Botanist / Thief - Cicatrix / Diamond Brush Cover

Review Botanist / Thief – Cicatrix / Diamond Brush (Split)

Oberflächlich betrachtet verbindet BOTANIST und THIEF nicht viel. Das erstgenannte Projekt um Mastermind Otrebor kreiert avantgardistischen Black Metal, beim zweitgenannten handelt es sich hingegen um ein experimentelles Electronic-Outlet. Das unwahrscheinliche Bindeglied zwischen den beiden Projekten ist Dylan Neal, der kreative Kopf hinter THIEF, der bei BOTANIST einst das Hackbrett spielte und in der Band bis zuletzt auch anderweitig immer wieder seine Finger im Spiel hatte. Parallel zu seinem Album „The 16 Deaths Of My Master“ (2021) ist mit „Cicatrix / Diamond Brush“ eine Split erschienen, auf der die außergewöhnlichen Klangkunstwerke der beiden Ausnahme-Acts hart aufeinanderprallen.

Die erste Hälfte der Split füllt BOTANIST hauptsächlich mit übriggebliebenem Material aus den Sessions zu „VI: Flora“ (2014). Anders als auf Otrebors jüngsten Veröffentlichungen muss man sich hier also wieder auf einen sehr rohen Lo-Fi-Sound einstellen. Zur Vertonung seiner menschenleeren, von der Flora zurückeroberten Fantasiewelt bedient BOTANIST sich seiner üblichen Stilmittel: heulender Schreigesang, geheimnisvolles Flüstern, ungewöhnlich polterndes Drumming und natürlich das surreale, zum Teil beunruhigend dissonante Hackbrett.

Interessant sind die aus dem Archiv hervorgekramten Stücke definitiv, aufgrund ihrer dürftigen Produktion und ihrer kargen Arrangements wirken sie jedoch nicht völlig ausgereift. Die beiden Remixes der „The Hanging Gardens B-Sides“ (2020) sind hingegen besser gelungen: Sowohl das wundersame, luftige „Balete“ als auch das bedrohliche „Streptocarpus“ geben trotz ihrer reduzierten Kompositionen mehr her und klingen überdies sauberer.

Mit „Hyena“ folgt anschließend eine stilistische 180-Grad-Wende. Ab hier übernimmt THIEF und präsentiert eine kurze Sammlung von Songs, die auf „The 16 Deaths Of My Master“ keinen Platz mehr hatten. Es überrascht daher nicht, dass die zweite Hälfte der Split einige Parallelen zu ebenjenem Album aufweist. Die Samples liturgischer Chorgesänge, zuvor ein prägendes Merkmal des Projekts, wurden von THIEF auf die Rückbank verbannt.

Im Gegenzug reizt Neal die Möglichkeiten elektronischer und instrumentaler Klänge sowie seiner eigenen Stimme weiter aus. Mal schreit der Solomusiker sich inbrünstig die Seele aus dem Leib („Firethroat“), mal raunt er mit der arroganten Lässigkeit eines Marilyn Manson („Acid Queen“) oder drängt sich in tief grollendem Tonfall in die Gehörgänge („Diamond Brush“). Teils zackige, teils stimmungsvolle Electro-Sounds („2700 Years“), ein immerzu knurrender Synthesizer, aber auch rohe Gitarren und wuchtige Live-Drums bestimmen das Klangbild, in dem es wie auf der zeitgleich erschienenen Platte unglaublich viele Details zu entdecken gibt.

„Cicatrix / Diamond Brush“ ist gewiss keine perfekte Veröffentlichung. Das von BOTANIST aufbereitete Songmaterial kann weder der Klangqualität noch der kompositorischen Reife seiner letzten drei Alben das Wasser reichen. Demgegenüber zeigen Neals vielschichtige, ebenso atmosphärische wie angriffslustige Tracks THIEF in seiner aktuellsten Entwicklungsstufe – mag auch nicht jede der poppigeren Gesangseinlagen wie etwa zu Beginn von „Hyena“ vollends überzeugen. Was man der Split jedoch nicht absprechen kann, ist die Einzigartigkeit der Musik ihrer beiden Schöpfer, die hier gerade in der Gegenüberstellung umso deutlicher zu Tage tritt. „Cicatrix / Diamond Brush“ wird nicht allen gefallen, ein interessantes Hörerlebnis ist aber garantiert.

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