Interview mit Tim Steffens von Klabautamann

Mit „numbered“ ist das erste Album des ehemaligen Zwei-Mann-Projektes KLABAUTAMANN seit dem Ausstieg von Florian Toyka erschienen. Tim Steffens, nun alleiniger Mastermind, spricht im Interview darüber, was dieser Umbruch für das Projekt und das Album bedeutet hat, wie sich die Aufnahmen mit unzähligen Gastmusikern in der Pandemie gestaltet haben und was für ein Auto „numbered“ wohl wäre.

Dein langjähriger Bandkollege Florian Toyka hat KLABAUTAMANN im Jahr 2019 verlassen. Bereits in unserem letzten gemeinsamen Interview deutete Florian an, dass er sich „fürs erste ein bisschen zurückgezogen“ habe und noch unklar sei, wie stark er sich einbringen werde. War sein Ausstieg also die logische Konsequenz einer Entwicklung, oder kam es für dich am Ende doch überraschend?
Wie Du schon sagst hatte es sich schon angekündigt – aber der Zeitpunkt kam für mich dann doch überraschend. Wir waren gerade mitten in den Aufnahmen zu „Smaragd“ – und ich musste dann kurzfristig schauen, wie ich das alleine fertig bekomme. Zum Glück hat sich dann Christoph bereit erklärt, Flos Gitarrenparts zu übernehmen. Er ist auch auf der neuen Scheibe wieder zu hören!

Welchen Einfluss hatte Flos Ausstieg auf KLABAUTAMANN als „Institution“? Hast du dich dadurch eher alleingelassen gefühlt und in Betracht gezogen, die Band an den Nagel zu hängen, oder bemächtigt gefühlt, KLABAUTAMANN jetzt ganz nach eigenem Gusto weiterzuführen?
Beides! (lacht) Im Ersten Moment fand ich es wirklich schade und den Zeitpunkt richtig uncool. Aber ich konnte dann seine Gründe auch nachvollziehen. Schade finde ich es immer noch, weil ich Flos Beitrag immer geschätzt habe. Aber ich glaube, mit ihm wäre „numbered“ deutlich weniger vielfältig und experimentell geworden. Es war auch erleichternd, einfach mal drauf loslegen zu können und keine Diskussionen führen zu müssen. Das hat den kreativen Prozess auch nochmal gut befeuert.

Der musikalische Wandel ist tatsächlich nicht zu überhören: Vom Black Metal der Anfangstage, der sich ja bis zuletzt neben progressiven Elementen gehalten hatte, ist bis auf kurze Ausbrüche nur noch wenig zu hören – dafür ist das Album vielseitig und „proggy“ wie nie. Es heißt ja, dass man im Alter milder wird – aber eigentlich werden alle immer nur progressiver, oder?
Milder auf jeden Fall. Ich lege mittlerweile viel mehr Wert auf Wohlklang und angenehmes Hörerlebnis – wo früher die Sachen eher brutal, durchdringend und extrem klingen sollten. Für Bands, die progressiver werden, gibt es sicher einige Beispiele – etwa Enslaved, oder Opeth – aber ich glaube, es gibt mehr Gegebeispiele … zumindest wenn man sich den Metal allgemein anschaut: Satyricon, Iron Maiden, Manowar …
Ich persönlich mag besonders gerne Sachen, die neben einer coolen Stimmung auch noch einen gewissen Unterhaltungswert haben. Wo auch mal unerwartete Dinge passieren, wo es interessant ist zuzuhören, wo man auch nach vielem Hören nochmal neue Details bemerkt. So habe ich dann auch versucht, das neue Album zu gestalten – ob mir das gelungen ist, muss jeder für sich selbst beurteilen!

Gab es stilprägende Bands, oder einen Musikstil, den du in den letzten Jahren vermehrt gehört hast, oder haben sich KLABAUTAMNN 2021 tatsächlich nur aus KLABAUTAMANN entwickelt?
Ich glaube, man ist als Musiker immer auch ein Stück weit von anderer Musik beeinflusst, mit der man sich beschäftigt. Bei KLABAUTAMANN sind die stärksten Einflüsse vermutlich tatsächlich Enslaved, aber auch Opeth, Porcupine Tree und King Crimson. Das war nie direkte Absicht, aber ich habe natürlich versucht, Musik zu machen, die mir selbst gut gefällt. Und auf die genannten Bands stehe ich total!

Für die Aufnahmen haben zwölf Musiker ausgeholfen und mitgewirkt, wenn ich mich nicht verzählt habe. Wieso wolltest du so viele Leute involvieren?
Vielfalt. Ich wollte ein möglichst reichhaltiges Album machen und schätze die Kreativität und die spielerischen Skills von allen sehr! Ohne den Beitrag von allen wäre das Album nicht das geworden, was es ist. Jeder hat dem Ganzen noch ein weiteres Stück Individualität verliehen – ich bin mega zufrieden!

Wer schon mal ein Album mit Gastmusikern gemacht hat, weiß: Das ist eine gewaltige koordinative Aufgabe. Wie hast du das gestemmt, wie bist du das angegangen, und gab es auch Momente, in denen du Angst hattest, die Kontrolle zu verlieren?
Ich habe mich von Anfang an darum bemüht nur mit Leuten zusammen zu arbeiten, die von sich aus richtig Bock hatten, mitzumachen. Dadurch musste ich zum Glück gar nicht viel Kontrolle ausüben. Ich habe allen Musikern bei ihren Beiträgen viel Freiheit gelassen – und nur an einigen wenigen Stellen mal nachgesteuert. Dadurch hat sich die Aufnahme auch relativ lang hingezogen. Aber da ich die Arbeit am Album wirklich genossen habe, fand ich das tendenziell sogar gut!

Wie viel Einfluss hatten die Gäste auf die Musik, also auf den Charakter ihrer Beiträge im Detail?
Da gibt es die volle Bandbreite: von Gitarren eins zu eins nach Tabs einspielen, wo sich der Einfluss dann auf spielerische Nuancen beschränkt, über gemeinsam Drums oder Vocal-Parts ausarbeiten bis hin zu vollkommen eigenständig alle Synthesizer für einen Song zu komponieren – also maximalem Einfluss. Das hing maßgeblich davon ab, wie viel Input die Musiker haben wollten. Ich habe so viel Vorgaben gemacht, wie mir für den kreativen Prozess jeweils hilfreich erschien.

Einer der prominentesten Namen ist Gastsängerin Anna Murphy (Cellar Darling, ex-Eluveitie und Lethe), die auf dem Album mitgesungen, aber vor allem auch die Produktion übernommen hat. Wie kam es dazu?
Anna hat vor Jahren mal ein Konzert für KLABAUTAMANN in der Schweiz organisiert, weil sie selbst Fan ist. Seitdem sind wir in Kontakt geblieben. Und da ich sie für eine geniale Musikerin und Produzentin halte, lag es nahe, mit ihr zusammen zu arbeiten!

 „numbered“ ist wieder bei eurem „Bandfamilien-Label“ Zeitgeister erschienen. Was bedeutet das für das Album und seine Reichweite?
Tatsächlich gibt es keinen großen Unterschied zu einer Eigenproduktion. Der Zeitgeister-Clan besteht aus einer Hand voll Musiker aus der Bonner Gegend und die Veröffentlichungen darüber erfolgen im Wesentlichen in Eigenregie.

Das Album wurde zudem zunächst nur digital veröffentlicht, ehe nun limitierte Tonträger nachgereicht wurden – wie stehst du zu dieser großen Frage unserer Zeit, die Musikwelt betreffend: Hat das physische Format als primäres Medium ausgedient?
Es gibt immer noch Fans, die an CD und Vinyl interessiert sind. Wir hatten dazu eine kleine Umfrage auf Facebook gemacht. Allerdings gehen die Absatzzahlen wirklich stark runter: Während wir von „Der Ort“ noch über 2000 Stück verkauft haben, sind die aktuellen CD- und Vinyl-Auflagen auf 100 Stück limitiert.

Thematisch ist „numbered“ ein „Konzeptalbum darüber, dass alle Dinge im Leben begrenzt und nummeriert sind, eine Betrachtung, die tief in den eigenen Erfahrungen des Songwriters mit Verlust und Trauer verwurzelt ist, mit denen er in den letzten Jahren zu kämpfen hatte“, heißt es im Begleitschreiben. Könntest du zumindest auf das Konzept, aber gerne natürlich auch auf die angesprochenen Erfahrungen und wie sich diese konkret auf dich als Künstler ausgewirkt haben, eingehen?
Die Songs die auf „numbered“ vertreten sind, sind über einen Zeitraum von über zehn Jahren entstanden. In dieser Zeit habe ich leider ein paar nahe Verwandte verloren, darunter auch meinen Onkel, der für mich immer eine gewisse Mentoren-Rolle hatte. Das hat mich sehr mitgenommen. Allerdings hat mich die direkte Konfrontation mit der Endlichkeit auch um eine Erkenntnis reicher gemacht: Erst durch diese Begrenztheit wird die Zeit, die uns zur Verfügung steht, so wertvoll wie sie ist. Ich habe das zum Anlass genommen, nochmal zu reflektieren, was ich für wirklich wichtig und wertvoll im Leben halte und mich etwas neu ausgerichtet.
Musikalisch hat sich das insofern auch ausgewirkt, dass ich die Songs nochmal stärker ausgesiebt habe – und nur die übrig geblieben sind, die für mich wirklich spannend und stimmungsvoll sind.

Eine Auswirkung auf uns alle hatte ohne Frage die Corona-Pandemie. Wie bist du als Mensch durch diese Zeit gekommen, und kam die Pandemie noch „rechtzeitig“, um auch das Album zu beeinflussen?
Ich bin relativ unbeschadet durch die Pandemie gekommen – ich konnte von zu Hause arbeiten, bin selbst – noch – nicht krank geworden und habe bisher auch keine schweren Verläufe im Bekanntenkreis zu verzeichnen. Natürlich ist mir dann und wann die Decke auf den Kopf gefallen, und die Aufnahmen zu koordinieren, ist auch etwas umständlicher gewesen. Aber insgesamt blicke ich gerne auf die letzten beiden Jahre zurück – so hat auch neben dem neuen KLABAUTAMANN-Album mein kleiner Sohn Ben die Welt erblickt. Das tröstet über die kleinen Entbehrungen der Pandemie-Zeit gut hinweg.

Lass uns nun noch in die Zukunft blicken: Zwischen „The Old Chamber“ und „Smaragd“ lagen sechs Jahre – seit letztgenanntem sind nun nur vier verstrichen. Bist du allein effizienter, darf man also eher früher als später mit einem weiteren Album rechnen, oder gönnst du dir nach dem Release nun erst einmal eine KLABAUTAMANN-Pause?
Tatsächlich glaube ich, dass es auch dadurch etwas schneller ging, dass ich alleine am Album gearbeitet habe. Flo und ich hatten immer das Problem, dass wir beide zu übervollen Terminplänen tendieren und es daher immer schwierig war, gemeinsame Zeiten zu finden. Diesmal konnte ich – zumindest in der Kompositionsphase – immer daran arbeiten, wenn es mir spontan gerade gepasst hat. Was als nächstes ansteht, ist noch schwer vorherzusehen – aktuell bleibt neben Familie, Arbeiten und Sport gar nicht mehr so viel Zeit. Das heißt: Abwarten, was die Zukunft so bringt! Lust habe ich auf jeden Fall schon wieder auf ein neues Album und ein neues Thema gibt es auch schon.

Zum Abschluss ein kurzes Brainstorming – deine ersten Gedanken zu:
Ein Album, an dem du gerne mitgewirkt hättest:
Also an allen meinen Lieblingsalben hätte ich gerne nicht mitgewirkt, sonst wären sie anders geworden als sie sind. (lacht)
Deutscher Black Metal: Hm … etwas Fremdscham, Nazi-Assoziationen – und ich merke immer mehr, dass ich selbst immer weniger Black-Metal-Fan bin.
Wenn „numbered“ ein Auto wäre – was für eines wäre es? Ein Oldtimer dessen Verdeck man öffnen kann, um die Welt um sich bei gemütlichem Tempo genießen zu können.
Wladimir Putin: Angst, Unverständnis und Trauer.
Schallplatten: Ich hab letztlich die Probepressung von „numbered“ gehört – auch im Vergleich zur digitalen Version. Und der Unterschied ist wirklich krass. Die Vinyl-Variante klingt einfach viel runder, voller, organischer, zusammengehöriger. Hat mich wirklich richtig begeistert! Ich hatte die letzten Jahre keinen Plattenspieler – aber nach diesem Erlebnis möchte ich mir einen anschaffen!
KLABAUTAMANN in zehn Jahren: KLABAUTAMANN spielt wieder live – mit meinem kleinen Ben an der zweiten Gitarre. Wenn der andere Gitarrist wegläuft, muss man sich halt ’nen neuen machen! (lacht)

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Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
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