Wohnzimmern der Musiker, sondern auch mit Klassikern und Neuerscheinungen aus dem filmischen Bereich. Schließlich gibt es auch hier unzählige Werke, die sich dem Thema Rock und Metal verschrieben haben – sei es als Komödie, Thriller, Horrorfilm oder gar als Dokumentation.
In diesem Special wollen wir euch Metal-relevante Film-Highlights in Form von Kurzreviews vorstellen. Während wir euch in Teil 1 des Specials eine genreübergreifende Auswahl an einschlägigen Spielfilmen präsentiert haben, werfen wir für euch in diesem zweiten Teil einen Blick auf spannende Band- und Szene-Dokumentationen.
Amon Amarth – The Pursuit Of Vikings
Mit „The Pursuit Of Vikings: 25 Years In The Eye Of The Storm” legen AMON AMARTH eine knapp 100 Minuten lange Dokumentation vor, die vor allem die persönliche Seite der Band unterstreicht. Waren Johann „Big J“ Hegg und seine Mitstreiter zu „privaten“ Themen bislang eher verschwiegen, geben sie hier tiefe Einblicke in ihr Leben vor und abseits der schwedischen Combo. Fotoalben aus der Jugend werden hervorgeholt, Erinnerungen geteilt und interessante Zusammenhänge dargelegt: Man erfährt, wie sich die Gruppe zusammengefunden hat, besucht mit den Protagonisten Orte, die ihr Leben geprägt haben und wird dabei – der Ritterschlag für jede Banddokumentation – immer wieder emotional berührt. Etwa wenn Hegg im Gespräch über den 2013 verstorbenen Metal-Blade-Europe-Gründer und Summer-Breeze-Mitveranstalter Michael Trengert nach Worten ringt oder aber unter schallendem Gelächter eine von unzähligen Anekdoten aus 25 Jahren AMON AMARTH preisgibt. Dem Team um Produzent Alexander Milas und Regisseur Phil Wallis ist damit ein so bandnaher wie kurzweiliger Film gelungen, der den nunmehr 25-jährigen Siegeszug der Schweden lebendig dokumentiert und den Betrachter tief in die Welt der Wikingertruppe eintauchen lässt. (Moritz Grütz)
The Story Of Anvil
Mit ihrem von Sacha Gervasi umgesetzten Dokumentarfilm „The Story Of Anvil“ wurden die kanadischen Metal-Urgesteine ANVIL über Nacht von absoluten Underdogs zu Szene-Lieblingen. Und das aus gutem Grund: vermutlich gibt es keinen liebevoller produzierten, authentischeren und sehenswerteren Musikfilm als diesen – eine Art reales „This Is Spinal Tap“ und unprätentiöses „Some Kind Of Monster“ in einem. „The Story Of Anvil“ zeigt mit 174 Gästen im Stadion, handgemalten Postern und ermüdenden Tagesjobs den harten – und oft enttäuschenden – Alltag tourender Bands im Schatten von Giganten wie Metallica und Kiss, und präsentiert auf herzerwärmende Art und Weise eine echte, aufrechte und bedingungslose Liebe zur Musik. Wer verstehen will, was Bands auf dem Weg an die vermeintliche Spitze durchmachen, wie undankbar der Kampf um die eigene kreative Vision oftmals sein kann und warum sich das alles am Ende trotzdem lohnt, muss diesen Film gesehen haben. (Thomas Meyns)
Bruce Dickinson – Scream For Me Sarajevo
In der Nacht vom 4. auf den 5. April 1992 begann die Belagerung von Sarajevo durch die Jugoslawische Volksarmee, die erst am 29. Februar 1996 durch das Eingreifen westlicher Staaten enden sollte. Mit 1425 Tagen war sie die längste Belagerung des 20. Jahrhunderts, während derer hunderttausende eingeschlossener Menschen über eine Luftbrücke versorgt werden mussten. Genau dort, zwischen Mörsern und Granaten, erklärten sich BRUCE DICKINSON und seine Band bereit, ein Konzert zu spielen. Die Geschichte dieses unwahrscheinlichen Events wird von „Scream For Me Sarajevo“ erzählt. Wie viel Mut BRUCE DICKINSON & Co. aufbrachten, um die Show zu verwirklichen, wie diese Reise sie veränderte und was dieses einzelne Konzert den Menschen inmitten des Krieges gab – „Scream For Me Sarajevo“ gelingt es, all das einzufangen. Deshalb ist es ein großartiger Film, den man gesehen haben muss, auch – oder gerade weil – er die Zuschauer mit einem flauen Gefühl im Bauch zurücklässt. (Christoph Emmrich)
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History, Hits & Highlights ’68-’76
DEEP PURPLE – „History, Hits & Highlights ’68-’76“: Die Betitelung des DVD-Bundles drückt es bereits aus – es gibt eine Zeitreise zu den Anfangstagen einer der größten Bands der Rockgeschichte. Von den Ursprüngen in den späten 60ern, als noch der Rock ’n‘ Roll dieser Zeit den Sound maßgeblich beeinflusste, über die Ära der All-Time-Hits in den frühen Siebzigern bis zur Auflösung aufgrund unüberwindbarer Differenzen im Jahr 1976 erstreckt sich das Material auf den beiden DVDs. Die erste beinhaltet zum einen die leider nur etwa 20-minütige „History“-Sektion und zum anderen den über zwei Stunden langen „Hits“-Part. Dieser ist in vier Abschnitte unterteilt, die je für eine Besetzung von DEEP PURPLE stehen. DVD 2, übertitelt mit „Highlights“, enthält noch einmal fast zweieinhalb Stunden alternative Performances der unterschiedlichen Lineups sowie einige Interviews. Höhepunkte sind hier diverse Interviews sowie eine neuseeländische Kurzdoku. Insgesamt bekommt der geneigte Fan auf diesen beiden DVDs wohl mehr Material aus den frühen Bandtagen und weitaus mehr Hintergrundinfos geboten als bei jeder anderen der unzähligen Video-Veröffentlichungen von DEEP PURPLE. „History, Hits & Highlights ’68-’76“ ist somit ein eindrucksvolles Dokument der Rockgeschichte. (red)
Laibach – Liberation Day
2015 gelingt LAIBACH der vielleicht größte PR-Coup im Rock- wie auch im Kunst-Business des 21. Jahrhunderts: Sie überzeugen das kommunistische Regime der Demokratischen Volksrepublik Korea davon, als erste westliche Rockgruppe überhaupt in Pjöngjang auftreten zu dürfen – und zwar zur Feier des höchsten Feiertags des Landes, des „Liberation Days“. Ein Kamerateam begleitet die Band auf ihrer Reise nach und durch Nordkorea: In ohne Zweifel staatlich zensierten Bildern hält es fest, wie die kulturellen Differenzen die Vorbereitungen der Show für alle Beteiligten zur Geduldsprobe werden lassen. Dass LAIBACH am Ende allen Widrigkeiten und Einschränkungen zum Trotz tatsächlich in Nordkorea auf der Bühne standen, grenzt an ein Wunder. So ist „Liberation Day“ der wohl bedrückendste, aber auch beeindruckendste Roadmovie, der je gedreht wurde: „Liberation Day“ ist kein LAIBACH-Film und auch keine Musik-Dokumentation im klassischen Sinne – sondern ein Zeitdokument, das sich nicht nur für Fans der Band lohnt. (Moritz Grütz)
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Lemmy
Wir alle wissen, wer LEMMY war, und wir alle wissen, was eine Dokumentation ist. Entsprechend simpel und effektiv ist dieser Film betitelt (Untertitel: „49% Motherfucker. 51% Son Of A Bitch“). Mr. Ian Fraser Kilmister war schon Roadie für Jimi Hendrix, doch während die jüngeren Generationen der Rock- und Metal-Fans mittlerweile die musikaffinen Großeltern – wenn überhaupt vorhanden – zu Rate ziehen müssen, wenn sie persönliche Erfahrungen zu Hendrix hören wollen, konnten sie den nach Kalifornien übergesiedelten Briten noch vor fünf Jahren live mit Motörhead auf der Bühne sehen … und wem selbst das verwehrt blieb, kann seit 2010 diese DVD/Blu-ray gucken.
Dass LEMMY schon zu Lebzeiten eine Legende, ja so etwas wie der Pate der Szene war, darauf hat sich der raubeinige Bassist nie großartig etwas eingebildet. Hinter der rauchenden, saufenden (…) Rock-Ikone, deren Karriere sich von den 1960ern bis in die 2010er Jahre zog, steckte ein bodenständiger und letzten Endes auch zerbrechlicher Diabetiker, der mit Freude am Spielautomaten seiner Lieblingsbar, dem Rainbow in Hollywood, saß – nur einen Steinwurf entfernt von seinem bescheidenen, mit Büchern und Memorabilia vollgestopften Apartment, das ebenfalls keinen Superstar-Glamour, aber pure Leidenschaft für Musik und Geschichte ausstrahlte. Genau diesen Blick hinter die Kulissen bietet „Lemmy“ – und wird durch Interviews mit allerlei bekannten Musikern und sonstigen Wegbegleitern unterfüttert sowie mit massig Bonus-Material ergänzt.
Die anderen zwei Drittel von Motörhead hatten sich im Nachgang beschwert, nach jahrelanger Drehzeit so verhältnismäßig selten im Film vorzukommen. Und wenn LEMMY auch untrennbar mit Motörhead verbunden ist und Phil Campbell sowie Mikkey Dee zumindest als bewegliche Kulisse in Live-Einspielern sichtbar sind – wer letztere sehen will, zieht sich lieber eine Konzert-DVD des Trios rein. Legt man „Lemmy“ in den Player ein, bekommt man … LEMMY! (Markus Frey)
Metallica – Some Kind Of Monster
2004, ein Jahr nach der Veröffentlichung von „St. Anger“, brachten METALLICA eine Dokumentation auf den Markt, die den Entstehungsprozess dieser Platte zeigt, Hintergründe beleuchtet und bis heute zum Seltsamsten zählt, was man je von dieser Gruppe gesehen hat. „Some Kind Of Monster“ zeigt nicht – wie sonst üblich – eine Band beim Rumblödeln, Saufen und Musikmachen im Studio. Sie zeigt eine Band in der Gruppentherapie, bei der sich die Mitglieder eine Vielzahl von (unschönen) Dingen an den Kopf werfen. Die Doku erzählt, wie es zum Ausscheiden von Jason Newsted aus der Metal-Institution kam und wie Rob Trujillo zu METALLICA stieß. Dabei ist das Besondere an „Some Kind Of Monster“ die Schonungslosigkeit, mit der die Musiker miteinander ins Gericht gehen, und die praktisch nicht vorhandene Distanz zwischen dem Innenleben von METALLICA und dem Zuschauer. Nicht schön, aber auf jeden Fall spannend. (Christoph Emmrich)
Rammstein in Amerika
Hannes Rossachers große Dokumentation „Rammstein in Amerika“ erzählt in gut zwei Stunden die Geschichte von Deutschlands größter Rockband und deren Verhältnis zu den USA bis hin zur einmaligen Show vor zigtausend jubelnden Zuschauern im Madison Square Garden. Mit Material aus den Privatarchiven der Musiker, Interviews mit RAMMSTEIN sowie mit Kollegen und Weggefährten wie Chad Smith (Red Hot Chili Peppers), Gene Simmons und Paul Stanley von KISS, Wes Borland (Limp Bizkit), Marilyn Manson, Jonathan Davis (Korn) oder Shawn Crahan (Slipknot) hat der Film selbst eingefleischten Fans noch viel zu bieten. Neben der Live-DVD zu besagter Mega-Show bekommt der RAMMSTEIN-Liebhaber mit dem Package noch ein unterhaltsames Making-of-Video zum Album „Liebe ist für alle da“ geboten, bei dem Gitarrist Paul Landers die sechs Wochen im und ums Studio so intensiv mitverfolgt, dass er irgendwann zu hören bekommt: „Oh Paul, das nervt ganz doll, mach es einfach aus …“. An dieser Veröffentlichung hingegen nervt nichts, und ausmachen will man erst recht nicht. Fazit: für jeden Fan ein Muss. (Moritz Grütz)
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Saxon – Heavy Metal Thunder – The Movie
Wie der Titel schon vermuten lässt, gibt es mit „Heavy Metal Thunder – The Movie“ nicht primär einen Konzertmitschnitt von SAXON zu bewundern. Vielmehr ist diese Veröffentlichung eine Dokumentation über den Aufstieg und die Zwischentiefs einer der bekanntesten Bands der New Wave of British Heavy Metal. Erzählerisch ist die Dokumentation nicht gerade kreativ, aber gut gemacht, da sie erstaunlich ehrlich wirkt. Die Streitereien in der Gruppe, die mit ihrem Aufstieg Anfang der 80er einhergingen, und der ruppige Umgang mit ehemaligen Bandmitgliedern können deshalb so gelungen beleuchtet werden, weil eben auch jene geschassten Ex-Mitstreiter ordentlich Redezeit bekommen und ihre Sicht der Dinge darstellen können. So haben SAXON hier ein Paket geschnürt, das jedem Fan der Briten, aber eben auch an der eigenen Geschichte interessierten Metallern gefallen wird. Zudem gehört einiges an Mut dazu, nicht einfach eine geglättete SAXON-Geschichte zu verbreiten, sondern die alten Kollegen nahezu gleichberechtigt mitwirken zu lassen. Wer Musikdokumentationen mag, sollte hier zugreifen. (Marc Lengowski)
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Slipknot – Voliminal: Inside The Nine
Nicht zuletzt die Anonymität der Musiker hinter den Masken hat SLIPKNOT groß gemacht – so groß, dass es irgendwann egal war, ob bekannt wurde, wer unter den einst verwegenen DIY-Masken steckte. Heute sind SLIPKNOT längst „enttarnt“ und im Metal-Mainstream angekommen. Doch die Faszination für die neun Maskenmänner ist nie abgerissen. Zwischen der „Disasterpieces“-DVD (2002), einem auch aus heutiger Sicht noch ein beeindrückenden Lehrstück in Sachen Musik-DVD mit Road-Movie-Anteilen, und der Live-DVD „(Sic)nesses“ (2010) erschien mit „Voliminal: Inside The Nine“ im Jahr 2006 eine eher schräge Tourdokumentation: Zusammengestellt von SLIPKNOT-Percussionist und -Vordenker Shawn „Clown“ Crahan, ermöglichte diese mit reichlich skurrilen Szenen und interessanten Interviews einen ganz anderen Blick auf die Band als es DVDs üblicherweise tun. So fügt der Film dem Mythos SLIPKNOT eher Bausteine hinzu als diesen durch zu viel Offenheit zu zerstören. Für Fans ein Muss – alle anderen dürfte „Voliminal: Inside The Nine“ eher ratlos zurücklassen. (Moritz Grütz)
Wacken – Full Metal Village
Über das Wacken Open Air müssen nicht viele Worte verloren werden. Das Gleiche gilt eigentlich für „Full Metal Village“, die dazugehörige Dokumentation: In den Jahren 2005 und 2006 drehte die koreanische Regisseurin Cho Sung-hyung eine Dokumentation über das ganz besondere Dorf in Schleswig-Holstein. Im Mittelpunkt steht nicht das Festival selbst, sondern was es mit sich bringt: Jahr für Jahr prallen in Wacken scheinbar unvereinbare Lebensstile aufeinander – wilde, feierwütige Metalheads und gelassene Bauern und Dorfbewohner teilen sich für eine knappe Woche die Straßen und den Supermarkt. Wenngleich sich das Open Air in den letzten 15 Jahren natürlich weiterentwickelt und etwa seine eigenen Supermärkte auf dem Gelände eröffnet hat, ist „Full Metal Village“ eine nach wie vor sehenswerte, weil mit viel Liebe zum Detail erzählte Hommage an dieses Zusammentreffen, das in zahllosen Interviews eines zeigt: Mit gegenseitigem Respekt kann auch ein solches Aufeinandertreffen funktionieren. Sonst wäre das Wacken Open Air wohl nie geworden, was es heute ist. (Moritz Grütz)
Mehr Lust auf ein „Konzert im Wohnzimmer“? Alle Reviews zu Live-DVDs auf Metal1.info findest du hier.