Review Saor – Amidst The Ruins

Der Name SAOR entstammt der schottisch-gälischen  Sprache und bedeutet „frei“. Zweifelsfrei ist jedenfalls, dass es über das Ein-Mann-Projekt aus Glasgow eigentlich keine weiteren Worte der Vorstellung braucht. In zehn Jahren Bandgeschichte wurden bereits fünf Alben veröffentlicht. „Amidst The Ruins“ folgt nun auf das 2022 erschienene „Origins“. Andy Marshall (ehemals Falloch) hat sich mit seinem Projekt über die letzten Jahre für den atmosphärisch-folkloristischen Black Metal quasi unvermeidbar gemacht. Umso größer sind also die Erwartungen an Album Nummer sechs.

SAOR verbindet vereinfacht zwei große musikalische Themen. Den atmosphärischen Black Metal und schottische Folklore. Rein lyrisch geht es da um Sagen, Mythen, die Erhabenheit schottischer Landschaften und all den Wust, den schon so viele Musiker vor Marshall in ähnlicher Weise behandelt haben. Allerdings – und das muss man Marshall lassen – wurde diese Agenda selten so zielgenau umgesetzt. Es ist nicht übertrieben, wenn man den Songs von SAOR einen hymnischen Charakter zuschreibt.

Die vielfältigen folkloristischen Elemente, besonders im Fokus auf „The Sylvan Embrace“, treffen auf akustische Arrangements und flächige Black Metal Kompositionen, die nicht weniger majestätisch wirken. Der Opener „Amidst The Ruins“ beispielsweise ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie gut beide Komponenten miteinander harmonieren können – und zwar ganz ohne Kitsch. Leichte Kost der Marke Eluveitie sind SAOR deswegen aber noch lange nicht. „Amidst The Ruins“ verlangt Auseinandersetzung und Lust am Genre. Die Tracks sind voller Bewegung. Es gibt diverse Spannungsauf- und Abbauten, Rasanz, Ruhe, Epik und Geradlinigkeit. „Echos Of The Ancient Land“ als Beispiel, bietet straffen wie melodiösen Black Metal, nur um nach einer Minute bereits in mehrstimmige Bläser- und Streicher-Arrangements zu führen, die schlussendlich in der Zusammenführung beider Komponenten zu kulminieren. Gut platzierte Wechselgesänge sind das letzte Puzzleteil eines durchweg funktionierenden Gesamtklangbildes.

Was darüber hinaus so wertig ist am Sound von SAOR, ist, dass das Projekt es mühelos schafft, Ethno-Schnörkel zu umschiffen. Leider passiert es zu häufig, dass alles, was sich irgendwie auf den Begriff „Folk“ versteht, irgendwann zu tanzbarer „Partymusik“ wird. Selbstredend – das ist in gewisser Art und Weise eine Überspitzung. Gegenüber dem würdevollen Charakter, den SAOR ihrer Musik bei gleicher Verwendung dieses Einflusses zukommen lassen aber durchaus eine Erwähnung wert.

Es wäre falsch, auf „Amidst The Ruins“ mit garstiger Wut zu rechnen. Genauso aber liegt man falsch, wenn man sich unter dem sechsten Outcome von SAOR etwas kommerziell gefälliges vorstellt. Das würde dem hohen Anspruch von Marshall nicht gerecht. Am besten belegbar ist dieser Umstand wohl mit dem Albumcloser „Rebirth“, dessen fast friedfertige Wildheit ganz klar nicht dem klassischen Klischee nihilistischer Weltvergessenheit entspricht. Will sagen: Auch „Amidst The Ruins“ ist ein erstklassiges Album epischen Folk-Black-Metals.

Im Vergleich zu „Origins“ ist das neue SAOR-Album noch einmal um Längen epischer, damit aber auch weniger kompakt geraten. Das führt auch dazu, dass es zumindest im konzeptionellen Sinne schwer ist, Highlights auszumachen. Gibt man „Amidst The Ruins“ aber Zeit, entfaltet es langsam all seine Kraft und entpuppt sich als wunderbar stimmig. Andy Marshall untermauert mit SAOR und seinem neuen Album dabei äußerst souverän, warum er den „Hype“ verdient. Ein Unterschied bei allem ist wohl, dass Marshall Epik und Authentizität gleichsetzt. Unangenehmen Kitsch findet man bei SAOR nicht – nur anspruchsvolle brachial-epische Musik.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Wertung: 9 / 10

Publiziert am von

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert