Konzertbericht: Megaherz w/ Combichrist, Janosch Moldau

14.10.2023 München, Tonhalle

MEGAHERZ und COMBICHRIST – man hat schon passendere Co-Headliner-Touren erlebt. Während erstere ihre Fans längst im Mainstream akquirieren und allenfalls noch über die NDH-Szene mit härterer Musik in Verbindung stehen, haben sich zweitere über die Jahre immer weiter vom EBM hin zu einer ziemlich extremen Metal-Band gemausert. Dass den Abend mit dem Solo-Musiker JANOSCH MOLDAU klassicher Gothik-Disco-Sound eröffnet, ist so unpassend, dass es schon wieder konsequent ist.

Mit Gitarre und Synthie/Sampler beschallt der Neu-Ulmer die nur spärlich besetzte Tonhalle 30 Minuten lang mit düsterem Synth-Pop, den man eher im Vorprogramm von Bands wie De/Vision oder Solar Fake erwarten würde – oder vor den Combichrist der frühen 2000er-Jahren. Vor einem Publikum, das entweder den mittlerweile sehr rohen Gitarren-Beat-Mix von Combichrist oder den NDH von Megaherz abfeiert, kämpft JANOSCH MOLDAU hingegen auf ziemlich verlorenem Posten: Sowohl in der Gothic-Disko als auch in einem kleinen Club vor entsprechendem Publikum würde dieser Sound – zumal mit viel Herzblut dargeboten – sicher gut funktionieren. Auf der riesigen Bühne der Tonhalle hingegen wirkt der Mann ziemlich verloren.

COMBICHRIST im Oktober 2023 in MünchenNach fünf Minuten Hip-Hop als Intro (!?) entern COMBICHRIST mit „Blut Royale“ die Bühne. Dass das Publikum heute vornehmlich aus Megaherz-Fans besteht, ist schnell klar – dennoch haben auch Andy LaPlegua und seine Mitstreiter einige treue Fans dabei, die schnell für gute Stimmung sorgen. COMBICHRIST geben dazu aber auch jeden Anlass. In perfektem Sound liefert die Truppe einen energiegeladenen Auftritt: Alte Hits wie „Maggots At The Party“ oder „Get Your Body Beat“ treffen auf die neuesten Single-Releases wie „Heads Off“ oder „Compliance“ – das neue Album lässt ja nach wie vor auf sich warten. Dass die Band heute den letzten von 22 Auftritten dieser Tour spielt, merkt man der Show nicht an – zumindest nicht negativ: COMBICHRIST werfen sich voll rein, auch ganz unmetaphorisch. Mitten im Set springt Bassist Elliot von der Bühne und entert den Mosphit, zum Ende der Show geht er nochmal Crowdsurfen. Das Zugabe-Spielchen zum Ende hätten sich COMBICHRIST vielleicht sparen und dafür einfach noch einen Song mehr ins Set packen können – zumal die Zugaberufe aus dem vornehmlich mit Megaherz-Fans besetzten Auditorium nur langsam in Schwung kommen. Nach dem finalen „My Life My Rules“ herrscht vor wie auf der Bühne dennoch eine Stimmung, als wäre eben die Headliner-Show zu Ende gegangen.

COMBICHRIST im Oktober 2023 in München

 

  1. Blut Royale
  2. Maggots At The Party
  3. Modern Demon
  4. Scarred
  5. Get Your Body Beat
  6. Can’t Control
  7. Denial
  8. Compliance
  9. Heads Off
  10. Fuck That Shit
  11. Hate Like Me
  12. Not My Enemy
  13. Never Surrender
  14. My Life My Rules

MEGAHERZ im Oktober 2023 in MünchenUm 21:20 Uhr fällt der Vorhang für das Heimspiel von MEGAHERZ. Die Münchner beginnen mit dem Titeltrack ihres aktuellen Albums „In Teufels Namen“. Mit „Roter Mond“ und „Horrorclown“ geht es anschließend etwas weiter zurück in der Diskografie, ehe „Alles Arschlöcher“ zurück zum neuen Werk führt – und irgendwie auch gleich das Problem der Band aufzeigt: MEGAHERZ machen NDH für alle, denen NDH im eigentlichen Sinne viel zu hart ist. Das Schimpfwort im Songtitel oder der Baseballschläger, den Alexander „Lex“ Wohnhaas zu „Vorhang auf“ schwingt, sind für das mittelalte und optisch keiner Musikszene zuzuordnende Publikum wohl schon aufregende Provokation. Auch sonst wird man das Gefühl nicht los, dass MEGAHERZ längst den Mainstream rocken – beziehungsweise langjährige Fans, die in ihrer Jugend mal etwas härtere Musik mochten und nur der musikalischen Jugendliebe MEGAHERZ treu geblieben sind. Die meisten wirklich jungen Fans sind klar als COMBICHRIST-Fans identifizierbar, und selbst die Altersklasse 30 bis 40 ist eher unterrepräsentiert. Entsprechend tendiert die Stimmung auch eher in Richtung Hoteldisko denn Rockkonzert: Zwar klatschen und singen die MEGAHERZ-Hörerinnen und -Hörer brav mit – echte Konzerteuphorie sieht aber irgendwie anders aus. Die Performance selbst steht dem allerdings in nichts nach: Ein paar nichtssagende Ansagen zwischen den Songs, ansonsten ziehen MEGAHERZ souverän, aber alles andere als mitreißend ihre Performance durch. Typisch deutsch mögen MEGAHERZ noch sein, neu oder hart aber ist hier wirklich nichts. Dass das einzige Stück, das es in 30 Jahren Bandgeschichte ins Kollektivgedächtnis geschafft hat, misogyner Mist ist, rundet das Gesamtbild ab: „Die beste Zeit verschwendet – An eine Schlampe wie dich – Du bist ein Miststück – Du bist ein Stück Mist“. OK, Boomer!

MEGAHERZ im Oktober 2023 in München

 

  1. In Teufels Namen
  2. Roter Mond
  3. Horrorclown
  4. Alles Arschlöcher
  5. Vorhang auf
  6. Amnesie
  7. 5. März
  8. Nicht in meinem Namen
  9. Glas und Tränen
  10. Rabenherz
  11. Engelsgesicht
  12. Freigeist
  13. Für immer (Piano)
  14. Der König der Dummen
  15. Miststück
  16. Jagdzeit
  17. Himmelsstürmer

Düster ist nicht gleich düster – das müssen die Veranstalter der Co-Headliner-Tour von COMBICHRIST und MEGAHERZ spätestens nach dem Tourabschluss in München eingesehen haben: Stilistisch passt in diesem Billing nichts zusammen und 50 € Eintrittsgeld sind kein Pappenstiel. So mancher COMBICHRIST-Fan dürfte sich die Show darum gespart haben – und dass MEGAHERZ ihren Zenit überschritten haben, ist auch kein Geheimnis. Dass COMBICHRIST vor einem Publikum aus treuen MEGAHERZ-Fans trotzdem einen packenden Auftritt hinlegen und Bewegung ins Publikum bringen, ist eine Leistung. Dagegen wirken MEGAHERZ in jeder Hinsicht von der Zeit überholt: Eine dröge Show trifft hier auf schlecht gealterte Texte und Stimmung wie im Schlagergarten. Für drei Dekaden Bandgeschichte, Tourabschluss und Heimspiel ist diese Performance inklusive der Publikumsresonanz ein ziemliches Armutszeugnis.

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Ein Kommentar zu “Megaherz w/ Combichrist, Janosch Moldau

  1. Vielen Dank für den Beitrag :) ich war ganz klar wegen Combichrist da und wurde nicht enttäuscht. Super Stimmung und tolle Performance. Da ich Megaherz nicht kannte, wollte ich ihnen eine Chance geben. Nach 1 1/2 Liedern bin ich aber gegangen, weil ich das positive Feeling von Combichrist nicht einbüßen wollte und sicherlich nichts verpasst habe. Freue mich schon auf die nächste Combichrist Tour :)

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