Interview mit Sebastian Ramstedt von In Aphelion & Necrophobic

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Mit Necrophobic hat Sebastian Ramstedt eine der führenden Bands aus dem schwedischen Blackend Death Metal. Trotzdem hat der Gitarrist 2020 mit IN APHELION ein neues Projekt gegründet. Nun erscheint das zweite Album des Projektes. Wir sprachen mit ihm über Konflikte zwischen seinen Bands, aber auch über den Zwang, Hits zu schreiben – und darüber, warum auf großen Festivals immer die gleichen Bands spielen.

Dein neues Album mit IN APHELION kommt bald heraus. Du bist ziemlich erfahren im Veröffentlichen von Alben, aber bist du trotzdem aufgeregt? Mit welchen Gefühlen gehst du an die Veröffentlichung eines neuen Albums heran?
Es ist ein bisschen seltsam, weil ich jetzt schon so viele Alben veröffentlicht habe und früher war ich doch ziemlich nervös wegen der Resonanz und so weiter. Aber heutzutage bringt man vor dem Album so viele Singles heraus, und alle diese Singles haben hervorragende Kritiken bekommen. Deshalb bin ich ziemlich zuversichtlich, dass die Leute das Album mögen werden. Eigentlich haben wir einen der schwächsten Songs zuerst veröffentlicht, wie ich finde. Nicht, dass es ein schlechter Song wäre, aber meine Lieblingssongs sind noch nicht veröffentlicht. Aber wie du schon sagtest, so viele Alben in kurzer Zeit zu veröffentlichen, bedeutet auch, dass man sehr hart arbeitet, deshalb ist es sehr schön, wenn man ein Album zu Ende bringt. Es ist wie der letzte harte Arbeitstag, und wenn es endlich veröffentlicht ist, kann ich weitermachen. Ich habe diese Songs bereits 2022 geschrieben, sie sind also schon ziemlich alt. Ich freue mich also wirklich darauf, es zu veröffentlichen und das nächste Projekt zu starten.

Ist es dir wichtig, was die Leute über die Singles sagen oder schreiben, oder auch über ein Album, wenn es veröffentlicht wird?
Normalerweise interessieren mich die ersten zehn Kommentare im Internet, und wenn sie schlecht sind, habe ich das Gefühl, dass ich stattdessen dieses oder jenes hätte machen sollen. Aber dann wird es so viel, dass man es nicht mehr richtig verarbeiten kann. Besonders wenn man Videos über die Kanäle von Black Metal Promotion oder Central Media veröffentlicht – da wird es immer Hater geben. Manche Leute kommentieren das nur, um zu provozieren. Ich weiß nicht, ob sie den Song überhaupt gehört haben. Also nehme ich das nicht mehr so ernst. Manchmal schreiben mir aber Leute oder man trifft Leute, die einem sagen, dass ihnen das Album wirklich etwas bedeutet. Das bedeutet mir sehr viel! Oder wenn sie meine Vision verstehen, das zählt für mich. Wenn jemand nur sagt: „Oh, brutal“, dann habe ich das Gefühl, dass er vielleicht etwas übersehen hat. Ich versuche, dir die Augen zu öffnen, wirklich!

Sebastian im Interview mit Metal1.info, 2024 (Screenshot)

Du hast bereits die vielen Singles erwähnt, die heutzutage vor der Veröffentlichung eines Albums erscheinen – und dann gibt es meist noch einen Full-Album-Stream.
Was hältst du als Fan davon? Magst du es, Ausschnitte eines Albums zu hören, oder zerstört das in gewisser Weise die Vorfreude und Spannung?
Ich habe in meiner Jugend gerne Singles gekauft, wenn auf der Rückseite ein zusätzlicher Song war. Und ein Song … ich meine, bevor Maiden ein Album herausgebracht haben, hatte man etwa „Aces High“ vor „Powerslave“. Das war natürlich aufregend! Du hast einen Song, und dann kommt ein ganzes Album mit weiteren 50 Minuten. Aber so wie es jetzt ist, dass die Hälfte des Albums vorher veröffentlicht wird, das ist nichts für mich. Aber ich denke, so sind die Zeiten, denn die Leute hören sich kaum noch Alben an. Natürlich verkaufen wir eine Menge Alben, aber nicht im Vergleich dazu, wie viel die Leute auf Spotify hören. Mit Necrophobic haben wir fast eine Million Hörer für „Tsar Bomba“. Ich weiß nicht, wie viele tausend LPs wir verkauft haben, aber so viel auf keinen Fall. Also denke ich, dass diese Single-Sache aus kommerzieller Sicht heutzutage wahrscheinlich klug ist. Aber für jemanden wie mich, der alt ist und es klassisch haben will, macht es die ganze Idee eines Albums zunichte.

IN APHELION auf dem DARK EASTER METAL MEETING 2023Denkst du, dass es auch die Art und Weise beeinflusst, wie Musik oder Alben geschrieben werden, auch im Metal? Konzentriert ihr euch vielleicht mehr darauf, gute Songs als Einzelsongs zu haben und weniger auf das Album als Ganzes?
Nicht bei IN APHELION. Ich habe hier nicht die Erwartung, eine Million Alben zu verkaufen. Bei IN APHELION geht es mehr um meine innere Reise und meine Kreativität. Aber bei Necrophobic habe ich beim Schreiben tatsächlich das Gefühl, dass ich unbedingt einen Hit schreiben muss. Das ist also anders, und das hängt mit dem Thema zusammen. Bei Necrophobic versuche ich tatsächlich, mindestens einen Song wirklich, wirklich „kommerziell“ zu machen, damit er sich als Single eignet. IN APHELION haben dieses Bestreben nicht. Und deshalb ist es auch so wichtig für mich, IN APHELION zu haben, dass ich diese kommerzielle Seite des Geschäfts hinter mir lassen kann.

Um ehrlich zu sein, ist es etwas erschreckend, dass eine Band wie Necrophobic, die immer noch extremen Black Metal spielt, sich auch diesem kommerziellen Druck oder den Erwartungen des Labels beugen muss, oder?
Nun ja, wir werden ja nicht dazu gezwungen. Wie viele Leute wissen, bin ich ein großer Fan von ’80er-Jahre-Metal, ich mag auch richtig kommerzielle Bands wie Scorpions, Def Leppard und so weiter. Insofern macht es mir nichts aus, zu versuchen, einen Hit zu schreiben. Ich sehe das eher als eine Herausforderung an. Wenn ich mir die großen Bands der 1980er Jahre anhöre, denke ich, es wäre cool, auch einen solchen Hit zu haben, einen echten Radiohit. Und dann nehme ich die Challenge an. Eine Band, die wachsen will, muss das einfach tun. Aber das gilt nur für Necrophobic, dass wir tatsächlich versuchen, zu wachsen. Mit IN APHELION habe ich dieses Bestreben nicht. Es wäre also überraschender, wenn ich mich mit IN APHELION hinsetzen und wirklich versuchen würde, ein paar Easy-Listening-Sachen zu machen. Und das merkt man auch am Album „Reaperdawn“ mit seinen sehr langen Songs – die sind nicht als Single-Hits konzipiert.

Du hast gerade das neue Album „Reaperdawn“ erwähnt. Wie würdest du das Album jemandem beschreiben, der eure Band IN APHELION noch gar nicht kennt?
Es ist melodisch, aggressiv und düster. Es hat nur noch sehr wenige Death-Metal-Elemente. Die meisten davon sind nach „Moribund“ verschwunden. Es hat immer noch die Heavy-Metal-Elemente, die mir sehr wichtig sind, aber auch mehr Black-Metal-Elemente und ein bisschen Thrash.

Wenn es um die Dreifaltigkeit von Artwork, Text und Titel geht – ist es eine Art Konzeptalbum? Oder ist es eher eine Sammlung all der verschiedenen Themen, die ihr im Kopf hattet?
Es ist irgendwie albumübergreifend ein Konzept von Lichtanbetung und Kulten geworden. Da ich alles selbst mache, das Layout, das Albumcover und alles, habe ich versucht, auch hier diese Art von Kultgefühl zu erzeugen. Das ist eine Anspielung auf den Namen IN APHELION, der einen Planeten am Punkt seiner Umlaufbahn bezeichnet, der so weit wie möglich von der Sonne entfernt ist. Die meisten Menschen suchen das Licht: All diese Kulte, die danach streben, mit Gott an einen helleren Ort zu gehen. Aber es endet immer mit dem Tod. Und das finde ich interessant, wie diejenigen, die sagen, sie wollen das Gute verbreiten, in Wirklichkeit den Tod verbreiten. Während wir, die wir mehr nach etwas anderem in der Dunkelheit streben, anderweitig Erleuchtung finden. Das ist das Konzept. Das Wort „Reaperdawn“ kam mir in den Sinn, als ich über den Heaven’s-Gate-Kult nachdachte, bei dem die Menschen am nächsten Morgen alle tot waren. Als die ersten Lichtstrahlen hereinkamen, lagen sie alle da und waren tot. Es ist der Sensenmann, der in der Morgendämmerung kommt. Außerdem ist es eine Anspielung auf das Fields-Of-The-Nephilim-Album „Dawnracor“. Ich mochte diesen Titel schon immer, also habe ich ihn ein wenig umgebaut. Es ist kein Konzeptalbum, aber es hat eine rote Linie, sozusagen.

Der Name Necrophobic wurde ja schon mehrfach erwähnt, mit denen ihr dieses Jahr auch ein Album veröffentlicht habt. Wie hast du es geschafft, direkt danach ein weiteres Album für IN APHELION zu schreiben?
Eigentlich war es genau andersherum.„Reaperdawn“ war fertig, lange bevor ich anfing, „In The Twilight Grey“ zu schreiben. Ich habe den Großteil von „Reaperdawn“ direkt nach der Veröffentlichung von „Moribund“ geschrieben. Danach wussten wir nicht, welches Label es veröffentlichen würde. Wir wollten es am liebsten bei Century Media herausbringen, aber die wollten erst einmal darüber nachdenken. Während wir also darauf warteten, „Reaperdawn“ zu veröffentlichen, habe ich „In The Twilight Grey“ geschrieben.

Das heißt, du schreibst nur Material für IN APHELION, oder davor ausschließlich für Necrophobic – und du weißt immer, wo ein Riff hingehört?
Für mich ist es sehr klar, welche Riffs und welche Musik und welcher textliche Inhalt in die jeweilige Band passt, denn ich habe nicht das Gefühl, dass ich mich wiederhole. Der Hörer erkennt meinen typischen Stil bei den Harmonien wieder. Aber das ist bei mir anders. Wenn du mir Essen servierst, werde ich vielleicht denken, dass dein Essen so schmeckt, wie du es zubereitest. Du wirst denken: Das ist wirklich mal was anderes! Aber ich würde sagen: Ah, das war ja fast wie gestern. So ist es auch. Aber das ist für mich nicht wichtig. Was für mich entscheidend ist, ist, dass es eine andere Art von Kreativität ist. Mein Ziel ist es, etwas zu lernen, im Leben zu wachsen, heute jemand zu sein, der ich gestern noch nicht war. Mein Ziel ist es nicht, eine Million Platten zu verkaufen. Mein Ziel ist es nicht, von den Massen verehrt zu werden. Ich schreibe keine IN-APHELION-Songs, damit jemand in die Hände klatscht. Das Einzige, was für mich wichtig ist, ist, dass ich verschiedene Zutaten ausprobiere.

Du hast aber auch gesagt, dass das neue Album viel weniger Death Metal enthält und mehr in Richtung Black Metal geht. Wo siehst du dann die großen Unterschiede zu Necrophobic?
Ich spiele meine Gitarre anders. Ich habe einen anderen Schlagzeuger, mit dem ich die Ideen umsetze. Und was vielleicht am wichtigsten ist, ich singe meine eigenen Texte. Denn wenn ich Texte für Anders schreibe, macht er das perfekt … aber dann macht er die Texte zu seinen. Er singt die Worte und Sätze nicht so, wie ich sie meine. So bekommen sie durch seine Stimme eine andere Bedeutung. Wenn ich meine Texte selbst singe, kann ich mein Blut, meine Tränen und meine Seele in jedes Wort legen, so wie ich denke, dass es am besten zu der Musik passt. Ich würde also sagen, dass der Gesang der größte Unterschied zu Necrophobic ist. Und auch, wie Marco trommelt, denn er und Joakim sind völlig unterschiedliche Schlagzeuger. Beide sind gut, aber sie befinden sich auf gegenüberliegenden Seiten des Universums, wirklich. Und ich denke, dass meine Riffs, die man bei beiden Bands wiedererkennen kann, mit meiner Stimme und Marcos Schlagzeug etwas völlig anderes sind als mit Anders‘ Stimme und Joakims Drumming. Ich denke, das macht den Unterschied aus. Und jetzt auch mit einem anderen Produzenten … „Moribund“ war ein bisschen wie „Dawn Of The Damned“. Aber ich denke, „In The Twilight Grey“ und „Reaperdawn“ sind meilenweit voneinander entfernt.

IN APHELION auf dem DARK EASTER METAL MEETING 2023
Tobias mit IN APHELION auf dem DARK EASTER METAL MEETING 2023; © Afra Gethöffer-Grütz/Metal1.info

Letztlich ist das aber die einzige Position, in der sich die beiden Bands personell noch unterscheiden, seit Tobias Christiansen auch in beiden Bands Bass spielt. Wie kam es dazu, dass Dennis Holm IN APHELION verlassen hat?
Dennis war ein fantastischer Bassist und ein wirklich netter Mensch, aber er hatte große Probleme, sich zu fokussieren. Was in seinem Leben vor sich ging, führte dazu, dass er Deadlines verpasste, nicht rechtzeitig auftauchte und so weiter. Es war zu viel für ihn, sich um die Familie, seine Band Avslut und IN APHELION zu kümmern. Ich möchte an meinen Projekten immer sehr intensiv arbeiten. Wenn ich einen Song schreibe, ist ein Zeitfenster von ein oder zwei Wochen offen, in dem ich ihn fertigstellen muss. Und diese Zeitrahmen haben für ihn nicht gereicht. Wenn ich Tobias einen Songausschnitt schicke, habe ich am nächsten Tag die Basslinien. Allerdings spielt Tobias auf „Reaperdawn“ nicht, er kam erst später dazu. Den Bass bei „Reaperdawn“ habe ich selbst gespielt. Aber Tobias hat uns schon ausgeholfen, weil Dennis ein paar Gigs verpasst hat, und dann waren wir mit Necrophobic unterwegs. Und weil Tobias ein Profi ist, konnte er einfach einspringen. Als Dennis dann ausgestiegen ist, fand ich, ich sollte ihn fragen, denn Tobias ist der beste Bassist, den ich kenne. Er passt perfekt. Das Seltsame ist, dass es die Leute auch nicht zu stören scheint.
Denn wenn drei Leute von Iron Maiden ein anderes Projekt machen würden, würde ich denken, dass es da einen Konflikt gibt, dass da etwas vor sich geht. Aber wir sind wohl einfach nicht berühmt genug … es ist nicht interessant, wenn Tobias in zwei, drei oder vier Bands mitspielt. Es ist nicht interessant, wenn Sebastian dabei ist. Es ist interessant, wenn Bruce Dickinson auch bei Saxon mitmachen würde. Das wäre doch mal was, oder? (lacht) Aber niemand interessiert sich wirklich für uns. Für sie ist es ein anderes Logo, eine andere Band, eine andere Musik, und sie haben kein Problem damit. Ich hatte schon Bedenken, dass das vielleicht keine gute Lösung ist. Aber niemand hat etwas gesagt.

Ich halte es in keiner Weise für eine schlechte Sache, außer vielleicht, dass eine zweite Band immer auch eine Chance ist, mit anderen Leuten zu arbeiten, als man es gewohnt ist. Wie du es ja über den Schlagzeuger selbst gesagt hast. Wäre es in dieser Hinsicht nicht auch für die anderen Positionen interessant gewesen? Ist das nicht in gewisser Weise eine verpasste Chance?
Das könnte man so sehen, aber Tobias hat musikalisch so viel mehr drauf als das, was er in Necrophobic zeigt. Tatsächlich sind wir bei Necrophobic musikalisch gesehen alle auf sehr engem Raum zusammengepfercht und versuchen, das Vermächtnis aufrechtzuerhalten. Es gibt so wenig, was wir machen können, ohne … weißt du, wir sagen immer, wir sind die AC/DC des Death Metal. Es wird keine Überraschungen geben. Aber das bedeutet auch, dass ich nicht alles, was ich über das Gitarrenspiel weiß, in Necrophobic einsetzen kann Tobias ist ein fantastischer Bassist, und er ist stark von der schwedischen Szene der 1980er Jahre inspiriert, von Bands wie Talisman, Europe und all diesen wirklich großartigen Musikern. Bei IN APHELION kann ich das aus ihm herausholen – aber bei Necrophobic gibt es keinen Platz für ihn, so etwas zu spielen. Ich habe daher das Gefühl, dass ich eine andere Seite von Tobias zeigen kann, indem ich ihn in der Band habe. Ich kenne ihn jetzt besser, weil wir anders spielen. Dasselbe gilt für Johan [Bergebäck]: Er spielt bei IN APHELION anders. Also ja, es wäre interessant gewesen, mit anderen Leuten zu arbeiten, aber bei diesen hier weiß ich wenigstens, dass ich sie leiden kann. Ich weiß, dass sie professionell sind. Ich weiß, dass sie nicht zu spät kommen und sich auf die Musik konzentrieren werden. Und sie zeigen mir, dass sie andere Seiten haben, die ich bei Necrophobic nie gesehen hätte. Letztendlich finde ich es also gut. Außerdem ist das Leben kurz. Wenn ich jünger wäre, hätte ich vielleicht die Zeit gehabt, aber ich brauche jetzt jemanden, mit dem ich daran arbeiten kann, verstehst du?

Sebastian im Interview mit Metal1.info, 2024 (Screenshot)

Wenn man es von der anderen Seite betrachtet: Wenn es jetzt diese „IN APHELION-Crew“ bei Necrophobic gibt … führt das nicht zu Problemen zwischenmenschlicher Art, wenn einige der Necrophobic-Jungs eine coole neue Band gründen und einige nicht mitspielen dürfen?
Ja, absolut. IN APHELION ist das Side-Chick und niemand mag das Side-Chick. (lacht) Selbstverständlich ist das so. Und es gab auch schon Spannungen deswegen. Aber als klargestellt war, dass IN APHELION nicht an erste Stelle stehen wird – IN APHELION kann als eigene Einheit neben Necrophobic existieren. Wir werden auch weiterhin Necrophobic-Alben schreiben! Ich habe den Drang, viele Alben zu schreiben, und es gibt niemanden, der versucht, diesen Anders [Strokirk] und Joakim zu verdrängen. Wir können gleichberechtigt nebeneinander existieren! – Also, als diese Sorgen besprochen und ausgeräumt waren, da war alles in Ordnung. Aber am Anfang hatten wir fast einen Streit deswegen, wie damals bei Metallica und Jason Newsted. Ich brauche mehr Ventile für meine Kreativität, sonst gehe ich ein.

Du bist mit IN APHELION jetzt auch Teil des Century-Media-Rosters, aber du hast auch gesagt, dass sie sich etwas Zeit gelassen haben, bevor sie euch einen Vertrag gegeben haben. Weißt du, woran das lag?
Ich kann nur raten. Aber als sie merkten, dass ich mit „In The Twilight Grey“ ein neues Necrophobic-Album in der Pipeline habe, wollten sie auf einmal auch IN APHELION unbedingt haben. Vielleicht hatten sie Bedenken, dass ich mich nicht auf das konzentrieren würde, was sie für richtig halten, nämlich Necrophobic, weil sich damit mehr Alben verkaufen lassen. Aber als sie die Songs für „In The Twilight Grey“ gehört haben, hatten sie daran wohl keine Zweifel mehr. Ich werde nie ein Album veröffentlichen, das ich für schlecht halte. Ich werde nie einen schlechten Necrophobic-Song schreiben, um mich auf IN APHELION konzentrieren zu können. Für mich ist das mein Erbe. Ich werde nur Musik machen, auf die ich stolz sein kann, egal, um welche Band es sich handelt. Ich sitze gerade genau da, wo ich sitze, wenn ich Musik schreibe. Und wenn ich Musik schreibe, bin ich in keiner Band. Ich bin allein. Da bin ich allein und schreibe Songs. Die Band kommt erst später dazu. Für mich gibt es also absolut keinen Konflikt. Es gibt also absolut keine Konflikte für mich. Aber ich glaube, Century Media wollte sehen, dass ich den Fokus beibehalten kann.

IN APHELION 2024; © Leo Bergebäck

Und war es für dich selbstverständlich, bei IN APHELION bei Century Media zu unterschreiben? Glaubst du, dass es perfekt passt, oder ist es einfach der einfachste Weg, da du die Leute dort kennst und so weiter?
Wir sind unser ganzes Leben lang von Plattenfirmen verarscht worden. Man hat uns so viel versprochen. Aber Century Media hat uns nie im Stich gelassen. Sie sind gut. Man verlangt ja nicht viel. Ein Label soll professionell sein, aber du willst mit ihnen auf einer freundschaftlichen Ebene kommunizieren. Sie sollen sich für die Musik interessieren, nicht nur für den Verkauf. Und für mich ist ein schneller Austausch wichtig: Wenn ich eine Frage habe, möchte ich sofort eine Antwort haben. Century Media bietet mir das alles. Deshalb weiß ich, was ich an ihnen habe. Ich fand es cool, das erste Album „Moribund“ bei Edged Circle zu veröffentlichen – das ist ein Underground-Label, ich habe eine wirklich freundschaftliche Verbindung zum Labelgründer Stian. Er ist ein Plattensammler, ein wirklich netter Kerl … er macht das aus den richtigen Gründen: Weil er Metal liebt. Aber es war extrem schwer für uns, bei einem kleinen Label Reichweite aufzubauen. Man druckt ein paar tausend Exemplare eines Albums und das war’s. Es ist unglaublich schwer, voranzukommen. Wir wollen die besten Möglichkeiten für IN APHELION haben, wir wollen Gigs und Presse. Wir wollen Interviews geben können. Deshalb war es notwendig, ein Label mit größerer Reichweite zu haben.

Aus dieser Perspektive ist es ein völlig logischer nächster Schritt. Ich möchte auch kein schlechtes Wort über Century Media verlieren, sie machen wirklich einen großartigen Job für ihre Bands. Aber aus der Perspektive des Außenstehenden sieht es manchmal so aus, als ob Nebenprojekte automatisch Deals mit großen Labels bekommen, ohne vorher etwas beweisen zu müssen. Wird die Metalszene vielleicht ein bisschen zu sehr durch „Vitamin B“ zusammengehalten – mit der alten Garde als Gatekeepern, die neuen Bands die Plätze bei großen Labels wegschnappen, überspitzt ausgedrückt? Kannst du diese Sichtweise nachvollziehen, und was ist deine Meinung dazu?
Ja, kann ich. Meine Meinung dazu ist, dass es kein Problem ist, wenn die Musik qualitativ gut ist. Wenn die Leute „Reaperdawn“ wirklich mögen, wenn sie IN APHELION für eine gute Band halten und Necrophobic auch, dann haben beide Bands es verdient, dabei zu sein. Aber wenn ich ein anderes Projekt starte, das nicht gut ist, aber mein Name verkauft sich gut, dann ist das total beschissen. Und natürlich wollen wir neues Blut in der Szene … ich meine, darum geht es ja auch. Bei den Festivals ist es heutzutage ja dasselbe: Man sieht immer wieder das gleiche Billing. Und ich weiß, wir sind auch mit beiden Bands bei District 19, was das Booking angeht, und die pushen natürlich die Bands, die am meisten verkaufen. Ich würde nicht von Gatekeeping sprechen … aber am Ende des Tages müssen die Leute bei den Plattenfirmen und so weiter essen, die Miete bezahlen und so weiter. Also stecken die großen Labels das Geld natürlich dorthin, wo es zurückkommt. Wenn du wie Stian von Edge Circle bist, kannst du etwas unter Vertrag nehmen, weil du es magst oder weil du einen Gegenentwurf zu dem leben willst – denn es ist sowieso nur ein Hobby. Damit kann man seinen Lebensunterhalt nicht verdienen. Aber bei den großen Unternehmen müssen sie natürlich Geld verdienen, sie müssen ihre Gehälter zahlen. Insofern ist es nur logisch … aber es ist nicht unbedingt gut. Aber es kann gut sein: Ich hoffe schon, dass meine Bands beide so gut sind, dass sie es verdient haben, bei Century Media unter Vertrag zu stehen.

Sebastian im Interview mit Metal1.info, 2024 (Screenshot)

Ich will mich da auch gar nicht auf deine Bands fokussieren, es ist eher ein kritischer Gedanke über die Entwicklungen in der Metalszene insgesamt. Wie du sagst, ist es mit den Festivals und den Booking-Agenturen ja sehr ähnlich. Es gibt nur ein paar große Agenturen, die den Bookern Kombi-Deals mit mehreren Künstlern aus ihrem Roster anbieten. Aber dann gehen, überspitzt gesagt, zehn Slots an diese Booking-Agentur, zehn an jene Agentur … und so ist ein ganzes Billing am Ende mit drei Verträgen aufgefüllt. Was verloren geht, ist die ursprüngliche Idee, warum man ein Festival macht oder ein Label gründet – dass du derjenige bist, der die Bands auswählt, und vielleicht auch groß macht. Ich bin mir nicht sicher, wie lange dieser kommerzielle Ansatz Bestand haben wird, denn, wie du schon gesagt hast, wir brauchen auch neue Namen. Und ich bin mir nicht sicher, ob wir es auf diese Weise bekommen. Was meinst du?
Ich kann dir genau sagen, wie lange das gutgehen wird. Fünf Jahre. Nichts währt länger als fünf Jahre. Wenn etwas einen kommerziellen Erfolg hat, dann ist es vier oder fünf Jahre lang erfolgreich. Dann wird es schlechter. Dann werden Leute, wie du es gerade tust, sagen: Das ist falsch. Dann werden kleine Festivals mit handverlesenen Bands die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Darum wird dieser Trend – es gibt drei Verträge für ein großes Festival – nicht ewig so weitergehen. Die Geschichte zeigt, dass es nicht so ist. Das ist nichts, was sich von jetzt auf gleich ändert. Die Klugen aber realisieren es jetzt schon: Diese Ära geht zu Ende. Wir haben vielleicht noch ein Jahr oder zwei. Wir haben die Veränderung beim Booking miterlebt: Das ging vor drei oder vier Jahren los, und jetzt ist es wirklich extrem. Aber glaub mir, das wird schon bald in sich zusammenbrechen.

Das ist eine sehr interessante Theorie. Ich kann mir vorstellen, dass es so kommen wird. Aber ich könnte mir genauso vorstellen, dass das alles noch schlimmer wird: Wacken wurde gerade erst wieder von einem Investor gekauft. Also steckt da jetzt noch mehr Geld drin, mehr kommerzielles Interesse. Und wahrscheinlich auch ein noch größeres Interesse daran, Kosten zu sparen. Große Deals dürften weit billiger als lauter Einzelverträge – und einfacher zu handhaben. Ich bin mir also nicht sicher, ob dieser Mechanismus, den du beschrieben hast, auch hier greifen wird, oder zumindest schon so bald …
Was beim Wacken passiert, und generell, wenn man mit möglichst wenig Geld möglichst viel Geld verdienen muss, ist, dass man vielleicht die Aufmerksamkeit der großen Masse auf sich zieht, denen sowas egal ist. Die wollen da hin, brutale Musik hören, ein paar Bier trinken, aber alles andere interessiert sie nicht wirklich. Leute wie du und ich, die sich wirklich für Musik interessieren, werden immer die Minderheit bleiben. Die meisten Leute gehen dahin, wo andere Leute hingehen. Und sie werden wahrscheinlich auch weiterhin dort hingehen. Aber du und ich, wir werden uns auf den kleineren Events treffen, weil wir nicht mehr zu den großen gehen, und dann bleiben dort nur noch die Touristen übrig.

IN APHELION auf dem DARK EASTER METAL MEETING 2023
IN APHELION auf dem DARK EASTER METAL MEETING 2023; © Afra Gethöffer-Grütz/Metal1.info

Das passiert ohne Frage schon jetzt – und ich denke, kleine Veranstaltungen zu unterstützen ist der absolut richtige Weg, um die Vielfalt der Szene zu erhalten. Zum Schluss habe ich nur noch ein kurzes Brainstorming:
Das letzte Album, in das du gehört hast: das erste Iron Maiden-Album, vor einer Stunde.
Slayer-Reunion: Ich kann es verstehen. Die können ja auch machen, was sie wollen, aber es interessiert mich nicht.
Kerry Kings Soloprojekt: Ich habe einen Song gehört, den ich tatsächlich gut fand, aber auch das interessiert mich nicht wirklich.
Künstliche Intelligenz: Das ist interessant. Es ist ein bisschen beängstigend, aber ich bin wirklich froh, dass ich in einer Zeit lebe, in der ich diese Entwicklung sehe, die vielleicht nicht notwendigerweise gut, aber zumindest wirklich interessant ist.
Joe Biden: Ich möchte mich eigentlich nicht zu Politik äußern. Er scheint ein netter Kerl zu sein, aber ein bisschen alt.
IN APHELION in zehn Jahren: Hoffentlich traue ich mich, etwas zu tun, was die Zuhörer schockieren wird.

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Dieses Interview wurde per Telefon/Videocall geführt.

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