Interview mit Brandon Cruz von So Hideous

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Auf „None But A Pure Heart Can Sing“ haben SO HIDEOUS ihren außergewöhnlichen Musikstil auf das nächste künstlerische Level gehoben. Hatten die New Yorker bereits auf ihren früheren Veröffentlichungen Black Metal, Post-Rock und klassische Musik zu emotionsgeladenen, ausgefeilten Stücken verbunden, so hört man ihrer dritten Platte nun auch Einflüsse aus Jazz und Afrobeat an. Warum man auf derartige Genre-Kategorisierungen jedoch nicht allzu viel geben sollte, welches Instrument die Band vergeblich auf dem Album einzubinden versuchte, aber vielleicht noch in Zukunft einsetzen wird und welcher rote Faden sich durch ihre manchmal sprunghaft anmutenden Tracks zieht, hat uns Gitarrist und Keyboarder Brandon Cruz im folgenden Interview verraten.

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Seit ihr das letzte Mal neue Musik veröffentlicht habt, sind fünf bzw. sechs Jahre vergangen. Was hat sich in der Zwischenzeit bei euch getan?
Vaterschaft, neue Jobs, Umzüge und Besetzungswechsel. Es war eine Zeit der Veränderung für unsere verbliebenen Mitglieder. Ich bin dankbar, dass wir all diese Herausforderungen meistern konnten, um etwas Großartiges auf die Beine zu stellen.

Eure Musik war bisher vor allem von Black Metal, Shoegaze und klassischer Musik beeinflusst. Auf eurem neuen Album „None But A Pure Heart Can Sing“ sind nun auch Stilelemente aus Jazz und sogar Afrobeat zu hören. Wie kam es zu dieser Entwicklung?
Ich liebe diese Musikstile und hatte das Gefühl, dass ich künstlerisch endlich an einem Punkt bin, an dem ich diese Seite von mir ausdrücken und frei kreieren kann.

War es schwierig, diese neuen Sounds in euren Stil zu integrieren?
Zum Glück überhaupt nicht. Nachdem wir unser neues Line-up gefunden hatten, brauchte es nur noch harte Arbeit, alles zusammenzufügen.

Werdet ihr auch in Zukunft mit dieser neuen Klangpalette arbeiten?
Ich werde den Sound weiterhin nach eigenem Gutdünken ergänzen und verändern. Ich freue mich darauf, neues Material zu schreiben, das sich von jeder Vorstellung davon löst, was diese Art von Musik „sein sollte“.

So Hideous - Last Poem First Light CoverBlack Metal und Orchestrierungen scheinen auf der neuen Platte hingegen eine etwas kleinere Rolle zu spielen, wodurch die Songs weniger überwältigend, aber etwas dynamischer wirken. War das so von euch gewollt?
Es ist einfach so, wie es sich ergeben hat. Ich schreibe meine Musik nicht mit dem Gedanken: „Dieser Song braucht eine Tasse Black Metal, zwei Unzen Orchester, drei Liter Post-Hardcore“ usw. Das ist albern. Wir spielen das, was uns in dem Moment Spaß macht.

Ihr mischt in eurer Musik viele unterschiedliche Stilrichtungen. Wenn man auch mit Metal-Stilmitteln arbeitet, scheint man jedoch oft darauf festgenagelt zu werden. Wie denkst du darüber?
Ich denke, das ist abgedroschen. Die Diskussion über das Genre oder den Sound, dem man sich zuordnet, wird in einem ungesunden Ausmaß geführt und ist unsinnig. Mir ist das völlig egal.

Es scheinen hauptsächlich Metal-Bands zu sein, die sich in den Bereich der klassischen Musik wagen. Umgekehrt scheinen Künstler*innen aus der Klassik nur selten auf den Metal zuzugehen. Kannst du dir erklären, woran das liegt?
Da müsstest du sie fragen. Ich muss sagen, dass Earl Maneein, unser Lead-Geiger auf diesem Album mit den Seven)Suns, ein viel größerer „Metalhead“ als ich ist.

Ihr scheint außerdem den Post-Rock von Bands wie Mono und Envy sehr zu schätzen, wie man etwa der zweiten Hälfte von „Intermezzo“ anhört. Wie sehr kann man sich deiner Meinung nach dem Stil anderer Künstler*innen nähern, bevor es zu einer Nachahmung oder Idolverehrung kommt?
Ich liebe diese Bands und habe so viel von ihnen gelernt. Trotzdem glaube ich nicht, dass sie ein Monopol auf Clean-Gitarren-Arpeggios, Klavier und Streicher haben. Die Metaller haben erst vor kurzem angefangen, uns nach ihnen zu fragen, als wir sie in die Pressemitteilungen aufgenommen haben.

Im Pressetext zu dem Album steht außerdem, dass ihr mit Clustern im Stil von Penderecki gearbeitet habt. Was hat es damit auf sich? Und kannst du uns ein Beispiel dafür aus eurem neuen Album nennen?
Sobald man bei „None But A Pure Heart Can Sing“ auf Play drückt, gibt es diese kleinen Sekundenton-Cluster. Sie tauchen in „Souvenir (Echo)“ immer wieder auf, zusammen mit einigen Oktav-Glissandi. Es war sehr aufregend, nach einem Leben voller lyrischer Melodien für dieses Album zu schreiben.

Das Album klingt an vielen Stellen sehr herausfordernd, insbesondere das Drumming. Seid ihr beim Entstehungsprozess der Platte mitunter an eure Grenzen gestoßen bzw. gab es etwas, das ihr nicht wie gewünscht umsetzen konntet?
Ich wollte ein japanisches Koto auf „Souvenir“ hinzufügen, aber es hat nicht geklappt. Vielleicht beim nächsten Mal…

„None But A Pure Heart Can Sing“ scheint ein wenig bruchstückhaft zu sein. Die Songs nehmen mitunter sehr abrupte Wendungen und es ist schwer, einen durchgehenden Spannungsbogen zu erkennen. Was würdest du jemandem entgegnen, der das Album deshalb inkonsistent nennt?
Was für manche „inkonsequent“ ist, ist für andere „aufregend und unvorhersehbar“. Für manche ist etwas „konsequent“, für andere ist dasselbe „langweilig“. Das Album basierte auf der Idee der Freude an einer konsequenten Vorwärtsbewegung. Jemandem, der das Album so nennt, würde ich sagen, dass er völlig falsch liegt, aber ich danke ihm trotzdem fürs Zuhören.

Eure Veröffentlichungen sind generell eher kurz – die neue Platte ist kaum länger als 30 Minuten. War das bislang aus deiner Sicht notwendig, um eure Veröffentlichungen nicht mit Füllmaterial aufzubauschen?
Zu 100 Prozent. Ich möchte keine überflüssigen Intro- oder Outro-Tracks einbauen, es sei denn, sie tragen gezielt dazu bei, die Geschichte zu erzählen. Bei diesem Album wollten wir einfach weitermachen und nicht in fünfminütigen Crescendo-Aufbauten schwelgen. Die Zukunft mag anders aussehen, aber im Moment ist das das Gefühl, das wir hervorrufen wollen.

Die Produktion eurer Veröffentlichungen scheint nicht bei allen Fans auf Gegenliebe zu stoßen. Wie siehst du das – ist das bloß eine Frage des Geschmacks oder gibt es tatsächlich etwas, das man deiner Meinung nach am Sound eurer bisherigen Releases verbessern könnte?
Das ist mir neu… Auf jeden Fall müsste ich auch sagen, dass sie sich irren und dass ich ihnen trotzdem fürs Zuhören danke.

„None But A Pure Heart Can Sing“ ist ein recht kryptischer Titel, den man wohl nicht wörtlich nehmen kann, wenn man etwa an die jüngsten Missbrauchsvorwürfe gegen Marilyn Manson oder Alexis Marshall (Daughters) denkt. Wie ist der Albumtitel zu verstehen?
Ich denke, es ist wahrscheinlich nicht das Beste, die meisten Titel in einem allzu wörtlichen Sinne zu verstehen. Ich hoffe, du glaubst nicht, dass Pink Floyd tatsächlich zum Mond geflogen sind. Bei unserem Titel ging es eher darum, die Freude am freien Ausdruck zu finden und die Schönheit der eigenen Arbeit ohne Zynismus. Die eigene Stimme zu finden und das Glück, sie zu teilen.

So Hideous - None But a Pure Heart Can Sing CoverDas elegante Artwork ist stilistisch interessant, obgleich es kaum einen Hinweis auf die dahinterstehende Musik gibt. Was kannst du uns über das Motiv und eure Überlegungen dazu erzählen?
Ich liebe das Artwork wirklich und denke, dass es etwas zeigt, das den Sound der Platte auf den Punkt bringt, nämlich eine Person in einer Art Gefangenschaft, die sich danach sehnt, ihr Lied zu singen.

Die Bilder zu den ausgekoppelten Singles scheinen thematisch zusammenzuhängen. Was verbindet die Stücke inhaltlich miteinander?
Sie wurzeln alle in den bereits erwähnten Aspekten des Strebens nach künstlerischer und persönlicher Freiheit. Man kann verschiedene Teile dieses Prozesses durchlaufen, was Frustrationen oder Mühen angeht, aber das ist alles Teil des Endspiels. Ich genieße jeden Aspekt der Suche nach der Wahrheit in unserer Musik.

Zu dem Track „The Emerald Pearl“ habt ihr außerdem ein Musikvideo herausgebracht, das sich ästhetisch an modernen Spaghetti-Western-Filmen anzulehnen scheint. Wie passt das mit den Texten und der Musik zusammen?
Die titelgebende Smaragdperle steht für das, was man sich am meisten wünscht. Als ich zu Beginn die Gitarrenriffs im Stil von Ennio Morricone schrieb, schien mir das sehr passend für diese Ästhetik, um diese Geschichte zu vermitteln.

Was sind eure nächsten Pläne für SO HIDEOUS?
Schreiben. Spielen. Aufnehmen.

Beenden wir das Interview nun mit einem kurzen Brainstorming. Was fällt dir zu den folgenden Begriffen ein?
Symphonic Metal: Weiß nicht.
Kulturelle Aneignung:
Weihnachtsmusik: Phil Spector
Romantik: In kleinen Dosen.
Musik-Streaming: Ein notwendiges Übel.
Dein Vorsatz für das dieses Jahr: Tu es jetzt.

Nochmals vielen Dank für deine Zeit. Möchtest du noch ein paar letzte Worte an die Leser*innen richten?
Ich möchte mich bei allen bedanken, die unsere Musik gehört oder mit anderen geteilt haben. Es ist eine wirklich schöne Erfahrung, dies immer noch tun zu können. An unsere älteren Fans: Danke, dass ihr zu uns gehalten habt, als wir alles eingeordnet haben. Den neueren Zuhörern danke ich, dass sie dieses neue Kapitel unserer Karriere mitgemacht haben. In dieser Pandemie macht es wirklich demütig, Arbeit zu schaffen, die Menschen zusammenbringt. Wir hoffen, euch auch in Zukunft zu sehen und wünschen euch allen das Beste.

Publiziert am von

Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.

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