Oceans Of Slumber - Starlight And Ash Cover

Review Oceans Of Slumber – Starlight And Ash

Auf den ersten Blick macht „Starlight And Ash“ einen unscheinbaren Eindruck. Weder das vermeintlich austauschbare, wenn auch hübsche und durchaus detailreiche Fantasy-Artwork, noch der bedeutungsschwangere und zugleich weitgehend nichtssagende Albumtitel lassen vermuten, dass OCEANS OF SLUMBER auf ihrer fünften Platte Risiken eingehen. Dass die sechsköpfige Band aus Texas, die erst mit dem Zugang von Gesangstalent Cammie Gilbert zu ihrer eigenen Einzigartigkeit fand, sich nach ihrem selbstbetitelten Album aus dem Jahr 2020 gewandelt hat, deutet jedoch ihre jüngste Selbsteinordnung an. „New Southern Gothic“ nennt sich der neue Stil, den OCEANS OF SLUMBER auf „Starlight And Ash“ ihrem Label zufolge ins Leben gerufen haben.

Inspiriert von großen musikalischen Geschichtenerzählern wie Nick Cave, Tom Waits und Leonard Cohen sowie von Southern Rock, Motown, Blues und Jazz haben OCEANS OF SLUMBER ihre Musik nun ganz in den Dienst des Storytellings gestellt. Ihren Stil hat die Band einer radikalen Entschlackungskur unterzogen, sodass Gilbert nun ganz im Zentrum des Geschehens steht und man ohne Ablenkung ihren in einer fiktiven Küstenstadt angesiedelten, tragischen Schauermärchen lauschen kann. Anders als ihre genannten Vorbilder drücken OCEANS OF SLUMBER sich in ihren Texten jedoch weiterhin eher vage aus, sodass man sich die vertonten Geschehnisse trotz des kompakteren und reduzierteren Songwritings bei weitem nicht so bildlich vorzustellen vermag wie etwa im Fall von Nick Caves „Murder Ballads“ (1996).

Die klangliche Neuausrichtung der Band sorgt indes für gemischte Gefühle. Dass Gilbert nun alle Ohren auf sich zieht, kommt keinesfalls ungelegen, hat die Sängerin doch in der Vergangenheit bereits bewiesen, dass sie einen Song mit der immensen Bandbreite und Ausdruckskraft ihrer Stimme locker im Alleingang tragen kann („Lullaby“). Auch ein gewisses Faible für Südstaatenflair, der hier zum Beispiel in der lässigen, sehnsüchtigen Country-Nummer „The Lighthouse“ und im minimalistischen Cover von „House Of The Rising Sun“ deutlicher denn je hervorkommt, war der Band zuvor bereits anzumerken („Suffer The Last Bridge“) und macht sich gut in ihrem Repertoire.

Vor allem im ersten Drittel der Platte gelingt es OCEANS OF SLUMBER ausgezeichnet, ihr zurückgelehntes Gitarren- und Schlagzeugspiel mit stimmigen Details zu garnieren und die Spannung durch Steigerungen gegen Ende der Tracks in die Höhe zu treiben („The Waters Rising“, „Red Forest Roads“). Im weiteren Verlauf des Albums vermisst man jedoch zündende Ideen – sei es im allzu melodramatischen „Star Altar“, im austauschbaren Piano-Zwischenspiel „The Spring Of ‘21“ oder im schwerfälligen Doom-Klotz „Just A Day“.

Nach drei mehr oder weniger bewundernswerten, aber letztlich doch nicht geglückten Versuchen, sich selbst zu übertreffen, scheint es nun festzustehen: ein musikalisch diverses und zugleich inhaltlich höchstpersönliches Album wie „Winter“ (2016) werden OCEANS OF SLUMBER wohl nicht mehr zustandebringen. Dass die ehemalige Progressive-Metal-Band den Metal (inklusive Schreigesang) nahezu vollständig aufgegeben, sich einen bluesigeren Rock-Sound angeeignet und ihre Songs vereinfacht hat, ist zwar grundsätzlich nicht abzulehnen. „Starlight And Ash“ ist jedoch schlicht zu glattgebügelt und teilweise zu einfallslos ausgefallen, um das in der Wandlung der Band zweifellos schlummernde Potential voll auszuschöpfen. Dennoch haben OCEANS OF SLUMBER damit ein alles in allem hörenswertes Album mit einigen starken Höhepunkten kreiert.

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Wertung: 7 / 10

Publiziert am von Stephan Rajchl

5 Kommentare zu “Oceans Of Slumber – Starlight And Ash

  1. War jetzt kein besonders großer Fan der Growls, aber ich stimme Stephan vollkommen zu: So gut wie auf „Winter“ waren OoS nie wieder. Ich bin mit allem, was danach kam, nie richtig warm geworden. „Winter“ war ihr klarer Höhepunkt in Sachen Songwriting und Emotionalität. Vom neuen hab ich bisher nur die Vorabsingles gehört, aber auch hier hat mich keine davon gecatcht. Sehr schade, mit „Winter“ waren OoS damals eine meiner meistgeliebten Neuentdeckungen. Aber leider kam danach für mich persönlich nur eine Enttäuschung nach der anderen. Nicht, weil die Alben danach misslungen wären, im Gegenteil. Aber sie haben mich einfach musikalisch einfach nicht mehr angesprochen.

  2. Das Growling hat mich nie gestört, aber was Stephan als glattgebügelt und einfallslos empfindet, erreicht mich auf einer ganz tiefen Ebene. Das Album entfaltet bei mir eine emotionale und beruhigende Wirkung, wie sie zuletzt wohl „Shadows Of The Sun“ von Ulver erzeugen konnte. Das ruhige, besinnliche und zurückgenommene, das alles macht das Album für mich zu etwas besonderem.

    1. Ich fand das Growling zuvor sehr stimmig eingesetzt. Wenn eine Band immer nur denselben Gesangsstil verwendet, kann es schon fad werden (vor allem im extremen Metal), aber das war bei OoS zuvor ja nicht so. Zugleich stört es mich aber auch nicht, dass sie auf die Growls diesmal verzichtet haben – Cammie Gilbert hat mehr als genug gesanglichen Spielraum, um die Bühne für sich allein zu haben.
      Ich selbst sehe halt nicht wirklich eine Verbindung zu Ulvers „SOTS“ – Ulver haben darauf ja wirklich etwas Ungewöhnliches gemacht und ich finde die Grundstimmung anders. Da finde ich „Starlight And Ash“ wesentlich konventioneller. Und aufgrund des Stroytellings auch etwas weniger persönlich.
      Aber an sich find ich die Platte eh auch größtenteils gut und die Entwicklung grundsätzlich unterstützenswert. Ich finde die Songs per se halt einfach nicht alle so stark wie im ersten Drittel des Albums. Und es freut mich für euch, wenn euch das Album mehr anspricht als mich. Ich finde OoS ja generell echt spannend, aber für mich bleibt „Winter“ halt leider unübertroffen.

      1. Seh ich genau so, wie du, was die Growls angeht: Sie haben mir immer gefallen, aber sie fehlen jetzt überhaupt nicht. Eine direkte Verbindung zu „SOTS“ gibt es ja auch nicht wirklich – es erreicht mich, auch wenn es ganz andere Musik ist, von der atmosphärischen, beruhigenden Wirkung einfach sehr ähnlich und begeistert mich gleichermaßen. Dass „Winter“ ein überragendes Album ist, ist ganz unabhängig davon wohl kaum zu leugnen.

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