Persefone - metanoia - Coverartwork

Review Persefone – Metanoia

PERSEFONE kommen aus dem Fürstentum Andorra und hatten damit schon immer einen gewissen Exotenstatus inne. Auch wenn sie 2021 bereits ihr 20-jähriges Jubiläum gefeiert haben, sind sie darüber leider noch nicht ganz hinaus. „Spiritual Migration“ (2013) und „Aathma“ (2017) waren herausragende Progressive-Death-Metal-Alben, mit denen sich PERSEFONE auch einen gewissen Status aufbauen und reihenweise großartige Kritiken einfahren konnten. Da seitdem, abgesehen von einer Neuaufnahme des Debüts „Truth Inside The Shades“, nichts mehr nachkam, ist das aufgebaute Momentum eventuell etwas verklungen. Mit „Metanoia“ und Napalm Records als großem Label im Rücken kehrt dieses Momentum nun aber mit voller Wucht zurück.

Persephone ist sowohl die Göttin der Fruchtbarkeit als auch der Toten- und Unterwelt – heftige Gegensätze, die sich auch in der Musik von PERSEFONE immer widerspiegeln. Das vorab als Single präsentierte „Merkabah“ ist hierfür ein perfektes Beispiel. Sanfte Akustikgitarrenklänge leiten den Song ein, ebenso sanfter Gesang gesellt sich dazu. Nicht plötzlich, sondern geschickt aufgebaut wird ein wahres Feuerwerk an technischem Können und verschiedensten Emotionen gezündet: Melancholische, harte Riffs betreten die Szenerie, wilde Keyboard- und Drumspielereien kommen hinzu. Finger, Hände und Füße flitzen über Tasten, Saiten, Felle und Pedale. Die bedächtige Stimmung wandelt sich, die melancholisch-schwere Atmosphäre mündet in einen aggressiven Ausbruch mit wütenden Growls und fiesen Screams. Ein Sturm der Emotionen und verschiedener Klangwelten, die sich zu einem Ganzen vereinen, fegt durch die Gehörgänge und wütet im arglosen Kopf des Hörers. So viele verschiedene Elemente, so viel technisches Können, und alles fügt sich zu einem stimmigen, berührenden Song zusammen. Das ist meisterhaftes Songwriting auf allerhöchstem Niveau.

PERSEFONE wissen also nicht nur um ihre kompositorischen Qualitäten, sondern auch um ihr technisches Können, und das ist enorm. So wird „Metanoia“ zu einer Demonstration der progressiven Macht, bei der in manchen Momenten sogar die Mannen von Dream Theater staunend vor den Abspielgeräten sitzen dürften. Im Gegensatz zu den Tracks auf „A View From The Top Of The World“, dem letzten Album der New Yorker, sprudeln die Kompositionen der Andorraner nur so vor Kreativität und spannenden Einfällen. Bei „Architecture Of The I“ etwa wird gefrickelt, gejazzt und soliert, was das Zeug hält, zugleich entsteht eine melancholisch-düstere Atmosphäre, wie sie Bands wie Be’lakor erzeugen. Der Wechsel zwischen harschen, schwarzmetallischen Vocals und poppigem Klargesang sorgt genauso für Abwechslung wie die Mischung aus aggressiven Hochgeschwindigkeitsleads, spacigen Keyboardspielereien und headbangtauglichen Einschüben. Was für eine wildes, grenzenloses Feuerwerk PERSEFONE hier abfeuern, lässt einen staunend zurück.

Ein großes Kunststück ist dabei, dass alle Tracks auch wirklich kohärente Songs sind und nicht nur Stückwerke instrumentaler Inszenierung. Diese Extraklasse zieht sich auf diesem meisterhaften Level, wie oben für „Merkabah“ beschrieben, durchs gesamte Album. Auch ruhige, instrumentale Einschübe wie „Leap Of Faith“ fallen dabei nicht ab und haben mitnichten Füllercharakter: Knisterndes Lagerfeuer, akustische Gitarren und besonnene Orchestrierung erschaffen eine einnehmende Atmosphäre, die es vermag, willige Hörer auf eine Reise mitzunehmen. Mit geschlossenen Augen unter Kopfhörern wirkt die ständig weiter anschwellende Spannung auf ihrem Höhepunkt wie eine emotionale Explosion, in der Band und Hörer gemeinsam eine schwere Katharsis durchlaufen.

Über „Metanoia“ gäbe es noch so viel mehr zu erzählen, jeder Track hätte seinen eigenen, langen Absatz verdient und selbst dann könnte man der magischen Musik von PERSEFONE kaum gerecht werden. Da wären hochkarätige Gastmusiker wie Leprous-Sänger Einar Solberg oder Obscura-Gitarrist Steffen Kummerer. Letzterer gibt sich beim Hauptpart des dreiteiligen „Anabasis“ die Ehre, einem fünfzehneinhalbminütigen Mammutwerk mit bedächtiger Einleitung, wildem und anschwellenden Mittelteil und sanftem, soundtrackartigen Ausklang. „Anabasis Part II“ wartet mit insgesamt vier Gitarristen auf, erzeugt damit eine unglaubliche wuchtige und schädelsprengende Frickel- und Riffmauer – und auch wenn der Song zu gewissen Teilen eine technische Demonstration ist, ist der Song an sich das wichtigste. Dass aber sowohl die technische Demonstration als auch die Songs an sich funktionieren, liegt auch an der überragenden Produktion: Jedes Instrument, jeder einzelne Klang sind glasklar heraushörbar und ergeben ein perfekt aufeinander abgestimmtes Ganzes. David Castillo (u.a. Soen, Opeth, Leprous) hat hier genau den richtigen Mix gefunden.

Beim ersten Hören kann man von „Metanoia“ nur erschlagen werden. Es passiert so viel, in fast einer Stunde bieten PERSEFONE mehr Ideen und Abwechslung, als viele Bands es in ihrer ganzen Karriere vermögen. Von Technical Death Metal über Progressive Rock und Metal, Post-Rock, Black Metal bis hin zu Ambient und Jazz rasen PERSEFONE durch die Genres und scheren sich zu keinem Moment um irgendwelche Grenzen. Das Album braucht seine Durchläufe, um vollends zu gefallen und sich wirklich zu entfalten – vielleicht drei, vielleicht fünf, vielleicht noch mehr. Aber jeder Durchlauf ist es wert, weiter in dieses Meisterwerk einzutauchen. Hat “Metanoia” überhaupt Schwächen? Nein, hat es nicht.

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Wertung: 10 / 10

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