Mit knapp zwei Jahren Verspätung kommt ERIC CLAPTON auf seiner Welttournee 2022 nach München. 77 Jahre alt ist Mister Slowhand inzwischen, zuletzt fiel er mehr durch zweifelhafte Aussagen zum Thema Corona als durch sein filigranes Gitarrenspiel auf. In der Olympiahalle steht nun wieder die Musik im Vordergrund – und (nur) diese entfaltet ihre Wirkung.
Den Auftakt des Abends bestreiten THE BLUESANOVAS aus Münster. Der mehrfach prämierte Fünfer präsentiert, wie es der etwas ungelenke Name vermuten lässt, modernen Blues mit Einflüssen aus Rock, Boogie und anderen Genres. Sänger Melvin agiert als Gesicht der Combo und liefert sowohl gesanglich als auch von der Performance eine mehr als ordentliche Vorstellung ab. Mit „Night Life“ findet unter anderem ein Klassiker von B.B. King den Weg in das Live-Set. So ganz vermag das Konzept aber nicht aufzugehen, da sich die Energie der Truppe in der großen Halle etwas verliert. Zwar goutiert das Publikum einzelne Soli und Show-Elemente wie Filipe de la Torre, der seine Gitarre kurzzeitig auf den Schultern von Melvin spielt, doch so richtig erreichen THE BLUESANOVAS die breite Masse nicht. Ein Highlight hebt sich die Band für ihren letzten Song auf, der bis dato unveröffentlicht aus dem musikalischen Rahmen ausbricht. In kleineren Clubs dürfte die spielfreudige Formation noch einmal deutlich mehr mitreißen.
Kurz nach 21 Uhr erlischt das Licht in der Olympiahalle und ERIC CLAPTON betritt nebst seiner fünfköpfigen Band sowie zwei Backgroundsängerinnen die Bühne. Als die ersten Takte von „Pretending“ erklingen, wird es nur unwesentlich heller. CLAPTON selbst verzichtet völlig auf Frontlicht, dafür gibt es ihn und sein filigranes Gitarrenspiel in Schwarzweiß auf zwei Leinwänden und einem seltsamen Designelement mit einzelnen „Zaunlatten“ zu sehen. Der anfängliche Eindruck ist keine Momentaufnahme: Die britische Gitarrenlegende lässt seine Fertigkeiten sprechen. Und nur diese. Mehr als ein kleines „Good Evening“ und ein kurzer Witz über die zwei Jahre Verzögerung kommen ihm abseits des Gesangs nicht über die Lippen, auch kein Dankeschön am Ende des Abends. Wenn der Meister aber nahtlos vom reggae-geschwängerten „I Shot The Sheriff“ zum Cream-Klassiker „White Room“ übergeht, verkommt das puristische Bühnenbild schnell zu einer Randnotiz.
Ganz offenkundig hat ERIC CLAPTON auf sich und seine Gesundheit geachtet: Filigran wandern seine Finger über das Griffbrett, sein Rhythmusgefühl ist messerscharf und im direkten Vergleich zu seinen Mitmusikern ist die Legende gefühlt immer einen Schritt voraus. Zwar lässt der Meister seinen langjährigen Wegbegleitern ihren Raum, um eigene Akzente zu setzen, doch präsentiert sich CLAPTON in München selbst ungemein spielfreudig und virtuos. Lediglich den Akustikblock muss er kürzen, als es bei „Nobody Knows You When You’re Down and Out“ zu technischen Problemen kommt und er routiniert von der Signature-Martin Acoustic wieder zur E-Gitarre wechselt. An diesem Punkt kommt es auch zu lauten Zwischenrufen von einzelnen Gästen, die gerne mehr Licht auf der Bühne hätten. Davon zeigt sich CLAPTON ebenso unbeeindruckt wie vom Technikausfall und geht planmäßig zu Charlie Chaplins „Smile“ über. Wer ihn live sehen will, bekommt seine Musik – und nur diese.
Nach dem wahnsinnig starken Duo aus „Layla“ und „Tears In Heaven“ ist der kurzzeitige Groll gefühlt wieder verflogen und mit „Wonderful Tonight“ hakt CLAPTON schließlich auch den letzten Engtanzklassiker routiniert ab. Zum Schluss wird es noch einmal energetischer, rockiger und bluesiger. J.J. Cales „Cocaine“ beendet schließlich das reguläre Set mit einer stehenden Menge vor der Bühne, ehe es mit Joe Cockers „High Time We Went“ genau eine Zugabe gibt.
ERIC CLAPTON zählt zweifellos zu den besten Gitarristen, die es je gegeben hat. Das weiß er und in gewisser Weise nutzt er dies auch zu seinem Vorteil: Die große Show abseits der Gitarre liegt ihm nicht, also verzichtet er konsequent darauf, genau wie auf Interaktion. Bei Eintrittspreisen diesseits der 100 Euro hinterlässt dies einen etwas faden Beigeschmack, auch weil eben jene Nachwuchsmusiker, die in seine Fußstapfen treten wollen, bei jenen Summen vermutlich nicht in den Genuss ihres Idols kommen werden – selbst wenn sie ihn nur spielen sehen möchten.
- Pretending
- Key To The Highway
- Hoochie Coochie Man
- I Shot The Sheriff
- White Room
- Drifting
- Nobody Knows You When You’re Down And Out (venue sound problems)
- Smile (acoustic arrangement played on electric guitar)
- Layla (acoustic arrangement played on electric guitar)
- Tears In Heaven (acoustic arrangement played on electric guitar)
- Badge
- Wonderful Tonight
- Crossroads
- Little Queen Of Spades
- Cocaine
- High Time We Went (encore)