Interview mit Simon Michael von Subway To Sally

„Totgesagte leben länger!“ – das ist die neue Agenda von SUBWAY TO SALLY. Das 16. Studioalbum „Post Mortem“ unterstreicht diese Losung in allen Belangen. Schlagzeuger Simon Michael berichtet im Interview vom schweren Aufstieg in den Himmel, von kreativen Höhenflügen und Eskalationen mit Fiddler’s Green.

Hallo Simon, fallen wir gleich mal mit der Tür ins Haus. Wenn ich richtig informiert bin, dann sollte „Himmelfahrt“ euer letztes Album sein. Wie kam es zu der Entscheidung, „Post Mortem“ umzusetzen?
Himmelfahrt“ war ein schwieriger Prozess, wir kamen direkt aus der Pandemie. Es gab viele Bands, die mit der Situation damals gut umgegangen sind, uns fiel das allerdings eher schwer. Seltsamerweise passierte aber nach dem Release etwas Magisches: Unsere Fans fanden das Album ausnahmslos gut. Grade für SUBWAY-Verhältnisse kam das Album fast beängstigend gut an, wir haben wirklich null negative Resonanz darauf bekommen. Und auch wir selbst waren und sind immer noch von der Platte begeistert. Das ist nichts Gewöhnliches nach 30 Jahren Bandgeschichte! Auf der Tour setzte sich dieser Trend fort, Songs wie „Was ihr wollt“ oder „Leinen los“ haben sich sehr schnell zu echten SUBWAY-Klassikern entwickelt. Lange Rede, kurzer Sinn: Das gab uns so viel Rückenwind, dass wir schnell wieder Musik geschrieben haben. Und damit ist dann „Post Mortem“ einfach passiert und ein ziemlich starkes Album entstanden.

Wie läuft denn so ein Entstehungsprozess für ein SUBWAY-TO-SALLY-Album normalerweise ab?
Unterschiedlich. Sowohl „Himmelfahrt“ als auch „Post Mortem“ sind in kleinen Teams entstanden. Ingo, unser Mann fürs Kreative in der Band, hat natürlich trotzdem enormen Anteil am Sound, den Songs, einfach an allem.

Du hast vor vielen Jahren einmal während eines Making-Ofs, (damals zu „Mitgift“) gesagt, die Arbeit an SUBWAY TO SALLY Alben bedingt im Vorfeld knallharte Recherchearbeit. Wie hat das für „Post Mortem“ ausgesehen?
Mitgift“ war ein Konzeptalbum über Verbrecher und Verbrechen, über menschliche Abgründe. Bei mir ist das allerdings immer noch so, dass ich Songs erst dann schreibe, wenn ich eine inhaltliche Idee habe und ein Grundgerüst über ein Thema, das ich besingen will. Lustigerweise ist der Song „Post Mortem“ so entstanden. Wir wussten den Albumtitel schon lange, aber ich fand, dass man die ganze Story auch in einen Songtext verpacken sollte. Somit stand am Anfang der Titel, dann die Idee und die zweite Ebene mit der Geschichte, dass der Tod an unsere Tür klopft und wir ihn überlisten. Das kennt man ja aus der bayerischen Folklore auch, das Thema. Das meinst du dann mit Recherchearbeit. Ich brauche ein Thema, das ich so gut finde, dass ich es behandeln möchte. Dann wird meistens auch ein guter Song draus.

„Post Mortem“ wirkte auf mich, während ich es besprochen habe, wesentlich geradliniger als „Himmelfahrt“. Es ist zwar wieder sehr episch geraten, gleichsam aber viel direkter und weniger ausladend. Wie siehst du das?
Nein, ich glaube, dass das ein bisschen trügt. Es gab auf Himmelfahrt natürlich so epische Songs wie „Gott spricht“ sowohl musikalisch als auch inhaltlich, allerdings finden sich auf „Post Mortem“ ebenfalls Titel wie „Nero“, die in eine ähnliche Richtung gehen. Auch mit „Herz in der Rinde“ gibt es eine klassische Ballade, die von ganz klein zu ganz groß heranwächst. Vielleicht hast du allerdings insofern recht, dass mit „Post Mortem“ und „Stahl auf Stahl“ auch straighte Songs enthalten sind, die etwas leichter sind, inhaltlich und musikalisch gesehen. In Summe ist „Post Mortem“ aber ein gutes SUBWAY-TO-SALLY-Album mit allen Facetten der Band.

Ihr habt in den Jahren zwischen 2014 und 2019 sehr viel experimentiert. „Mitgift“ ist nach „Nord Nord Ost“ mein liebstes Album aus eurer Diskografie. „Post Mortem“ und „Himmelfahrt“ sind beide nicht weniger gut, dafür aber wieder um einiges traditioneller geraten. Wie kam es zu diesem Schritt?
Wir haben bewusst auf einige Experimente verzichtet. Natürlich ist SUBWAY TO SALLY eine stilprägende Band, die auch durch Mut einen großen Einfluss auf das gesamte Genre hatte. Es fühlt sich im Moment allerdings richtig an, sich auf das zu fokussieren, was die Stärken dieser Band sind. Wir sind eine gute Liveband mit einem facettenreichen und großartigem Sänger, einer der besten Geigerinnen in diesem Land, einem experimentellen und äußerst außergewöhnlichen Gitarristen. ich könnte weiter im Eigenlob schwelgen, was ich aber sagen will: Wenn ich meine, dass wir weniger experimentieren, dann mag das nach einer langweiligen neuen Platte klingen. Das ist sie aber ganz und gar nicht. SUBWAY TO SALLY an sich als Band hat Kante und Eigenständigkeit genug, da braucht es 2024 keine Synthie-Bässe mehr on top.

Apropos „experimentieren“ – für eure wie gewohnt sehr reichhaltige Fan-Edition habt ihr sieben Titel des Albums, sowohl gesanglich als auch instrumental neu interpretieren lassen. Unter anderem durch Tanzwut, Manntra und League Of Distortion. Gib mal einen Einblick in die Kooperationen mit den Bands.
Das sind alles Kolleg*innen, zu denen es eine Verbindung gibt und die wir in unserem Umfeld sehr schätzen. SUBWAY-Songs mit englischen Texten zu hören, wollten wir schon lange. Und auch mit Frauengesang, das stand schon länger mal auf der Wunschliste. Und es ist wirklich super spannend, sich die Sachen anzuhören! Auch zu sehen, wie gut die Texte auf Englisch funktionieren können, war eine interessante Erkenntnis. Ob wir das so fortführen, wissen wir aber noch nicht. Spaß hat es auf jeden Fall gemacht! Nicht unerwähnt lassen sollten wir die „Mittelaltermarkt“-Versionen von Tanzwut und Corvus Corax, die beide mit viel Kreativität und auch mit Humor ein Fass für uns aufgemacht haben, das wir uns nie zu öffnen getraut haben. Das ist supergeil geworden!

Kommen wir mal zu den Texten. Mein Eindruck ist, dass „Post Mortem“ einerseits das Leben feiert, andererseits aber auch die Umstände anprangert, die unser aller Existenz heute mitbestimmen. Liegt da die Inspiration quasi vor der Haustür? Erzähl mal ein wenig von der Entstehung eurer Texte.
Wir wandern doch aktuell von Krise zu Krise. Das nervt. Alle, die ich kenne, bedrückt das und nervt das. Man möchte keine Nachrichten mehr sehen. Das nimmt auch Einfluss auf dein Schaffen als Künstler. Hätte es einen Song wie „Nero“ ohne den Ukrainekrieg gegeben? Wahrscheinlich nicht.

SUBWAY TO SALLY 2024 (Pressefoto)

Wir leben in Zeiten großen Aufruhrs. Da kann man resilient sein, wie man möchte. Aktuell hat man den Eindruck, dass eine Hiobsbotschaft die nächste jagt. Deutschland rückt wutblind nach rechts, in den USA wurde ein Rassist und Sexualstraftäter (erneut) zum mächtigsten Mann der Welt gewählt. Wie passt da eine Nummer wie „Stahl auf Stahl“ ins Konzept? Stichwort „falsche Konnotation“…
Tja, endlich! Auf die Frage habe ich gewartet. Ich wollte eigentlich einen Song schreiben, der heißt „Wir ziehen in den Krieg“, das war noch vor der Ukraine-Invasion durch Russland, steht aber mit diesem Song nicht in Zusammenhang. Ich denke, dass es in einem fantasievollen Umfeld voll klargeht und habe überlegt, was die Warkings und uns verbindet. Ich meine, die stellen antike Kriegsgötter dar und wir sind eine, wenn man so will, Mittelalterrockband. Wo ist da die Verbindung? Die Verbindung liegt in der Freizeitgestaltung von uns. Wir hassen Krieg. Aber ich muss schon sagen, dass ich an meiner Playstation schon gerne Orks schlachten gehe. Oder dass unser Gitarrist als Sport Schwertkampf betreibt. „Im Spiel“ geht das klar und es scheint uns allen Freude zu machen. Somit ist der Song eher als verbindende Komponente zu sehen zwischen den beiden Bands, die nun auch zusammen auf Tour gehen und ein Soundtrack zum Rollenspielen oder Computerspielen ist. Eine kriegstreiberische Hymne ist es sicher nicht und auch nicht als solche gedacht. Klar, kannst du Kriegsbilder drunter legen und das dann ad absurdum führen. Das kannst du aber mit vielen anderen Songs dann auch machen. Und haben wir mit unserem Video ja auch nicht gemacht.

Ein Text, der mir besonders aufgefallen ist, war „Kummerkind“. Den finde ich persönlich ganz fantastisch, weil er nach meiner Auslegung sehr offen (und zum ersten Mal in der SUBWAY-TO-SALLY-Historie?) das weit unterschätze Thema der Depression behandelt. Wieso war es euch so wichtig, dazu so konkret einen Song zu schreiben?
Nein, das gab es in der Vergangenheit in SUBWAY-TO-SALLY-Songs auch schon öfter, wie im Song „Narben“ beispielsweise. De facto ist allerdings „Kummerkind“ wesentlich eindeutiger und offensiver, was dieses Thema angeht. Tja, es ist halt eine Volkskrankheit, immer noch oft totgeschwiegen und missverstanden. Ich finde, dass der Song gut beschreibt, wie sich sowas anfühlt. Und vielen Menschen aus der Seele sprechen wird.

Zurück zur Musik. „Post Mortem“ ist ein Album voller Reminiszenzen.„Nero“ beispielsweise enthält ein wunderbares Engelskrieger-Gedächtnis-Riff, während „Herz in der Rinde“ eine einwandfreie Mitgift-Nummer hätte sein können. Mit der Textzeile „Reif kriecht hoch an Fensterscheiben…“ zitiert ihr gar die „Schneekönigin“ und damit einen Song der 20 Jahre alt ist. „Post Mortem“ als Werksschau sozusagen?
Nein, das sind Stilmittel, mit denen die Band immer mal wieder arbeitet. Ingos Riffing ist einfach so eigenständig, dass man ihn erkennt. Das sticht halt raus und erinnert sicherlich dann auch, nach 32 Jahren und 15 Alben, an vergangene Songs. Der Song „Eisheilige Nacht“, den du textlich ansprichst, ist in der Tat eine Nummer, die bewusst so geschrieben wurde, als hätte sie sich auch auf „Nord Nord Ost“ finden können. Das ist ja das Schöne, wenn man schon so lange dabei ist, dass man auch selbstreferenziell arbeiten kann, ohne sich dabei blöd vorkommen zu müssen.

Wo wir gerade bei „Werksschau“ waren – die Eisheiligen Nächte stehen quasi vor der Tür. Wer ist bei euch für das Zusammenstellen der Setlist verantwortlich, beziehungsweise wonach entscheidet ihr, was gespielt wird? Ich stelle mir das bei einem derartigen Repertorium an Songs doch recht schwer vor…
Klar, das ist nach 15 Alben schwer, insbesondere wenn man es sich selbst ein bisschen spannend halten will. Dieses Jahr sind schon die ersten neuen Tracks mit dabei, das macht es dann ein bisschen einfacher.

SUBWAY TO SALLY (Pressefoto)

Apropos: Auch meine Wahlheimat ist wieder ein Tourstopp für euch. Der alte Schlachthof ist eine sehr regelmäßige Adresse auf euren Konzertreisen. Warum zieht es euch immer wieder in diese Stadt? Gibt es abseits des Konzertmitschnittes zur damaligen Bastard-Tour ein, zwei Anekdoten, die du beziehungsweise die ihr mit Dresden und eurer Tour-Geschichte verbindet?
Oh, da gibt es einige. Wir haben mal bis in die Morgenstunden gemeinsam mit Fiddler’s Green den Flur im Backstage in eine wilde Disco verwandelt! Ich befürchte sogar, dass es davon Videoaufnahmen gibt. Hoffentlich werden die nie veröffentlicht! Ansonsten sind wir wirklich seit zig Jahren immer im Dezember in Dresden. Das fühlt sich immer wie heimkommen an dort, das ist schon verrückt, insbesondere weil wir immer so um Weihnachten rum dort sind und es sich dann noch ein bisschen familiärer anfühlt.

Wie blickst du, 20 Jahre nach deinem Einstieg auf SUBWAY TO SALLY als Band? Wie würdest du eure Entwicklung in zwei Jahrzehnten beschreiben?
Ja, das ist schon krass, ich wurde dieses Jahr 40 und kann schon auf 20 Jahre bei Subway zurückblicken. Ich bin einfach unglaublich dankbar, dass ich diesen Weg mit dieser Band gehen durfte. Dass sie sich damals darauf eingelassen haben, sich so ein „Kind“ in die Band zu holen. Und dass ich mich in dieser Zeit auch durch das Vertrauen meiner Kollegen so als Produzent entwickeln durfte.

Für mich klingt „Post Mortem“ mehr denn je nach einem Abschied. Auch hinsichtlich der behandelten Themen auf dem neuen Album, kann man das durchaus vermuten. Sagen SUBWAY TO SALLY mit „Post Mortem“ Lebewohl, oder doch nur „bis bald“?
Nein, das haben wir so nie gesagt. Wir werden bleiben, ob euch das nun gefällt oder nicht. Aber. Es gibt im Leben eine Endlichkeit. Das muss allen klar sein, besonders wenn man von Bands spricht, die es seit 32 Jahren gibt.

Im Sinne eines würdigen (vorläufigen) Abschieds unsererseits noch das obligatorische Brainstorming:
„Bestes“ Album von SUBWAY TO SALLY („Post Mortem“ ausgenommen): Bannkreis
Raucherbus 2024: Oh Gott, den Raucherbus gibts schon seit Jahren nimmer, spielt für mich auch keine Rolle mehr, ich rauche seit 2018 nicht mehr
Deutschland in fünf Jahren: Nicht viel anders. Mehr Elektroautos als aktuell.
Dein Hass-Instrument: Der Bohrer von meinem Zahnarzt!
„Schlechtestes“ Album von SUBWAY TO SALLY: Kreuzfeuer

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Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
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