Interview mit Tommy Victor von Prong

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Mit „State Of Emergency“ melden sich Tommy Victor und PRONG nach einer ungewöhnlich langen Pause von sechs Jahren zurück. Im Interview berichtet Victor, wie sein Umzug nach New York das Album beeinflusst hat, wo er das entscheidende Problem in der US-Politik sieht – und warum er das Album trotzdem nicht negativ verstanden wissen will.

In unserem letzten Interview hast du berichtet, dass du zurück nach New York gezogen bist – ich nehme an, „Back (NYC)“ handelt davon. Stimmt das, und inwieweit hat dieser Umzug das neue PRONG-Album noch beeinflusst?
Ich dachte, es wäre eine gute Idee, alles zu schreiben, nachdem ich wieder nach New York gezogen war, und ich hatte Recht. Die Nähe zu dem Ort, an dem alles begann, hatte einen Einfluss auf mich. Es hat mir gut getan, in einer Wohnung bei grauem, beschissenem Wetter zu sitzen und an Riffs zu arbeiten. Der Song handelt davon, vom jahreszeitlich bedingten Wetter und von der Arbeitsmoral der New Yorker.

Wir mussten sechs Jahre auf dieses Album warten – sehr ungewöhnlich, nachdem du zwischen 2012 und 2017 unglaubliche fünf Alben veröffentlicht hast. Selbst wenn man die Pandemie herausrechnet – du hast in unserem letzten Gespräch erwähnt, dass du in dieser Zeit keine Musik gemacht hast – ist das immer noch deutlich länger als üblich. Was war der Grund dafür? Fiel es dir schwer, wieder in den Rhythmus zu kommen, ein Album zu machen?
Meine Frau und ich erwarteten ein Kind, also haben wir uns intensiv darauf vorbereitet. Nach der Geburt unseres Sohnes blieb ich dann zu Hause, während meine Frau wieder arbeiten ging. Die Pandemie hatte Auswirkungen auf meine Bereitschaft, zu PRONG zurückzukehren. Erst als wir das Angebot bekamen, mit Black Label Society auf Tour zu gehen, hatte ich das Gefühl, dass meine Karriere noch nicht vorbei war. Es lief wirklich gut. Ich hatte aber immer noch keinen Plattenvertrag, und ich hatte keine Lust, mich auf die Suche nach einem zu machen. SPV rief an, um den Vertrag zu verlängern, also arbeiteten wir einen Deal aus. Dann haben wir abgewartet, bis ich zurückgezogen bin, ehe wir angefangen haben. Es hat eine Weile gedauert, bis ich mich nach einem Umzug quer durchs Land eingelebt hatte (was auch ein Projekt für sich war).

„Da ich alles selbst geschrieben habe,
ging es leichter und schneller“

Wann hast du dann wieder angefangen, Musik zu schreiben, und wie verlief der Entstehungsprozess des Albums?
Ich habe im Juni 2022 damit begonnen und das Songwriting Ende Juli abgeschlossen. Es ging sehr schnell. Ich habe ein Demo gemacht und dann haben wir im September mit der Vorproduktion begonnen. Es lief alles sehr glatt. Es war eine Menge Arbeit, aber da ich alles selbst geschrieben habe, ging es leichter und schneller.

Laut Booklet wurde der Bass von Steve Evetts gespielt. Ist Jason Christopher raus?
Nein, Jason ist mit einer Menge anderer Sachen beschäftigt. Er hat seit „No Absolutes“ nicht mehr auf einer PRONG-Platte gespielt.

Das hat also nichts mit der Tatsache zu tun, dass er von Corey Taylor/CMFT gefeuert wurde, beziehungsweise mit der Social-Media-Debatte danach?
Wie gesagt, es ist in erster Linie eine Frage des Zeitplans.

„Die gesamte Rockmusik schreit
gegen eine Art ’sie‘ an“

Bei dem Song „The Descent“ spielt Marc Rizzo die Leadgitarre – wie kam es dazu? Kennt ihr euch schon lange und wann/wie ist die Idee zu dieser konkreten Zusammenarbeit entstanden?
PRONG war vor langer Zeit mit Soulfly auf Tour, und ich war von seinem Talent völlig überwältigt. Er ist definitiv einer der besten Musiker da draußen. Also habe ich ihn gebeten, ein Solo zu spielen, und er hat es in zwei Takes eingespielt und hat sich wieder vom Acker gemacht.

 Die Texte wirken sehr düster bis dystopisch. Es schimmert immer wieder durch, dass „sie“ uns alles verbieten wollen. Wer sind diese „sie“? Geht es um Politiker, andere Menschen aus der Gesellschaft oder wer sonst?
Nicht alle Texte sind düster und dystopisch. Einige Stücke wie „Obeisance“ sind eher spiritueller Natur. Es geht irgendwie darum, Gott zu folgen. Aber manche Leute werden das nicht so auffassen. In „Light Turns Black“ geht es um Selbstzerstörung und Sucht. „Back (NYC)“ habe ich quasi schon erörtert. „Non-Existence“ ist sehr positiv: Der Text feiert das Leben und die Kämpfe und Errungenschaften. Ich denke also, dass du den Texten deine eigene Note aufdrückst – was ja auch in Ordnung ist. Die gesamte Rockmusik schreit gegen eine Art „sie“ an.

„Oft dreht es sich einfach um ein
allgemeines ‚angepisst sein'“

Prong - Cleansing Album ArtworkWie bist du zu dieser Weltanschauung gekommen, was hat dich bei diesen Texten beeinflusst oder geprägt?
Wie ich schon sagte, gibt es eine Vielzahl von Ansichten auf der Platte. Die Hauptaussage von „State Of Emergency“ ist eine Infragestellung von sozialen Medien, Big Tech und der Propagandamaschine der alten Medien. Einige der Texte auf dieser Platte ähneln denen von „Beg To Differ“ und „Cleansing“. Oft dreht es sich einfach um ein allgemeines „angepisst sein“.

Für mich klingt das vage „sie nehmen uns die Freiheit weg“ auch gefährlich, weil es Erzählungen untermauert, die oft von Rechten benutzt werden, die jeden diskreditieren und sagen, „sie“ (die Presse) erzählen nur Fake News, „sie“ (die Politiker) wollen alle nur das Schlimmste, „sie“ (die Linken) wollen uns durch „Cancel Culture“ unseren Lebensstil wegnehmen. Siehst du nicht die Gefahr, hier missverstanden zu werden?
Ich sehe keine Gefahr, außer dass mein Bankkonto und die Sicherheit meiner Familie bedroht sind. Viele Komödianten und viele liberale Kommentatoren wie Bill Maher sind über vieles verärgert, was hier vor sich geht. Ich glaube nicht, dass das polarisiert. Ich persönlich war noch nie ein Pro-Regierungs-Typ, das ist nichts Neues. Vielleicht ist das in Deutschland anders, aber hier gibt es eine Menge Korruption. Viele dieser Leute leben wie Könige, sie bekommen ihr Geld irgendwoher. Außerdem zahlen wir pro Kind mehr für Bildung als in jedem anderen Land, aber das Schulsystem ist ein Reinfall. In Deutschland bekommt man mehr für das, wofür man bezahlt.

„Idiokratie trifft George Orwell“

Ich finde auch das Cover-Artwork sehr düster und wenig ermutigend – wenn auch sehr cool. Was ist deine Interpretation des blinden Mannes, der sich von der offensichtlich hypnotischen dystopischen Fernsehübertragung abwendet?
Er ist nicht blind, er hat nur eine Augenbinde. Es ist ein „Idiokratie trifft George Orwell“-Gefühl. Ich weiß nicht, ob du mit dem Autor und „1984“ vertraut bist. Das alles kommt jetzt zum Tragen.

Ja, in der Welt kommt gerade viel zusammen, hier in Europa haben wir den Krieg in der Ukraine nebenan, bei euch kandidiert ein sehr alter Mann gegen einen sehr dummen Mann für das mächtigste Amt der Welt – und dann kommen noch Themen wie die Klimakrise dazu. Wie siehst du die Zukunft?
Ich habe keinen blassen Schimmer. Ich wünschte, ich hätte einen!

Aber du bist, wie du vorher erzählt hast, gerade Vater geworden – wie kann man ein Kind in dieser Welt ermutigen?
Nun, wenn ihr euch den Text zu „Obeisance“ anschaut, werdet ihr meine Antwort bekommen. Es ist nicht anders als „Age Of Defiance“. Es ist eine Zeit, um spirituell zu werden. Hört auf, ständig nach Vergnügen zu suchen und kommt der Realität näher!

Vielen Dank für deine Zeit und deine Antworten – zum Abschluss unser traditionelles Brainstorming:
Der nächste U.S.-Präsident:
Ich weiß es nicht
Das Beste an New York:
Die Einigkeit in der Vielfalt
Krieg in der Ukraine:
Schrecklich und unfassbar
Das Schlimmste an New York: –
Dein Tipp für den Superbowl 2024:
Zu früh, um das mit Sicherheit zu sagen. Wenn ich müsste, würde ich auf die 49ers tippen.
PRONG in 10 Jahren: –

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Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
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