In Flames Foregone Coverartwork
Februar 2023

Review In Flames – Foregone

Es sollen ja schon Beziehungen an musikalischen Differenzen zerbrochen sein – meine zu IN FLAMES etwa, als diese 2019 mit „I, The Mask“ um die Ecke kamen. Aber weil man sich im Leben auch vergeben muss, höre ich mir natürlich trotzdem an, was die Schweden zu ihrer Entschuldigung vorzutragen haben. Mit einigen (wirklich starken!) Shows und einigen (vielversprechenden!) Singles haben IN FLAMES schließlich schon gut vorgearbeitet, um den Fehltritt vergessen zu machen.

Ist das Intro „The Beginning Of All Times“ noch völlig verzichtbar, bringt das nicht zufällig zur ersten Single auserkorene „State Of Slow Decay“ mit einem Schlag all das zurück, was IN FLAMES ihren Fans so lange vorenthalten haben: Mit fetzigem Göteborg-Metal-Riffing, wie man es längst eher mit At The Gates als mit IN FLAMES verbindet, aber auch IN-FLAMES-typischen Breaks, Leadgitarren und einem kitschigen, aber auch griffigen Refrain bringt der Song in nicht einmal ganz vier Minuten den Glauben an diese Band zurück.

Tatsächlich ist die damit aufkeimende Hoffnung, IN FLAMES könnten nach der über sechs Alben hinweg zu beobachtenden kontinuierlichen „Verweichlichung“ ihres Sounds ihre Liebe zum (modernen) schwedischen Melodic Death Metal wiedergefunden haben, kein Luftschloss: Mit „Meet Your Maker“ schiebt die Band einen weiteren Kracher nach, der stilistisch recht deutlich an die „Come Clarity“-Ära (2006) anknüpft. Auch dass in „Bleeding Out“ (sowie später in „Cynosure“) der Alternative Metal von „Siren Charms“ durchschlägt, tut nicht weiter weh: Die Refrains sind etwas schnulzig, keine Frage – aber eben auch schön.

Darin liegt, neben der wiedergewonnen Härte, definitiv die größte Stärke von „Foregone“ gegenüber seinen beiden Vorgängern: Vor Zuckerguss-Refrains ist man zwar auch auf „Foregone“ nicht gefeit und das Album ist stilistisch weit davon entfernt, die Rückkehr zum Sound der Band um die Jahrtausendwende zu markieren. Doch was als „gefühlvoller Part“ konzipiert ist, funktioniert diesmal auch wieder als ebensolcher und lehrt Metal-affine Hörer:innen nicht mit Kinderchören oder Radiopop-Anleihen das Fürchten. Ein gutes Beispiel ist „A Dialogue In B Flat Minor“, in dem IN FLAMES eine für sich betrachtet fraglos kitschige Gesangslinie so geschickt zwischen groovige Riffs und muntere Soli hineindrapieren, dass sie schlussendlich nicht negativ auffällt.

Das alles verhindert nicht, dass gerade in der zweiten Albumhälfte einige Songs nicht wirklich begeistern: „Foregone Pt. 2“ etwa kann leider nicht ganz mit „Pt. 1“ mithalten, das darauffolgende „Pure Light Of Mind“ bleibt insgesamt blass und „In The Dark“ wirkt mit seinem stumpfen Wechselspiel zwischen einem eher drögen Riff und 08/15-Melodien wie eine IN-FLAMES-Persiflage von Herman Li. Dass ausgerechnet der Rausschmeißer „End The Transmission“ und der Bonustrack „Become One“ in ihren Refrains dann doch noch in den Kitsch kippen, ist etwas schade – auf das ganze Album gesehen aber verkraftbar. Denn das ist alles in allem überraschend gut.

Sicher, „Battles“ und „I, The Mask“ haben die Erwartungen immer weiter heruntergeschraubt – und doch ist es bemerkenswert, wie souverän sich IN FLAMES mit „Foregone“ wieder zurück in die Spur gewuchtet haben: Hinter dem ersten schönen Artwork seit langem steckt tatsächlich auch das seit langem stärkste Album der Band. Mit Chris Broderick (Gitarre) und Tanner Wayne (Schlagzeug) an seiner Seite, die als Neuzugänge beide einen bemerkenswerten Job machen, hat Björn Gelotte endlich wieder Songs aufgenommen, die das Prädikat „Göteborg Metal“ wirklich verdient haben. Wenn das auch nicht auf alle zwölf respektive dreizehn Stücke zutrifft, so lässt sich zumindest konstatieren: Im Großen und Ganzen ist „Foregone“ ein gutes Album – und „I, The Mask“ vergeben und vergessen.

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Wertung: 7.5 / 10

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15 Kommentare zu “In Flames – Foregone

  1. Viele vergessen das Reviews nur die Meinung einer Person darstellen. Und, so schön es ist Seiten wie metal1 zu haben, man sollte nichts auf Reviews geben.

    Das ist jetzt keine Kritik. Nur vergessen viele das es eben nur die Meinung einer einzelnen Person darstellt und es wichtig ist sich selbst ein Bild zu machen.

    Ich persönlich finde zB Foregone Pt2 super geil und hier heisst es, es suckt etwas. Finde ich persönlich nicht. Mir hängt das Lied im Ohr.

    Für mich ist es ein super Album, rundum gelungen und sehr mitreissend.

  2. Dafür dass dieses Review dasjenige für das Album des Monats ist, liest es sich aber schon ganz schön negativ. 7.5 Punkte am Ende nur? Dabei kam doch so viel Zeugs im Februar raus. Verstehe ich irgendwie nicht.

    1. Hi Sebastian, zur Erklärung: Unsere Reviews spiegeln die Meinung des Rezensenten/der Rezensentin wider – wie dann das Team am Ende des Monats bei der Wahl zum ADM abstimmt, hat darauf wenig Einfluss. Zur Abstimmung zugelassen sind alle Alben mit einer Wertung ab 7.5 Punkten. Persönlich hätte ich auch ein anderes Album vorgezogen, aber am Ende hat sich IF eben (sehr knapp) durchgesetzt ;)

  3. Mag sein, dass die Musik sich nicht grundlegend von den letzten Platten unterscheidet, irgendwann habe ich aufgehört, In Flames zu verfolgen. Aber es ist halt so, dass eine Band mit dem Sänger steht und fällt – meistens jedenfalls – und hier ganz speziell mit dem Gesang. Mir ist da zwar noch zu viel Klargesang bei, aber ich kann auch konstatieren, dass die Platte in ihrer Gesamtheit endlich mal wieder eine ist, die mir ganz gut gefällt. Bei 7.5 gehe ich mit, auch wenn ich vermutlich andere Kritikpunkte und andere lobenswerte Aspekte als du herausstellen würde, aber da seis mal drum ;)

  4. Verstehe dieses „omg alte In Flames sind zurück!!“-Narrativ, das seit Release der Singles im Netz herumgeistert, echt null. Es ist immer noch exakt die gleiche Musik, die sie auf den letzten paar Alben schon gemacht haben, vielleicht sogar poppiger als je zuvor. Zumindest mit mehr clean Gesang. Dass sie dieses Mal ne Hand voll Come-Clarity-Ära-Riffs zwischendurch eingestreut haben, ändert daran genauso wenig wie die zugegeben etwas bessere Produktion. Dafür ist zumindest nach dem ersten Durchlauf ein gar nichts hängengeblieben, außer dass zwischendrin mal eine absolut grauenvolle Ballade kam. Damit liegt I, The Mask schon mal vorne, dessen Lieder ich heute noch im Kopf habe und ab und zu summe. Aber das Artwork ist schön, das stimmt. Solange mich ein zweiter oder dritter Durchlauf nicht vom Gegenteil überzeugt, bleibt es für mich dennoch erst mal bei in dubio pro I, The Mask.

    1. Ich finde das so geil, wie sich die Zeiten ändern. Ich kann mich nämlich noch erinnern, als Soundtrack to your Escape und Come Clarity neu waren und die Leute murrten, dass das ja irgendwie nichts mehr mit Whoracle und Clayman zu tun hat und In Flames früher viel besser waren.

      Und jetzt sind fast 20 Jahre vergangen und die Leute murren, dass das heute nichts mehr mit Come Clarity zu tun hat und In Flames früher viel besser waren :D

      Trifft natürlich nicht nur auf In Flames zu. Ich glaube, die einzige Band, die dagegen immun ist, ist Motörhead. Aber es ist sehr lustig, wenn man diese Zeit damals live mitgemacht hat.

      1. Nur damit das nicht falsch rübergekommen ist: Ich sehne mich absolut nicht nach dem „Come Clarity“-Sound, sondern gehöre zur erstgenannten Gruppe. Für mich sind „The Jester Race“ und „Whoracle“ die einzigen herausragenden IF-Alben. Live hab ich die Entwicklung damals nicht mitbekommen, da ich In Flames erst so ab ca. 2008 entdeckt habe (mein erstes IF-Konzert war dementsprechend die Tour zu „A Sense of Purpose“, zu einer Zeit also, als IF für Alben bekannt und beliebt waren, die ich gar nicht mochte). Mit „Colony“ sowie Teilen von „Clayman“ und „Reroute to Remain“ konnte ich mich nachträglich auch anfreunden. Aber die Entwicklung seit 2008 habe ich trotzdem über die Jahre weiterverfolgt und kann, ohne Wertung, eben diese Behauptung von wegen „Foregone“ sei eine Rückkehr zu altem Stil und Form (wobei „alt“ heutzutage anscheinend ja bereits „Come Clarity“ bedeutet), rein qualitativ nicht nachvollziehen, denn stilistisch ist das einfach die konsequente Fortführung der Entwicklung seit „Battles“.

        Deswegen ist natürlich auch die Behauptung, „I, The Mask“ (für mich persönlich übrigens das hörbarste und spaßigste IF-Album seit mindestens „Come Clarity“, vielleicht sogar seit „Rerout to Remain“) sei ein Totalausfall und „Foregone“ die ersehnte Wiedergutmachung durch das Besinnen auf frühere Stärken, totaler Quark. Was einem subjektiv besser oder weniger gut gefällt, sei dabei ja jedem selbst überlassen. Immerhin haben In Flames seit „Battles“ einigermaßen das ganze Musikalische rein technisch wieder drauf, was ihnen seit ihrem schlechtesten Album „Soundtrack to Your Escape“ (ein grenzkatastrophaler Totalausfall in jeglicher Hinsicht) verloren gegangen war. Wie oft Anders Fridén dabei seine Lines einsingt und mit technischen Mitteln im Studio zurechtrücken lässt (ein guter Sänger war er halt leider noch nie), ist mir recht egal, solange es nicht so unhörbar scheiße klingt wie in der Phase „Soundtrack to Your Escape“ bis „Siren Charms“.

        1. Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie sehr ich der Aussage „Soundtrack to your Escape“ sei „ein grenzkatastrophaler Totalausfall in jeglicher Hinsicht“ widersprechen möchte (ok, die Produktion ist da wirklich sehr speziell aber das begleitet irgendwie alle IF-Alben seit der „reroute to remain“).

          Beim Rest stimme ich zu auch wenn ich alles seit der „A Sense of Purpose“ nicht intensiv genug gehört habe um das wirklich abschließend beurteilen zu wollen.

          1. Da bin ich bei dir. Die „Soundtrack…“ ist vielleicht sogar mein Lieblingsalbum von In Flames, darauf passt einfach alles. Nach „Come Clarity“ gings für mich leider steil bergab, alles davor kann ich immer hören, wobei STYE halt wohl tatsächlich der Höhepunkt ist.

            1. Ich verstehe den Hass auf die STYE auch ned … ich mag das Album sehr gerne … aber ich mag ja auch die ASOP nach wie vor noch extrem gerne … DANACH gings dann meiner Ansicht nach bergab. Ich war aber, das muss ich auch sagen, nie Fan der ganz frühen IF, alles vor der Colony hat mich kalt gelassen und die Hochphase sehe ich zwischen Clayman und CC. :D Is wohl auch alles immer eine Frage der musikalischen Sozialisierung, wann und wie man mit der Band in Berührung gekommen ist. Bei mir war das halt um 2004 mit RTR/STYE

    2. Da gehe ich voll mit: „I, the Mask“ war für mich ein ziemlich guter IF-Vortrag und Foregone is so auf hart gemacht, aber nicht memorabel.

  5. ich hab die neue in flames noch nicht gehört, früher live genial, höhepunkt filderstadt 2006 mit sepultura, oder rock im park 2005 wo die arena wirklich in flammen stand, danach konnte nie eine tour von den schweden daran anknüpfen, zwar größere hallen, aber lightshow statt pyros, die nachfolger scheinen amon zu sein, fette show mit machine head, der etwas gekürzte london-auftritt von in flames auf ihrere dvd, ist doch bestimmt auch besser wie ihre letzten konzerte, sorry für mich gehören pyros bei in flames einfach dazu, und das 3 mitglieder von ihrer besten besetzung nicht mehr dabei sind, macht die sache auch nicht leichter, vielleicht morgen mal auf napster reinhören!

    1. Ja, die Tour mit Sepultura 2006 oder 2005 auf RIP sind mir auch als besonders gut in Erinnerung geblieben. Was die Besetzung angeht, muss ich aber sagen, dass sie mit der aktuellen zumindest wieder ein Team beisammen haben, das live wie auf Platte funktioniert.

  6. Liebe Leserinnen und Leser,
    Wir sind ein Musik- und kein Politikmagazin – wir möchten euch darum gerne dazu ermuntern, hier mit uns über Musik (im konkreten Fall: IN FLAMES) zu debattieren – nicht aber Grundsatzdiskussionen zu politischen Themen auszufechten. Wir behalten uns vor, entsprechende Off-Topic-Kommentare nicht freizugeben.
    Danke für euer Verständnis.

  7. Ach ja In Flames, die Helden meiner Jugend und für mich damals mit der Einstieg in härtere Metal-Spielarten. Was war ich damals Enttäuscht als damals „A Sense of Purpose“ erschien. Ich hörte zweifelsfrei immer noch In Flames aber in meinen Ohren schien irgendjemand der Band jeglichen Punch und Drive geraubt zu haben. Ein komplett weich gespülte Produktion, komplett klebrige Melodien und Refrains, und ein Anders Friden, der sich an einer kraftlosen Mischung aus Screams und Clean-Gesang versuchte. Klar, die Band war schon davor nicht besonders hart und eine stetiger Wandel zur Modernisierung war auch schon länger auszumachen aber wer In Flames über einen längeren Zeitraum verfolgt hat, weiß vermutlich was ich meine.

    Ich habe danach immer mal wieder in diverse Vorabsongs rein gehört, aber besser wurde es für mich nicht, eher im Gegenteil. Objektiv betrachtet schlecht war das alles sicherlich nicht was In Flames seitdem veröffentlicht haben, aber ich konnte mit dieser Anbiederung an den Mainstream (eigentlich versuche ich das Wort immer zu vermeiden, ich missgönne der Band auch den Erfolg nicht, aber hier ist es in meinem Ohren wirklich einfach nur genau das) einfach nichts anfangen.

    Umso mehr horchte ich auf, als es hieß In Flames würden wieder an Härte zulegen. Nach dem Hören der Vorabsongs stellte sich dann aber auch schnell wieder Ernüchterung ein. Ja, In Flames haben wieder mit dem Härtegrade etwas angezogen, das wars dann aber auch schon wieder. Komplett vorhersehbare Songstrukturen, keine herausragenden Melodien (die In Flames früher wie am Fließband produziert haben) und ein Anders Friden, der irgendwie zwar ganz ok aber doch immer sehr gezwungen statt gekonnt klingt. Ach ja, Anders Friden: Ein Frontmann, der zweifelsfrei markant wie kaum ein anderer klingt, der aber trotzdem in meinen Ohren nie ein besonders guter Klarsänger war. Früher, als der Klargesang noch eher punktuell und hauptsächlich in der Refrains eingesetzt wurde, hat das für mich noch gut funktioniert. Hier könnte aber auch irgendein gesichtsloser Pop-Sänger am Werk sein (schlimm in „Bleeding Out“, „Forgone Pt II“ oder ganz furchtbar „Pure Light of Mind“). Dazu kommt, dass die Screams für mich auch sehr gepresst und energielos wirken.

    Vielleicht noch ein paar Worte zur Produktion: Die ist zwar sicher wie bei einer Band dieser Größenordnung nicht anders zu erwarte sehr modern und fett, hat aber überhaupt keine Ecken und Kanten, was sicher entscheidend zu meinem Eindruck von oben beiträgt. Irgendwie zwar dick, aber auch seltsam dumpf und in Watte gepackt (die Blastbeats in Foregone Pt. 1 klingen furchtbar).

    Tja, ich wollte der Band nach dem ganzen Medienhype (die Platte hat auf anderen Websites Wahnsinns-Bewertungen abgestaubt) nochmal eine Chance geben aber für mich ist das dann wohl trotzdem einfach nichts mehr. Ich spare mir eine Bewertung. Schlecht gemacht ist das sicher alles nicht und wird wie immer sein Publikum finden. Ich würde hier niemals eine wirklich schlechte Bewertung abgeben, weil das ja doch alles ganz kompetent gemacht und nett ist. Aber wirklich besonders gut halt einfach auch nicht.

    Ich greife dann doch lieber wieder zur „the halo effect“-Platte. Die hat es wesentlich besser verstanden, den In Flames-/Dark Tranquility-Sound der 2000er einzufangen auch wenn die in Gänze dann auch nicht das erhoffte Überalbum wurde. Dort kann man meines Erachtens recht deutlich hören, wer für den „typischen“ In Flames-Sound hauptsächlich verantwortlich ist und bekommt einen Sänger, der zwar nicht übermäßig variabel sein mag, dafür aber in seinen Kernkompetenzen umso mehr zu überzeugen weiß.

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