The Agonist Days Before The World Wept Coverartwork

Review The Agonist – Days Before The World Wept (EP)

THE AGONIST hatten in den letzten Jahren nicht immer einen guten Stand. Dem Einstieg von Mitgründerin und Sängerin Alissa White-Gluz bei Arch Enemy folgte der Rauswurf bei THE AGONIST. Mit der neuen Frontfrau Vicky Psarakis änderte sich auch einiges am komplexen, technisch anspruchsvollen Melodic Death Metal der Kanadier: die vertrackte und wenig straighte Ausrichtung wurde zwar beibehalten, der Härtegrad allerdings zurückgeschraubt, der Gesamtsound fiel melodischer aus. Da Psarakis auch stimmlich sanfter und weicher als ihre Vorgängerin unterwegs war, passte die neue Ausrichtung. „Eye Of Providence“ (2015) und „Five“ (2016) wurden zwiespältig aufgenommen: Schlechte Alben waren das nicht, einig war die Metalgemeinde sich aber darin, dass noch weit mehr Potential in der Band steckte, als sie zeigte.

2019 kochte die mediale Fehde zwischen den THE AGONIST und Arch Enemy nochmal hoch: Psarakis behauptete, White-Gluz würde die Veröffentlichung von „Orphans“ verhindern und ihre alte Band aus Verärgerung über die damalige Trennung kleinhalten wollen, was diese postwendend verneinte. Sei es wie es will, mit „Orphans“ jedenfalls haben die Kanadier erstmal seit dem Einstieg Vickys überwiegend positives Feedback erhalten und hatten spätestens jetzt keinerlei Schlammschlacht mehr nötig, um Aufmerksamkeit zu generieren.

Mit „Days Before The World Wept” steht nach sechs Alben nun erstmals eine EP an und bereits das vorab veröffentlichte „Remnants In Time“ bestätigt die positive Entwicklung der Band. Nach einem bedächtigen Piano-Intro legt die gesamte Instrumentalfront mit intensiver Gewalt los, wie sie bisher von THE AGONIST so noch nicht zu hören war. Blastbeats und scharfe Riffs werden begleitet von sinfonischen Klängen, Psarakis schreit und brüllt sich die Seele aus dem Leib. Durch die orchestralen Elemente sowie die Vertracktheit der Songstrukturen und die musikalische Brutalität entsteht stellenweise eine düstere Atmosphäre, die auch Dimmu Borgir gut zu Gesicht stehen würde. Der Opener endet, wie er beginnt, mit Pianoklängen, zu denen Vicky ihre sanfte Singstimme präsentiert. Die Sängerin zeigt auf dieser EP die bisher beste Leistung ihrer Karriere: ihr Klargesang ist anschmiegsamer, angenehmer als bisher, ihre Schreie sind aggressiver und ihre Growls voluminöser. Zugleich klingt sie nun gleichermaßen böser und geschmeidiger als je zuvor, eine beeindruckende Weiterentwicklung seit „Orphans“.

„Days Before The World Wept” erzählt eine Geschichte von Gier, Völlerei, Verwirrung, Schmerz, Erlösung und Hoffnung“ und setzt dieses cinematische Element durch eine Erzählerstimme und symphonische Einsprengsel gelungen um, der Zusammenhalt zwischen den ambivalenten Songs wird gekonnt hergestellt. Die Tracks bieten nämlich eine Menge Abwechslung: „Immaculate Deception“ ist mit seinen Metalcore-/Djent-lastigen Strophen und klar gesungenen Refrains recht straight, „Resurrection“ erinnert mit seinen ständigen Breaks, Wechseln im Gesangsstil und des komplexen Aufbaus an Jinjer. Der abschließende Titeltrack beginnt wieder mit Pianoklängen und versprüht eine leicht melancholische Stimmung. Diese nutzt Vicky, um im Refrain über Blastbeats mit ihren bisher epischsten und beeindruckendsten Klargesängen zu brillieren. Auch wenn die Songstrukturen nach wie vor komplex, technisch anspruchsvoll und progressiv sind und nicht immer ein klarer Strophe-Refrain-Aufbau vorhanden ist: Die neuen Songs sind direkter und kommen mehr zum Punkt, THE AGONIST verzetteln sich nicht mehr in ihren eigenen Konstrukten und agieren somit konsistenter und zielführender als auf ihren Vorgängeralben.

Auch wenn „Days Before The World Wept” nur 23 Minuten an neuem Material beinhaltet, bietet die EP mehr Kreativität, Abwechslung und vor allem Qualität als viele Melodic-Death-Metal-Bands auf ihren Langspielern. Diesem einfachen Label sind die Kanadier mit ihrer anspruchsvolleren und extremeren Ausrichtung aber eh schon entwachsen. THE AGONIST schüren mit diesen fünf starken Songs jedenfalls die Vorfreude auf ein neues Album und positionieren sich hiermit als Anwärter auf den Genrethron.

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