Es geschieht nicht jeden Tag, dass eine Gruppe vormals unbekannter Musiker schon ihr Debütalbum auf einem etablierten Label wie Season of Mist veröffentlichen kann – mag es streng genommen auch nur über dessen Underground-Sublabel sein. Dass MISANTHUR mit „Ephemeris“ einen solchen Senkrechtstart hinlegen, lässt bereits vor dem Hören ihrer Musik vermuten, dass die Polen nicht einfach nur austauschbaren Black Metal spielen. Tatsächlich verarbeitet das Duo auf seiner ersten Platte einige interessante Ideen. Auch mit einer großen Plattenfirma im Rücken können MISANTHUR jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie noch einiges zu lernen haben.
Das Gute zuerst: Bei ihrer musikalischen Erkundung der finsteren Seiten des menschlichen Innenlebens erschließen MISANTHUR eine interessante Grauzone zwischen Black, Doom und Post-Metal. Heftige Klanggewaltausbrüche wechseln sich auf „Ephemeris“ mit in die Länge gezogenen, trüben Gitarrenleads und verlangsamten Rhythmen ab, grimmige Screams und raukehliges Gebrüll treffen auf stoische Clean-Vocals und Spoken-Word-Parts. Selbst mit diesem breiten stilistischen Spielraum begnügen MISANTHUR sich allerdings nicht.
So überraschen sie etwa im Mittelteil von „Enter The Void“ mit einem wunderbar eleganten, jazzigen Klaviereinschub oder in „Essence“ mit kalten, dumpfen Beats und dem hypnotischen Gesang von Gastsängerin Agnieszka Leciak. Vor allem in diesen gemäßigteren Passagen strahlen die Tracks etwas Surreales, der Welt Entfremdetes aus, was zum Teil auch auf die atmosphärische Produktion zurückzuführen ist.
Die Realität holt MISANTHUR jedoch allzu oft auf unschöne Weise ein. Häufig bricht die Band den Bann ihrer Musik, indem sie deren Wirkung überschätzt und einige Teile zu sehr ausschlachtet. Akkorde werden mitunter so oft wiederholt, dass sie all ihren Sinn verlieren, und ein paar Stücke wie das an sich stimmungsvolle „Essence“ erliegen ab einem gewissen Punkt ihrer eigenen Monotonie. Am meisten irritiert jedoch die grobschlächtige Performance der beiden Musiker. Es fällt schwer, sich in „Ephemeris“ hineinzuversetzen, wenn MISANTHUR immerzu unsaubere Töne spielen und ihre Instrumente beispielsweise im plumpen Neunminüter „The Serpent Crawls“ mit dem Fingerspitzengefühl eines Erfrierenden bedienen. Auch der eindimensionale Klargesang trifft nicht immer ins Schwarze.
MISANTHUR haben durchaus einige spannende Ideen, was die Enttäuschung über deren dürftige Umsetzung umso schwerer wiegen lässt. Freilich darf und soll Black Metal über die Stränge schlagen – dem verkopften, betrüblichen und atmosphärischen Stil der Polen steht ihre fehleranfällige Darbietung jedoch nicht gut zu Gesicht. Die vielversprechenden Ansätze der Band werden zudem Mal um Mal von dem erratischen Songwriting untergraben, sodass „Ephemeris“ sich letztlich bloß auf seine kraftvolle und zugleich vielschichtige Produktion stützen kann. Das nächste große Ding im Black Metal werden MISANTHUR vorerst also wohl nicht.
Wertung: 4 / 10