Review Within Temptation – Worlds Collide Tour – Live In Amsterdam

Im Genre des symphonischen Metal mit starker Frauenstimme standen WITHIN TEMPTATION immer hinter Bands wie Nightwish oder Evanescence an – zumindest, wenn es um die nackten Verkaufszahlen geht. Doch während die anderen beiden nach ihren größten Erfolgen („Fallen“, 2003, bzw. „Once“, 2004) entweder durch musikalische Belanglosigkeit (Evanescence) oder aber musikalischen Größenwahn (Nightwish) selbst schrumpften, sind WITHIN TEMPTATION 2024 so groß wie nie zuvor. Das liegt nicht einmal in erster Linie an der Musik, die nach einigen etwas arg gewollt klingenden Ausreißern in den Modern Metal nun auf einem stabilen Mittelweg zwischen ebendiesem und klassischem Symphonic Metal Tritt gefunden hat. Vielmehr ist es der politische Aspekt, der WITHIN TEMPTATION heute relevanter macht denn je.

Deutlich wurde das bereits auf dem 2023 veröffentlichten Album „Bleed Out“, auf dem Sharon den Adel und ihre Mitstreiter wichtigen Themen wie Klimaschutz, Frauenrechte oder Krieg ansprechen. Noch deutlicher aber wird es live, wenn sich den Adel zu „Stand Your Ground“ strahlend eine aus dem Publikum zugeworfene Pride-Flagge umhängt oder in „Raise Your Banner“ energisch die Ukraine-Flagge schwenkt. So liegt auch die Stärke des neuesten Live-Dokuments, „Worlds Collide Tour – Live In Amsterdam“ längst nicht nur in der musikalischen Darbietung.

Neben den – natürlich in bester Sound- und Bildqualität festgehaltenen – Songs ist es die intime Atmosphäre, die den Reiz dieses Releases ausmacht. Und das, obwohl der Ziggo Dome mit einer Kapazität von rund 17.000 Plätzen alles andere ist als eine „intime“ Location. Doch der fulminanten Produktion zum Trotz gelingt es Sharon den Adel, echte Emotionen zu transportieren: Selbst in der Retrospektive und am heimischen Fernseher ist spürbar, wie wichtig ihr die Ansagen sind – obschon sie einige davon auf Niederländisch macht. Sympathisch ist aber auch, wie viel persönliche Nähe sie zulässt: In der Ankündigung zu „Supernova“ erzählt den Adel, dass der Text entstand, als ihr Vater im Sterben lag. Kurz ringt sie mit den Tränen – um anschließend aber dennoch souverän zu performen. In diesem kurzen Moment steckt alles, was es über den Adel zu sagen gibt: Ihre herzliche Art, ihre Offenheit den Fans gegenüber, aber eben auch ihre beeindruckende Professionalität wie auch ihre Stärke als Sängerin.

Musikalisch war die „Worlds Collide Tour“ sowieso – nach mehreren pandemiebedingten Verschiebungen – eine Art Best-of-Tour: Immerhin sieben Alben aus der Diskografie von WITHIN TEMPTATION finden mit je einem bis drei Songs im Set Erwähnung. Spannend ist aber doch, dass die Niederländer ihr Set während der Tour umgebaut haben: Waren zunächst (so auch in München) „See Who I Am“ und „In The Middle Of The Night“ als Einstieg gesetzt, sind beide Songs in Amsterdam (und damit auf der vorliegenden Veröffentlichung) nicht mehr im Set. An den Anfang sind dafür „Our Solemn Hour“ und „Faster“ gerückt, neu dabei sind „Iron“ („The Unforgiving“) und „Ice Queen“ vom Durchbruchsalbum „Mother Earth“. Über zu wenig Hits kann sich also niemand beschweren – weder Fans der neuen, noch Fans der alten Alben. Ein weiteres Highlight: Für „The Rackoning“ bekommt den Adel für ein stimmgewaltiges Duett Unterstützung von Amy Lee (Evanescence).

Absolut gelungen ist „Worlds Collide Tour – Live In Amsterdam“ auch unter technischen Gesichtspunkten: Ein mit viel Gefühl und in angenehmer Frequenz geschnittener Mix aus weiten Kamerafahrten, Closeup-Szenen und Stimmungsbildern aus dem Publikum sorgt dafür, dass auch die Film-Version ihre Berechtigung in jeder WITHIN-TEMPTATION-Sammlung hat. Schade ist allerdings, dass die Kombination aus CD und DVD/Blu-ray nur in der 64-seitigen Hardcover-Artbook-Edition (für rund 60 €) angeboten wird – ansonsten bleibt nur die Wahl zwischen Audio (verschiedene Vinyl-Versionen oder CD im Digipak) und einer etwas sinnlos anmutenden Kombination aus DVD und Blu-ray.

In Anbetracht der eingangs erwähnten politischen Ebene der Band wäre eine kleine Dokumentation mit Videointerviews oder dergleichen noch ein nettes Feature gewesen – und ein erschwingliches Bundle aus Audio- und Videoversion abseits der Fan-Edition wäre auch schön gewesen. Ansonsten bietet „Worlds Collide Tour – Live In Amsterdam“ alles, was man sich von einem Live-Mitschnitt erwarten kann: Eine rundum perfekte Performance, die durch eine beeindruckende Produktion perfekt in Szene gesetzt und (für die Video-Fassung) bildgewaltig festgehalten wurde. Dieser Release ist somit nicht nur für eingefleischte Fans ein Must-have: Auch für Gelegenheitshörer:innen lohnt es sich, diesen Release zumindest gehört, aber besser noch gesehen zu haben.

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Wertung: 9.5 / 10

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