Review Within Temptation – Bleed Out

Seit dem letzten WITHIN-TEMPTATION-Album „Resist“ von 2019 ist viel passiert – die Corona-Pandemie und der russische Angriffskrieg auf die Ukraine weltpolitisch zuvorderst. Nicht zuletzt der nach wie vor anhaltende Krieg hat dazu geführt, dass sich die Band um Sharon den Adel auf ihrem achten Album „Bleed Out“ vermehrt politischer Themen annimmt.

So passt es gleich wie die Faust aufs Auge, dass der Opener „We Go To War“ hart und druckvoll daherkommt. Sanfte Synthklänge und leise Glockenschläge leiten ein Album ein, das WITHIN TEMPTATION von ihrer wohl bisher härtesten Seite zeigt: Djent-Elemente und tief gespielte Riffs dominieren neben zarten Keyboardklängen das moderne Alternative-Metal-Soundbild. Der epische Refrain mit breitem Chorgesang verbindet beide Elemente und ist, der Thematik entsprechend, melancholisch. Ein fröhliches Album ist „Bleed Out“ nicht, die ernsthafte, traurige Atmosphäre zieht sich über die gesamte Spielzeit – eine Frau, die im Iran wegen eines nicht getragenen Hijabs ermordet wurde, die instrumentalisierte Manipulation junger Menschen für einen Krieg oder Frauenrechte in aller Welt sind schließlich auch keine witzigen Themen. Sharon Den Adel brilliert dabei mit schmerzerfüllten, leidenden, zerbrechlichen und gleichermaßen kraftvollen und durchweg überwältigend guten Gesängen mit ihrer großen stimmlichen Bandbreite.

Im Vergleich zum nicht durchgehend wohlwollend aufgenommenen Vorgänger „Resist“ wurde die Härteschraube durch die djentigen Riffs und die kraftvollen Bässe deutlich angezogen, das teils poppige Flair des siebten Albums ist bedeutend weniger spürbar. WITHIN TEMPTATION wurden über die letzten Platten eh zunehmend moderner, das setzt sich auf „Bleed Out“ konsequent fort. Wunderbar dazu passen die im Hintergrund wabernden Synthteppiche wie beim Titeltrack oder verzerrte Gesänge wie beim lässigen „Ritual“, die zusammen mit Synthie-Keyboards eine mystische Atmosphäre erzeugen und mitunter an wildere Lady-Gaga-Songs erinnern. Ein weiteres Statement für die moderne Ausrichtung ist, dass es der bereits 2020 veröffentlichte Track „Entertain You“ aufs Album geschafft hat. Die Single wurde aufgrund ihrer modernen Alternative-Ausrichtung und elektronischen Spielereien kontrovers aufgenommen, WITHIN TEMPTATION haben damit aber bereits die zukünftige Marschrichtung aufgezeigt.

„Worth Dying For“ ist als klassische Symphonic-Metal-Nummer ein kleines Trostpflaster für alle Old-School-Fans, die den Wandel nicht mitgehen konnten oder wollten – Symphonic Metal gibt es ansonsten auf „Bleed Out“ aber nur als vereinzelte Elemente. Wer bei WITHIN TEMPTATION noch den alten Zeiten nachtrauert, gehört inzwischen vielleicht schon selbst zum alten Eisen. Genau so wie In Flames schon lange nicht mehr nach „Whoracle“ oder Blind Guardian nach „Somewhere Far Beyond“ klingen, klingen WITHIN TEMPTATION eben schon lange nicht mehr nach „Mother Earth“. Ohne das dringende Bedürfnis, über zwanzig Jahre alte Musik immer wieder neu aufgelegt haben zu wollen, entpuppt sich „Bleed Out“ als modernes, vielseitiges Alternative-Metal-Album einer großen Band, die sich weiterentwickelt und nicht stehen bleiben will. Die Songs sind nicht immer beim ersten Hören eingängig, die hohe Qualität zeigt sich aber von Anfang an. Ein starkes, mutiges Album einer erwachsenen Band, die immer mehr ihre eigene Identität formt.

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Wertung: 8 / 10

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