Review Nachtmystium – Blight Privilege

  • Label: Lupus Lounge
  • Veröffentlicht: 2024
  • Spielart: Black Metal

Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich’s gänzlich ungeniert. Ein Sprichwort, das in Bezug auf Blake Judd fast wie eine Agenda klingt. Mit seiner Drogensucht und den daraus resultierenden Problemen – inklusive Betrug an seinen Fans – hat sich der Kopf hinter NACHTMYSTIUM über die Jahre komplett ins Abseits manövriert – was ihn aber nicht von mehreren Comeback-Versuchen abgehalten hat. Nun ist er zum wiederholten Male „wie der Phönix aus der Asche“ gestiegen und startet mit „Blight Privilege“ einen weiteren Anlauf – diesmal sogar nüchtern, so heißt es. Wie also klingen NACHTMYSTIUM, nachdem sie alle Eskapaden der Vergangenheit hinter sich gelassen haben?

Es ist unstrittig – Blake Judd weiß (manchmal), was er tut. Zumindest musikalisch. Das ist auch auf „Blight Privilege“ der Fall. Selbst wenn die „Reue“ beim Opener „Survivor’s Remorse“ durch dessen plakatives Intro direkt wieder infrage gestellt werden kann, eröffnet der Song das Album mit genregetreuem Riffing und einer schmissigen Synthesizer-Melodielinie. Auch das anschließende „Predator Phoenix“ weiß mit seiner lockeren, gegenüber dem ersten Song fast positiven Stimmung noch mitzureißen. Zumindest wenn man dabei nicht an den Selbstoffenbarungsakt eines Videos denkt, der dazu veröffentlicht wurde.

Alles danach Folgende mag handwerklich nicht schlecht sein, kann aber beim besten Willen auch nicht als so bemerkenswert angesehen werden, wie es beworben wird. Selbst die beteiligten Gastmusiker können im Gesamtkonzept von „Blight Privilege“ keine Aufwertung herbeiführen. Das ist schade, denn gerade jene Personen sind gut gewählt. Da ist zum Beispiel Matt Thomas. Er ist ein renommierter Akustikgitarrist, der schon unzählige Awards in seinem Fach abstauben konnte. Für den Bass verpflichteten NACHTMYSTIUM sogar Ken Sorceron. Der Multiinstrumentalist und Sänger ist dem einen oder anderen vielleicht als Mastermind des Black-Metal-Projektes Abigail Williams bekannt. Leider, so scheint es, liegen die Schwächen von „Blight Privilege“ nicht bei den Beteiligten, sondern eher bei den Kompositionen selbst.

Manches Arrangement wirkt sogar recht lieblos und wie „zusammengebastelt“. Ein Paradebeispiel der Lustlosigkeit ist das unfertig wirkende „A Slow Decay“. Scheinbar war es Judd hier vollkommen egal, ob die einzelnen Komponenten des Songs wirklich zusammenpassen. Wenn die Strophe unbeholfen in den Refrain stolpert, rettet auch der Versuch einer Midwest-Melancholy den Spannungsbogen nicht mehr. Überhaupt scheint mit dem Erreichen der Albummitte jeder Anspruch an die eigenen Songs verloren. Was NACHTMYSTIUM mit ihrem Black Metal anbieten, bekommt man derweil auf ähnliche Weise mit jedem zweiten Debüt dieser Sparte zu hören. Spätestens aber beim vollkommen unmotivierten „The Ardurous March“ ist mit dem Mindestmaß an Eintönigkeit auch der Zenit der Langeweile überschritten. Die nervige Lead-Gitarre, die dann zum Abschluss der Song „Blight Privilege“ innehat, ist hingegen sehr gut zu verschmerzen, denn danach ist das Ganze dann auch vorbei.

„Blight Privilege“ ist kein ironischer Kommentar zu alten (nach wie vor bestehenden) Narrativen. Es ist nicht die große Wiederkehr. Auch nicht das Bekenntnis der Läuterung und Einsicht. Es ist Realitätsentfremdung und Selbstmitleid, eingebettet in mal mehr, mal weniger durchschnittlichen Black Metal. Auch ein Kultstatus hat sein Verfallsdatum. NACHTMYSTIUM belegen auf „Blight Privilege “, dass sie ihres erreicht haben. Letzten Endes ist es doch so: Jeder Mensch hat seine Vergangenheit. Im Guten wie im Schlechten. Blake Judd hat auf „Blight Privilege“ versucht, die Lehren seiner Geschichte musikalisch einzufangen. Gute Ansätze mag es bei dieser Idee durchaus gegeben haben. Allerdings vermochte die dünne Umsetzung bei Musik und Texten nicht den Funken zu entfachen; den es gebraucht hätte, um NACHTMYSTIUM wie den Phönix wieder auferstehen zu lassen.

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Wertung: 4 / 10

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