KANONENFIEBER sind die Senkrechtstarter der deutschen Metal-Szene. Da die Band auch sonst schon alles selbst macht, war es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis die Bamberger ein eigenes Festival aufziehen. Mit dem NOISEBRINGER FEST ist dies nun geschehen – im Zentrum ihrer Heimatstadt: Für ein Wochenende sind die gediegenen Haas Säle, sonst eher Schauplatz von Hochzeiten oder Firmenfeiern – fest in der Hand der lokalen Black-Metal-Szene.
Am Freitag, dem ersten Veranstaltungstag, fallen im Rahmen des NOISEBRINGER FEST der Abschluss der KANONENFIEBER/GRIMA-Tour und die einzige Bayern-Show des „The Devils European Aufmarsch 2023“ von BELPHEGOR in Bayern zusammen. Dass das Gespann aus HIDEOUS DIVINITY, KAMPFAR und BELPHEGOR den ersten Teil des Abends bestreitet, überrascht zunächst, ergibt im Kontext aber durchaus Sinn – doch dazu später mehr.
Pünktlich um 18:45 Uhr eröffnen HIDEOUS DIVINITY das Noisebringer Fest mit technischem Death Metal. Zu Kampfar und Belphegor, mit denen die Italiener derzeit unterwegs sind, will das nicht so recht passen – und auch das Publikum des Noisebringer Fest fremdelt mit den Italienern zunächst. Dabei machen HIDEOUS DIVINITY eigentlich nichts falsch, im Gegenteil: Dass sie als Quartett nur einen Gitarristen haben, kompensieren sie mit einem 6-Saiter-Bass, den Live-Bassist Zach Jeter nicht minder kompentent bedient als ihr eigentlicher Bassist Stefano Franceschini, den sich die Italiener mit Aborted teilen. Auch ganz allgemein kann die Band mit technischer Versiertheit glänzen. Stimmung kommt trotzdem erst auf, als Sänger Enrico „H.“ Di Lorenzo zum letzten Song ins Publikum kommt.
Ganz anders ist die Stimmung, als KAMPFAR um 19:40 Uhr loslegen. Die Norweger spielen heute zum ersten Mal überhaupt in Bamberg – entsprechend bejubelt werden sie schon zu früher Stunde. Zugleich ist die Show, wie sich tags darauf herausstellt, die letzte mit Tomas Myklebust (Mistur) am Schlagzeug, der selbst nur als Ersatzmann für Drummer Ask dabei ist. Und auch am Bass müssen KAMPFAR für diese Tour auf eine Vertretung setzen: Statt Jon Bakker ist Stig Ese Eliassen (Slegest, ehem. Vreid) dabei.
Dass somit eigentlich nur zwei „echte“ Bandmitglieder auf der Bühne stehen, ist der Performance nicht im Geringsten anzumerken. Was langjährigen Fans hingegen nicht entgehen kann, ist das „moderne“ Set: Alle acht Songs entstammen den letzten vier Alben – „Mare“ und seine Vorgänger bleiben hingegen außen vor. Dass Hits wie „Ravenheart“ in dem 60-Minuten-Set somit keinen Platz finden, ist schade – andererseits muss man es KAMPFAR hoch anrechnen, dass sie sich nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen. Auch mit ihrem neueren Material und zwei Aushilfsmusikern gelingt ihnen atmosphärisch packender Auftritt – dem Charisma von Fronter Dolk wie auch dem perfekten Sound sei Dank.
- Our Hounds, Our Legion
- Ophidian
- Swarm Norvegicus
- Urkraft
- Mylder
- Dødens Aperitiff
- Tornekratt
- Det Sorte
Was bei den anderen Tour-Stops das Grande Finale ist, ist auf dem NOISEBRINGER FEST erst der dritte von insgesamt fünf Auftritten. Das hindert BELPHEGOR freilich nicht daran, sich ein Headliner-würdiges Bühnenbild zu bauen. Als Helmuth und seine Mitstreiter um 21:15 Uhr ist auf die kleine Bühne kommen, erinnert diese an ein Mittelding aus Fleischerei und Eisenwarenhandlung: Schweinerippchen baumeln neben Ketten und Kreuzen, Schädel hängen an Feuerschalen.
Das könnte völlig übertrieben wirken. Im Kontext der in jeder Hinsicht extremen Shows von BELPHEGOR fügt sich aber alles zu einem stimmigen Bild – und das nicht nur, wenn Helmuth pathetisch einen brennenden Ziegenschädel in die Höhe streckt oder alle drei Saiteninstrumentalisten in Formation niederknien. Das weiß auch das Publikum zu würdigen – zumindest jener Teil, der eher für dieses Tourpackage als für den zweiten Teil des Abends gekommen ist. Und doch ist spürbar, dass BELPHEGOR heute nicht die Band sind, für die der Großteil der Fans gekommen ist.
- The Procession
- Baphomet
- The Devil’s Son
- Sanctus Diaboli Confidimus
- Belphegor – Hell’s Ambassador
- Conjuring The Dead / Pactum In Aeternum
- Lucifer Incestus
- Virtus Asinaria – Prayer
- The Devils
- Totentanz – Dance Macabre
Als die Österreicher nach dem 60-Minuten-Set, das sie auf dieser Tour jeden Abend spielen (nicht den auf der Running-Order ausgewiesenen 80 Minuten), um 22:15 Uhr die Bühne verlassen, ist der Jubel laut, aber nicht euphorisch. Wenig später füllt ein gänzlich anderes Publikum die ersten Reihen. An die Stelle der vom Look her klar als Black Metaller erkennbaren BELPHEGOR-Fans tritt ein vornehmlich junges, eher unscheinbares Publikum: Bamberger Metalheads, die ihren Lokalmatadoren huldigen wollen.
Davon, dass sich der Auftritt von KANONENFIEBER trotz der 20 Minuten länger ausgefallenen Umbaupause aufgrund technischer Probleme noch um zehn Minuten nach hinten verschiebt, lässt sich hier niemand die Stimmung verderben – im Gegenteil: Die Fans kanalisieren ihre Vorfreude lautstark in „Kanonenfieber“-Sprechchören, bis die Band um 23:00 Uhr endlich zum Dienst antritt. Geht es mit dem Into zu „Die Feuertaufe“ noch vergleichsweise ruhig los, bricht in den etwas bieder anmutenden Haas Sälen alsbald die Hölle los: Während KANONENFIEBER auf der Bühne in Uniform und Masken Song für Song ihr Debüt „Menschenmühle“ zum Besten geben, eskaliert das Publikum bis an die Grenzen des Gefährlichen: Das windige Absperrgitter, das bisher zwischen Fans und Bühne einen Fotograben gebildet hatte, kann der Belastung kaum standhalten und wird mal mal weit ins Publikum gezogen, dann wieder fast an die Bühne gedrückt.
Auf dieser bieten KANONENFIEBER derweil jenes Spektakel, das man von den Shows der anonymen Formation erwartet: Mal krümmt sich Sänger Noise wimmernd am Boden, mal wird er, vor Angst zitternd, von einem Kameraden zusammengestaucht, mal inspiziert er in Offiziersmanier die Ausrüstung seines Gitarristen oder sucht mittels Feldstecher den Feind am Himmel. Die Musik wird bei dieser Inszenierung bisweilen fast zur Nebensache. Dabei bringen die wuchtigen Riffs, denen Drummer Hans mit energischem Drumming zusätzliche Energie einprügelt, den Saal regelrecht zum Beben. In diesem Kontext ist es fast schade, dass die Show statt mit einem Kracher mit dem ruhigen „Verscharrt und Ungerühmt“ ausklingt, bei dem Noise nur von einem Gitarristen auf der Akustikgitarre begleitet wird. Zugleich sorgt das Publikum für einen Gänsehautmoment, indem es den Text lauthals mitsingt. Spätestens jetzt ist jeder Zweifel ausgeräumt: KANONENFIEBER haben hier und heute völlig zu Recht den Headliner-Slot.
- Die Feuertaufe
- Dicke Bertha
- Die Schlacht bei Tannenberg
- Der letzte Flug
- Grabenlieder
- Grabenkampf
- Ins Niemandsland
- Unterstandsangst
- Verscharrt und Ungerühmt
Dass der Abend jetzt noch nicht zu Ende ist, ist fast ein wenig unfair – denn GRIMA, die den Abend als letzte Band beschließen, haben nach diesem Abriss wahrlich keinen leichten Stand. Dass sich der Auftritt noch verzögert bis 0:30 Uhr verzögert, ist ebenfalls unglücklich: Ein Großteil der Kanonenfieber-Fans ist da schon beim Absacker-Bier an der Bar oder gar auf dem Heimweg. So muss das aus Sibirien angereiste Quarttet mit einem deutlich ausgedünnten Publikum vorlieb nehmen – und auch sonst haben es die Black Metaller nicht ganz einfach: Mit drei Gitarren, aber ohne Bass will sich kein vernünftiger Sound einpegeln, sodass die Songs von GRIMA bloß undefiniert durch den Raum wabern. Die sehr statische, sehr düster gehaltene Show der in schwarzen Umhängen und Wurzelmasken verborgenen Musiker wäre nach fast sechs Stunden Programm in jedem Fall anstrengend – unter diesen Bedingungen können GRIMA aber selbst von den dageblibenen Fans augenscheinlich nur wenige wirklich begeistern.
- Gloomy Heart Of The Coldest Land
- Giant’s Eternal Sleep
- Moonspell And Grief
- Hunger God
- Winter Morning Tower
- Cedar And Owls
- Enisey
- Leshiy
- The Shrouded In Darkness
- Siberian Sorrow
Mit der Kombination aus zwei stark besetzten Touren haben die Veranstalter für den ersten Tag des NOISEBRINGER FEST ein mehr als sehenswertes Programm zusammengestellt: Nachdem die Tech-Deather HIDEOUS DIVINITY die Ohren der Fans vorgewärmt haben, stehen mit KAMPFAR und BELPHEGOR zwei feste Größen des Extreme-Metal auf dem Programm. Obwohl sich beide mit absolut sehenswerten Shows bei besten Rahenbedingungen keine Blöße geben, sind die Gewinner des Abends ohne jeden Zweifel KANONENFIEBER: Mit Hype und Heimvorteil im Rücken stielt die Band heute allen die Show. Als Verlierer stehen damit GRIMA fest, die im Anschluss nicht viel gegenzuhalten haben. Für die Band aus dem fernen Sibirien ist das schade, allen anderen aber wohl ziemlich egal: Nach immerhin fünf guten bis sehr guten Shows ist ein etwas langweiliger Gig zum Schluss wahrlich kein Grund zur Klage.
Jeder der sich mit dem Konzept der Band Kanonenfieber ehrlich beschäftigt und auseinandergesetzt hat, weiß, dass Rechtsextremisten und rechtes Gedankengut keinen Platz in der Welt von Kanonenfieber haben.
Dass eine Band- welche sich ehrlich und authentisch gegen den Krieg und seine Folgen ausspricht – von rechten Idioten besucht wird, zeigt erneut deutlich auf, in welchem Geisteszustand sich diese Personen befinden.
Ich find das ultra seltsam, denn die ganzen Black Metal Nazis können Kanonenfieber doch auch alle nicht leiden (ich auch nicht, auch ohne Nazi zu sein, das tut aber hier nix zur Sache).
Am End irgend so eine Trollaktion oder sowas? Oder einfach wirklich ernsthaft verwirrte Menschen.
Ich war am zweiten Tag dort (nur am zweiten).
Auch am zweiten Tag hat man gemerkt, dass ein Großteil des Publikums wegen Kanonenfieber da war. Leider waren auch sehr viele offensichtliche Nazis vor Ort. Neben streitbaren Shirts (wie etwa Burzum) gab es auch Leute mit Patches von Hakenkreuzen auf schwarz-weiß-rotem Grund und ähnlich derben Sachen. Und das war kein Einzelfall. Schade.
Nach Kanonenfieber war Grima nochmal als Secret Special Guest dran. Und ich kann Moritz‘ Kritik nicht nachfühlen, am zweiten Tag war der Sound sehr gut (sogar der beste des Abends) und der Auftritt war unfassbar stark und hat alle anderen Bands des Abends in den Schatten gestellt. Für mich ein riesiges Highlight und vllt jetzt schon die Neuentdeckung des Jahres.
Der Rest des Abends war durchwachsen. Die Opener haben mir nicht zugesagt, was aber am Genre lag. Technisch haben die Jungs gut gespielt, ich kann mit Death Metal einfach nur wenig anfangen.
Munarheim waren durch und durch furchtbar. Was für ein kitschiger Kindergarten.
Waldgeflüster hatten enorme Soundprobleme und haben so keinen Spaß gemacht (für mich der Grund dort hinzugehen).
Karg hatten anfangs auch starke Soundprobleme, da hat es sich aber relativ schnell eingepegelt. Trotzdem ist der Funke bei mir nicht übergesprungen, obwohl ich Karg sehr gerne mag.
Kanonenfieber waren sehr stark, da kann man nichts sagen. Trotzdem haben Grima ihnen den Rang abgelaufen.
Hallo! Da wir leider nur am ersten Abend vor Ort waren, können wir deine Eindrücke nur unkommentiert hier so stehen lassen. Danke aber für deine Impressionen!