„Animal-friendly, anti-fascist, gay-positive, pro-feminist“ – so positionieren NO SUN RISES sich im auf eine gefaltete Seite gedruckten Quasi-Booklet ihres dritten Albums, „Harmisod“. Der Hinweis ist eine überaus willkommene Klarstellung, merkt man der Post-Black-Metal-Band aus Deutschland ihre politische Einstellung (zumindest ohne einen Blick auf das veröffentlichende Label) doch allenfalls über den einen oder anderen Subtext an. Den von Politikverdrossenen allzu oft erhobenen Vorwurf der Verwendung von Musik als bloßes Propagandawerkzeug müssen NO SUN RISES sich also schon mal nicht gefallen lassen. Tatsächlich weiß das Quintett nicht nur weltanschaulich, sondern auch künstlerisch von sich zu überzeugen.
Auf den vier zwischen acht und 14 Minuten langen Tracks der dreiviertelstündigen Platte zeigen NO SUN RISES sich nicht nur versiert im Umgang mit den Stilmitteln ihres Genres, sondern durchaus auch gewillt, Andersartiges auszuprobieren. So beginnt der Opener „NebellebeN“, dessen Titel an die Wortspiele von Nebelkrähe denken lässt, mit gespenstischen, nach und nach anschwellenden Chören, die bald von verhängnisvollen Tremolo-Gitarrenriffs, Blast-Beats und gekrächzten Screams abgelöst werden.
Später wird der bedeutungsschwere, mitunter an Der Weg einer Freiheit erinnernde Post-Black-Metal der Band etwas zu abrupt von einer schwermütigen Clean-Passage unterbrochen, in der Hermann Hesses Gedicht „Im Nebel“ in entsprechend trübsinnigem Tonfall rezitiert wird. Wie es das schauderhafte Artwork bereits vermuten lässt, haben NO SUN RISES aber auch einen Hang zum Folk, der konkret in „Unter Tage (Regress)“ und „In trockener Erde (Bury Me)“ zum Vorschein kommt. Hier wartet die Band, teilweise unterstützt von Gastmusizierenden, mit melancholischen Arrangements auf der Akustikgitarre, getragenen Streichern und einem urigen Banjo sowie nachdenklichen Gesängen auf.
Obgleich diese gefühlvollen Passagen als Auflockerung durchaus zu begrüßen sind, haftet ihnen doch eine gewisse Unausgegorenheit an. So erscheint der Gesang ein wenig leblos, im Abschlussstück ist er zudem etwas undeutlich und die Schwermut der Folk-Einschübe hebt sich allzu scharf von der Bedrohlichkeit der Black-Metal-Kompositionen ab. Ohne derlei stilistische Ausschweifungen fehlt es NO SUN RISES hingegen noch an einem klaren künstlerischen Profil, wie sich im eher unspektakulären „Tanz im fahlen Lichte“ zeigt.
Alles in allem ist „Harmisod“ ein grundsolides, stellenweise sogar wirklich interessantes Black-Metal-Album mit gelegentlichen Post-Rock- und Folk-Anlehnungen. In Bezug auf ihre stilistische Stringenz und kreative Eigenständigkeit haben NO SUN RISES gewiss noch Luft nach oben. Nicht nur aufgrund ihres Beitrags gegen die Vereinnahmung ihrer Stilrichtung durch Rechtsaußen haben NO SUN RISES mit ihrem Drittwerk jedoch etwas Gutes geschaffen. Wer den inzwischen aufgelösten und ebenfalls nicht immer konsistenten Dawn Ray‘d noch nachtrauert und auch Panopticon die gelegentlichen musikalischen Ausrutscher verziehen hat, sollte ihren deutschen Brüdern im Geiste also Gehör schenken.
Wertung: 7 / 10