Nachdem sich der bisherige NEUROSIS-Sänger Scott Kelly in einem Statement die Missbrauchsvorwürfe bestätigt hat, die gegen ihn im Raum standen, und seine musikalische Karriere für beendet erklärt hat (Metal1.info berichtete), haben sich nun auch NEUROSIS zu dem Fall geäußert.
Hier das Statement der Band in deutscher Übersetzung:
„Wir können das Ausmaß an Abscheu und Enttäuschung, das wir für einen Mann empfinden, den wir einst Bruder nannten, gar nicht deutlich genug betonen.
Als Band haben wir uns Ende 2019 von Scott Kelly getrennt, nachdem wir erfahren hatten, dass er seine Familie in den vergangenen Jahren schwer misshandelt hat. In der Vergangenheit hatte Scott seine ehelichen Schwierigkeiten und verbalen Übergriffe offengelegt und seine Absicht bekundet, sich helfen zu lassen und sein Verhalten zu ändern. Die Informationen, die wir im Jahr 2019 erfuhren, machten deutlich, dass Scott eine Grenze überschritten hatte und es keinen Weg zurück gab. Aus Respekt vor der direkten Bitte seiner Frau um Privatsphäre und um den Wunsch der Familie zu respektieren, dass ihre Erfahrungen nicht zum Klatsch und Tratsch in einem Musikmagazin werden, haben wir diese Informationen nicht veröffentlicht. Mit Scotts Facebook-Post vom 27. August 2022, der viele dieser Informationen öffentlich macht, können wir endlich sagen, was unserer Meinung nach gesagt werden muss.
In den letzten zwanzig Jahren lebten wir weit voneinander entfernt und sahen Scott nur, wenn wir uns trafen, um an Musik zu arbeiten oder Konzerte zu spielen. Wir hatten keine Ahnung, wie die Realität für seine Familie aussah, wenn wir nicht da waren. Nach Scotts eigenem Eingeständnis war sein Missbrauch absichtlich, gezielt und ein streng gehütetes Geheimnis – selbst vor denjenigen von uns, die ihm am nächsten standen.
Als wir von seinem Missbrauch erfuhren, war es schwierig, diese schreckliche Information mit der Person in Einklang zu bringen, die wir zu kennen glaubten. Es ist nicht überraschend, dass er den Missbrauch so lange verheimlicht hat, denn es ist ein Verrat an unseren ethischen Grundsätzen als Bandmitglieder, Partner, Eltern und menschliche Wesen.
Seit 2019 haben wir zahlreiche Versuche unternommen, Scott zu kontaktieren. Wir wollten ein ehrliches Gespräch über den Status der Band führen und herausfinden, wie es ihm und seiner Familie geht, aber er hat sich drei Jahre lang geweigert, mit uns zu sprechen. Und, was wir jetzt eindeutig als Muster erkennen, Scott weigerte sich, die Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen. Nachdem wir mehr als 35 Jahre lang mit jemandem so viel durchgemacht haben, würde man ein gewisses Maß an Abschluss oder zumindest eine Antwort erwarten.
Jetzt hat Scott, ohne auf Anrufe, SMS oder E-Mails seiner Bandkollegen und Freunde zu antworten, eine öffentliche Stellungnahme zu der Situation abgegeben. Wir halten diese Entscheidung für einen weiteren Versuch der Manipulation, eine weitere Gelegenheit für seinen Narzissmus, die Geschichte zu kontrollieren. Erlaubt Scott nicht, sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen, es geht um den Missbrauch, den seine Familie erlitten hat.
Normalerweise würden wir öffentliche Offenheit und Ehrlichkeit in Bezug auf psychische Erkrankungen als mutig und sogar produktiv ansehen. Wir glauben einfach nicht, dass dies hier der Fall ist.
Es ist nicht mutig, seine Frau und Kinder systematisch zu missbrauchen.
Es ist nicht mutig, ein Fehlverhalten zuzugeben, wenn man nicht daran gearbeitet hat, sein Verhalten zu ändern.
Es ist nicht mutig, sich zu weigern, mit seinen engsten Freunden und Bandkollegen, die einen die meiste Zeit des Lebens unterstützt und zu einem gehalten haben, ehrlich oder überhaupt zu sprechen.
Verglichen mit den Auswirkungen von Scotts Handeln auf seine Familie sind die Auswirkungen auf unsere Band von geringerer Bedeutung. Dennoch trauern wir neben dem Herzschmerz und dem Entsetzen auch um den Verlust unseres Lebenswerks und eines Vermächtnisses, das uns heilig war.
Auch hier gilt unsere Hauptsorge der Sicherheit und dem Wohlergehen von Scotts Frau und Kindern sowie allen anderen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden. Wenn jemand, den Sie kennen, von häuslicher Gewalt oder Missbrauch betroffen ist, wenden Sie sich bitte an eine der vielen lokalen oder nationalen Hilfsstellen. Eine nationale Anlaufstelle ist:
National Domestic Violence Hotline 1-800-799-7233 www.thehotline.org
Wenn Sie oder jemand, den Sie kennen, unter psychischen Problemen leiden, die Sie zu einer Gefahr für sich selbst oder andere machen könnten, suchen Sie bitte Hilfe, bevor Sie sich selbst oder Menschen, die Sie lieben, verletzen. Eine Quelle dafür ist:
www.988lifeline.org
Dies ist die einzige Erklärung, die wir zu diesem Thema abgeben wollen. Zu gegebener Zeit, wenn es angebracht ist, werden wir mehr Informationen über unsere zukünftigen musikalischen Unternehmungen geben, aber dieser Zeitpunkt ist noch nicht gekommen.“
Auch in Deutschland gibt es Hilfsangebote für Betroffene häuslicher Gewalt. Das Hilfetelefon (https://www.hilfetelefon.de/) „Gewalt gegen Frauen“ ist ein bundesweites Beratungsangebot für Frauen, die Gewalt erlebt haben oder noch erleben. Unter der Nummer 08000 116 016 und via Online-Beratung unterstützen wir Betroffene aller Nationalitäten, mit und ohne Behinderung – 365 Tage im Jahr, rund um die Uhr. Auch Angehörige, Freundinnen und Freunde sowie Fachkräfte beraten wir anonym und kostenfrei.