Interview mit Tom S. Englund von Evergrey

EVERGREY gehören längst zu den Größen des Progressive Metal, auch wenn diese Genrevezeichnung nie so ganz gepasst hat. Mit „A Heartless Portrait: The Orphean Testament“ legen die Schweden bereits ihr 13. Album vor und präsentieren sich darauf dunkel, tiefgängig, vielschichtig und emotional. Mit Sänger, Gitarrist und Songwriter Tom S. Englund sprechen wir nicht nur über Hintergründe zum Album, sondern auch über Therapie, Selbstfindung, falsche Realität und den Krieg in der Ukraine.

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Die letzten beiden Jahre waren für Musiker und uns alle nicht einfach. Wie geht es dir und was haben die Pandemie und der Krieg in der Ukraine mit dir und deinem Gemütszustand gemacht?
Wir kommen also gleich zu den relevanten Themen. Der Krieg in der Ukraine ist aus so vielen Gesichtspunkten eine Katastrophe für die gesamte Welt. Das katapultiert uns zurück in die frühen Jahre des 20. Jahrhunderts, ich hätte nie gedacht, dass so etwas in Europa passieren könnte. Es sind aber auch die Taten eines einzelnen, verrückten Mannes und ich hoffe, dass ihn sehr bald jemand erschießen wird. Nur dann können wir wieder ohne die Angst leben, wieder eine Invasion erleben zu müssen. Er ist ein großer Bully, wie ein Bully in der Schule, und so sollte er auch behandelt werden. Er ist zu alt, behandeln kann man ihn nicht mehr, also erschießt ihn einfach, das ist mein Ratschlag.

Aus kreativer Sicht gesehen hatte ich die zwei besten Jahre meines Lebens. Ich habe so viel Musik gemacht, dass ich es selbst kaum verstehen kann, wie ich so viel schaffen konnte. Ich glaube, ich habe in den letzten 20 Monaten sechs Alben gemacht, dazu Musik für Videospiele und auf Aufnahmen der Musik meiner Fans bin ich auch zu hören. Echt viel Zeug also. Von diesem Standpunkt aus war die Zeit also sehr kreativ und lohnenswert. Natürlich haben wir das Touren wahnsinnig vermisst. Uns fehlt die Interaktion mit den Menschen auf einer persönlicheren Ebene, die direkte Reaktion und die Anerkennung für unsere Musik, für das alles machen wir das.

Für welche Videospiele hast du Musik gemacht?
In den letzten eineinhalb Jahren haben wir Musik für „World War Z“ gemacht, für die noch kommenden Spiele „Evil Dead The Game“ und „Dakar Desert Rally“, ein Wrestling-Spiel… Eine Menge Zeug.

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Haben die aktuellen Geschehnisse das Songwriting und den Sound von „A Heartless Portrait (The Orphean Testament)“ beeinflusst?
Jedes Album, das ich gemacht und geschrieben habe, wird beeinflusst davon, wie es mir gerade geht, also ja. Ich denke, dieses Album ist, genau wie „Escape Of The Phoenix“, eine Art Selbstreflexion und eine objektive Betrachtung dessen, was das Leben aus mir gemacht hat und was ich durchmachen musste, um der Mensch zu werden, der ich heute bin. Es geht aber auch um meine subjektive Sicht auf eine Welt, in die ich nicht hineinpasse und auch gar nicht hineinpassen will. Ich finde, die Welt wird jeden Tag gewalttätiger, böser und feindseliger und wir kümmern uns vor allem zuerst um uns, bevor wir an andere denken. An sich zu denken, kann auch etwas Gutes sein, aber nicht wenn man es beispielsweise wie Putin macht. Du kannst dich selbst in deinen egoistischen Ansichten verlieren und alles nur noch für dich und deine eigenen Ziele machen.

Daher kommt auch der Titel: „The Orphean Testament“ beschäftigt sich mit der griechischen Mythologie und mit Orpheus, der sich nicht umdrehen darf und weiß, dass seine große Liebe seines Lebens in Flammen aufgehen wird, wenn er es doch tut. Er denkt nicht nach und das ist meine Sichtweise auf die griechische Mythologie und ein spannender Dreh. Ihre eigene Sichtweise ist nämlich, dass es eine fantastische Liebesgeschichte ist und er sie so sehr geliebt hat, und doch konnte er sich selbst nicht zurückhalten. Das ist tragisch und so funktionieren wir heute als Menschen, wir schalten unser Hirn nicht ein und lassen uns die Wahrheit von Social Media vorkauen, lassen uns sagen, wie wir die Welt und Politik sehen sollen. Alles, was ich möchte ist, die Menschen und mich selbst ein wenig aufzuwecken und sagen, dass es toll wäre, zumindest zwei Stunden am Tag selbst zu denken und nicht durch den TikTok-Feed zu scrollen. Ich denke, wir sind verloren und haben alles verloren, dass im Leben wichtig ist. Wenn du heute jemanden in der Ukraine fragst, was wirklich wichtig ist, dann verspreche ich dir, dass sie eine echte Antwort darauf haben und dazu gehören weder TikTok noch Instagram.

Vermutlich nicht, aber über soziale Medien können sie in Kontakt bleiben und sich die Wahrheit über das erzählen, was passiert.
Absolut, das ist das Positive an Social Media. Es hat aber gleichzeitig auch wieder eine negative Seite, weil man nicht weiß, welche der Informationen, mit denen man gefüttert wird, richtig sind, gerade in Kriegszeiten. Du siehst diese Videos und weißt nicht, ob sie echt sind. Das ist, was ich meine: Man muss kritisch hinterfragen, was man sich ansieht. Junge Kinder mit 11 oder 12 Jahren waren auf keiner Universität, sie wissen nicht was passiert und wissen nicht, wie sie das Gesehene kritisch beurteilen können. Sie werden mit all diesen Eindrücken gefüttert und werden in 20 Jahren unsere Anführer sein. In 20 Jahren werden wir in der Hölle sein. Kinder sind heute durch Social Media aber auch sehr schlau, sie nutzen es als Informationskanäle um sich weiterzubilden. Ich finde, Social Media sollte so wie TokTok sein, es sollte Unterhaltung sein. Ich gehe ja auch nicht für zehn Stunden auf ein Konzert, sondern ein oder zwei Stunden lang und als genau diese Unterhaltung sollten wir soziale Medien auch betrachten. Aber ich sehe die Kinder immer nur scrollen und scrollen… Lest ein verdammtes Buch!

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Bezüglich Social Media hast du zu „Save Us“ schon gesagt, dass es heutzutage wichtig für uns ist, ein Bild von uns selbst zu zeichnen. Vor allem ist das für junge Leute wichtig, um etwas cooles von sich zu zeigen und dabei vergessen sie vielleicht, wer sie eigentlich sind.
Ja, das ist genau der Punkt. Wie alle haben vergessen, wer wir sind oder bis zu einem gewissen Grad, was für uns wichtig ist. Wir müssen uns selbst wieder aufwecken und darum drehen sich die Songs „Reawakening“ und „Midwinter Calls“. Es geht darum, seine Herkunft zu kennen, zu wissen wer man ist und in dieser Welt sein will. Bin ich genauso, wie ich sein möchte oder bin ich zu 80 % so, wie andere mich gerne hätten? Vergleiche ich mich selbst mit jemandem, der sein tolles, falsches Leben auf Instagram präsentiert? Geht es mir gut damit, wie ich bin und kann ich auf meinen eigenen beiden Beinen stehen? Das alles ist wichtig, vor allem wenn man Kinder hat.

Die ersten drei Tracks erzählen eine zusammenhängende Geschichte. Was kannst du mir über die Story erzählen und was macht die Aussage so wichtig?
Ich denke, das sind all die Themen, über die wir eben gesprochen haben. Es geht darum, blind und mit verbundenen Augen durch die Welt zu laufen. Die Storyline der Videos ist die, dass EVERGREY etwas entdeckt haben und aufdecken wollen, deswegen werden wir gefangen genommen und verhört. Die Geschichte wird rückwärts erzählt, „Save Us“ ist der letzte Teil der Geschichte. Warum sollte man es sich einfach machen? (lacht) Der erste Song ist also der, in dem wir enthüllen, was wir herausgefunden haben und was wir eigentlich nicht hätten wissen sollen. Es ist zwar ernst, aber dennoch eine unterhaltsame Art und Weise, das Thema filmisch zu betrachten. Es ist Entertainment und soll unterhalten, andererseits könnte man auch ein Buch lesen.

Beim Dreh scheint es sehr kalt gewesen zu sein, besonders bei „Save Us“, wenn man deinen Atem sehr deutlich sehen kann.
Oh ja, es war wirklich kalt, wir haben im Januar in einem alten Schloss gedreht. (lacht)

Bei „Reawakening“ singst du die Zeile “I’m open to reasons to feel alive”. Ist es manchmal wichtig und nötig, Hilfe von anderen anzunehmen, um wieder in die Spur zu finden? Besonders in der heutigen Zeit, in der man oft alleine durch Social Media scrollt.
Absolut. Ich denke, es ist immer gut, die Möglichkeit zu haben, sich selbst zu überprüfen. 2010 habe ich eine Ausbildung zum Sozialpsychologen begonnen, mir liegt dieses Thema also sehr am Herzen. Es muss nicht immer eine Therapie sein. Therapie ist etwas für Menschen, die etwas durchgemacht haben und bei denen etwas repariert werden muss. Es ist aber gut, wenn man das, was einen beschäftigt und belastet jemandem erzählen kann, den man nicht kennt. Das kann das Leben einfacher machen und man kann Fragen stellen und bekommt vorurteilsfreie Antworten von jemandem, der dich nicht kennt. Also ja, ich denke das ist wichtig.

Es ist auch gut, mit Freunden zu reden. Wenn du nicht das Geld oder die Möglichkeit hast, zu jemandem zum Reden zu gehen, sprich mit deinen Freunden. Dabei muss man sich aber bewusst sein, dass sie vermutlich schon eine vorab gefasste Meinung darüber haben, was das Problem ist und werden dann sagen, wie sie es sehen. Das ist der Unterschied zu professionellen Gesprächspartnern. Ich mache nun schon seit fünf Jahren Therapie und es ist schon ein großer Unterschied.

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Sie die Texte für dich selbst auch eine Art Selbsttherapie? Ich finde, sie wirken sehr ehrlich und von Herzen kommend, speziell auch die Lyrics von Silent Skies.
Ja, es ist tatsächlich eine echte, klinische Methode, Texte über sich selbst zu schreiben. Ich habe das selbst gar nicht realisiert, dass es das war, was ich gemacht habe, als ich jünger war. Wenn ich auf die Texte zurückblicke, die ich vor fünf oder zehn Jahren geschrieben habe, dann erkenne ich, dass ich mir selbst Dinge erzähle, auf die ich besser gehört hätte. Deswegen ist der Albumtitel „A Heartless Portrait“, denn ich war immer ehrlich mit mir selbst. Vielleicht sollte ich auch vorsichtig damit sein, alles von mir und dem, was ich im Leben durchgemacht habe, preiszugeben. Es ist eine schonungslose, offene und ehrliche Geschichte über das, was momentan in meinem Leben passiert. Die Texte repräsentieren immer mich in dem exakten Moment in der Phase, in dem ich sie schreibe.

Ich finde, das Album ist etwas komplexer als „Escape Of The Phoenix“ und hatte eine dunkle, emotionale und manchmal wütende Atmosphäre. Wie würdest du selbst das Album und die Unterschiede zum Vorgänger beschreiben?
(lacht) Das würde ich nicht, da ich keine Ahnung habe. Weißt du, ich habe nun schon hunderte von Interviews gegeben und ihr als Journalisten habt alle unterschiedliche Meinungen und Ansichten und das ist wunderbar, denn so sollte es sein. Es ist nicht wirklich interessant oder wichtig, was ich denke, denn du hast deine eigene Meinung darüber, wie es sich anhört. Das einzige, was mir wichtig ist, ist dass es den Sound der Band widerspiegelt und zumindest so gut wie der Vorgänger ist. Wenn es das nicht ist, versuche ich beim nächsten Mal, ein besseres Album zu machen. (lacht) Wir waren in der gleichen Songwriting-Phase, als wir von „Escape Of The Phoenix“ zu „A Heartless Portrait“ übergegangen sind, wir haben am Tag nach der Veröffentlichung von „Escape Of The Phoenix“ mit den Arbeiten an dem neuen Album angefangen. Für mich ist das ein riesiger Schreibprozess mit EVERGREY, Silent Skies, Redemption und den ganzen Videospiel-Sachen. Ich kann das also gar nicht richtig auseinanderhalten, aber das ist auch nicht mein Job.

Etwas Großartiges an Evergrey ist, dass man ein Album nicht nur zwei der drei Mal hört, sondern eher fünf oder zehn Mal, bis es sich wirklich entfaltet. Kann es dadurch für neue Fans schwieriger sein, Zugang zu finden, wenn ein Song in einer Playlist auftaucht und vielleicht nicht die nötige Aufmerksamkeit für Neues haben?
Ich denke, so ist die Welt momentan, die Menschen haben keine große Aufmerksamkeitsspanne. Mir fällt es aber schwer zu sagen, dass das faktisch so ist, denn seit „Hymns for the Broken“ (2014) geht es für EVERGREY steil bergauf. Ich würde sogar sagen, dass 60 % unserer heutigen Fanbase neue Hörer sind. Es ist großartig, dass wir jetzt mit unserem 13. Album immer noch größer und größer werden können. Das Wachstum war seit 1996 sehr langsam, aber jetzt haben wir wirklich angefangen, große Wellen zu schlagen. Das macht für uns einen großen Unterschied, was Streamingzahlen, Vorverkäufe, YouTube-Klickzahlen und so weiter angeht. Ich weiß nicht, seit wann du EVERGREY hörst, aber unser Album „In Search Of Truth“ von 2001, das unsere alten Fans für eines der besten Alben überhaupt halten. Von einem kommerziellen Standpunkt aus aber hat ein Song von „Escape Of The Phoenix“ mehr Aufrufe als das gesamte Album „In Search Of Truth“. Wir müssen also auch bedenken, dass wir neue Fans haben, die bei unseren letzten vier, fünf Alben dazu gekommen sind. Das ist großartig und ein toller Erfolg zu einem so späten Zeitpunkt der Karriere. Das beste aber ist, dass unsere alten Fans auch die neuen Sachen mögen, es ist nicht so, als hätten wir irgendjemanden ausgeschlossen, sie sind immer noch bei uns.

Meistens gefällt einem das Album am besten, durch das man sich in eine Band verliebt, zumindest bei mir ist das so. Ich habe von Iron Maiden zuerst „Piece Of Mind“ gehört und es ist wohl mein Lieblingsalbum. Als Hannes Van Dahl von Sabaton Schlagzeuger bei Evergrey war (auf dem Album „Glorious Collision“ von 2011, Anm. d. Red.), hat er mir gesagt, dass sein Lieblingsalbum von Iron Maiden „Brave New World“ ist. Und ich sagte nur „Was zur Hölle redest du da, ich habe das Album nicht mal gehört.“ (lacht)

Du hast es gerade gesagt, „A Heartless Portrait“ ist euer 13. Album. Wie haltet ihr die Energie, Motivation und Kreativität nach all der Zeit nach so vielen Jahren und Alben aufrecht?
Das ist ganz einfach für mich. Das einzige, was ich machen muss ist, mich selbst zu überzeugen, den besseren Song zu schreiben. Das ist das einzige Rezept, das ich habe. Ich muss einen besseren Song als den letzten schreiben und dann muss ich voll dabei und inspiriert sein, ansonsten schreibe ich keine Musik und mache an diesem Tag irgendetwas anderes. Es geht darum, in dir selbst eine Welt der Kreativität zu schaffen, in der du dir sagen kannst „Dude, ich bin so verdammt glücklich, das hier machen zu können.“ Es ist eine Qual für mich, die Musik, die ich in mir habe, nicht rauslassen zu können. Es muss also einfach raus.

Tom Englund im Interview mit Metal1.info

Euer Debüt „The Dark Discovery“ wird nächstes Jahr 25 Jahre alt, plant ihr hier dafür Besonderes?
Nächstes Jahr?

Ja, das Album kam 1998 raus.
Ah, stimmt. Ich weiß nicht recht, ich bin nicht der Typ für Feierlichkeiten. Nächstes Jahr wird EVERGREY als Band 30 Jahre alt, also ist das vielleicht eher etwas, wozu ich zumindest etwas sagen würde. „Happy Birthday“ vielleicht, aber das reicht mir dann auch. (lacht) Aber wenn ich mal so darüber nachdenke: Ich habe dieses Feature im Sweden Rock Magazine gemacht, dem größten schwedischen Magazin. Das waren acht Seiten nur mit mir und meiner Karriere… Wow! Du triffst Freunde, die du seit zehn Jahren nicht getroffen hast und sie fragen dich, was du machst. „Nun, ich mache irgendwie immer noch das gleiche wie damals.“ (lacht) Und sie sind etwa von einem Arbeiter zu einem mittleren und dann einem größeren Boss geworden, haben eine andere Arbeit, sind Anwälte geworden oder was auch immer und wir machen nach wie vor das gleiche. Es ist schon etwas seltsam, 30 Jahre sind eine lange Zeit.

Ja, eine wirklich lange Zeit…
Es klingt, als wären wir die Rolling Stones, fünf alte Männer, die mit Rollstühlen auf die Bühne fahren… (lacht)

Vielleicht in nochmal 30 Jahren. (lacht)
Genau! Sie sind jetzt wirklich seit etwa 60 Jahren im Geschäft… Fucking hell! Aber sie können sich auch all die Drogen leisten, die ihnen helfen auf die Bühne zu gehen… (lacht) Ich mache nur Spaß.

Aber ich hoffe, sie nehmen nicht zu viele Drogen. Wenn ich da an Taylor Hawkings denke…
Ja, klar, das ist einfach schrecklich. Es war eine ganz andere Zeit, in der die Rolling Stones angefangen haben und Drogen legalisiert wurden. Ich bin überhaupt nicht für Drogen. Als sie angefangen haben, war LSD, Hasch und alles präsent und es war außerdem cool, es in Zusammenhang mit der Musik zu nehmen. Schrecklich… Es ist schwer, in einer solchen Zeit zu überleben, auch wenn man so erfolgreich wie Taylor ist, richtig? Es spielt keine Rolle, man hat immer seine eigenen Dämonen. Einfach traurig.

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Gibt es auf euren älteren Alben etwas, dass du heute als schlecht oder weniger gut bezeichnen würdest oder mit deiner aktuellen Erfahrung ganz anders machen würdest?
„Erfahrung“ ist genau der Punkt. Die Musik, die wir machen, ist ein Abbild von uns und der Zeit, als wir sie geschrieben haben. Es ist ein ehrliches Dokument, sogar ein „Testament“, wo wir waren und sind und das betrifft all unsere Alben. Ich kann sagen, dass ich in den Krieg ziehen würde um zu beweisen, dass ich mit allen Noten, Anschlägen und Songs auf jedem EVERGREY-Album hundertprozentig zufrieden war. Daher gibt es für mich also keinen Grund, irgendwelche Neuaufnahmen von irgendwas zu machen. Vielleicht weil es Spaß machen würde, das wäre wirklich der einzige Grund. Ich werde alle paar Jahre wieder gefragt, ob wir nicht Re-Recordings von dem oder dem machen sollte und ich frage nur „Warum?“ Auch, dass der Sound schlecht wäre, zählt für mich nicht. Es klingt wie die Musik, die die Leute in ihrem Kopf haben und diesen Soundtrack möchte ich nicht verändern. Denn genau das ist es, was du tust, wenn du  alte Sachen digital neu abmischt oder remixt. Man sollte das nur machen, weil man Spaß daran hat. Ich will den Hörern nicht sagen, dass sie den Eindruck eines Song, den sie im Kopf haben, neu formen sollen. Ich habe von dem, was ich gehört habe, einen musikalischen Eindruck gespeichert. Stell dir vor, Iron Maiden würden „Piece Of Mind“ mit dem heutigen, modernen Sound neu aufnehmen, abgemischt von Jacob Hansen oder irgendeinem coolen Produzenten in den USA. Das wäre eine Vergewaltigung der Musik.

Es wäre einfach nicht richtig.
Nein, es wäre nicht richtig. Ich weiß nicht, warum wir darüber reden, aber das ist meine Meinung zu dem, was du gefragt hast. (lacht)

Es ist auf jeden Fall eine tolle Sichtweise auf deine älteren Sachen.
Ja, es ist einfach die Wahrheit. Musik ist so wichtig für mich… Jemand hat mich mal gefragt, ob wir irgendwelche übriggebliebenen Songs hätten – ja, wir haben über 200 Songs, die liegen geblieben sind, ehrlich! Und immer, wenn wir ein neues Album schreiben, hören wir da rein und denken uns „Oh, das ist ein großartiges Riff, wollen wir es jetzt nutzen?“ Nein, weil es ein altes Riff ist und uns repräsentiert, wie wir damals waren.

Vielleicht war es damals auch einfach nicht gut genug für das Album, warum sollte es das dann jetzt sein?
Ja… Vielmehr aber steht es für die Menschen, die wir damals waren. In diesem Aspekt ist EVERGREY eine Pop-Band. „Pop“ repräsentiert das Hier und Jetzt. Wir sind nicht nostalgisch und versuchen nicht nach den 70ern zu klingen. Andere Bands machen das ganz fantastisch, aber EVERGREY ist nicht diese Band. Bei EVERGREY geht es darum, ehrlich zu sein und so zu klingen, wie wir heute klingen und deswegen benutzen wir kein altes Material. Wir könnten diese Riffs an andere Bands verkaufen… „Hier habt ihr 200 Songs!“ (lacht)

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Dieses Interview wurde per Telefon/Videocall geführt.

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