Interview mit Patrik Lindgren von Thyrfing

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Acht Jahre haben THYRFING ihre Fans warten lassen – doch ihr starkes Comeback mit „Vanagandr“ war das Warten wert. Warum die Band sich diesmal mehr Zeit gelassen hat als je zuvor, wie Lineupwechsel, aber auch personelle Konstanten THYRFING geprägt haben und warum es mal wieder Zeit für ein neues Bandlogo war, verrät uns Patrik Lindgren im Interview.




Euer letztes Album ist von 2013 – so lange habt ihr noch nie für ein neues Album gebraucht. Was hat euch aufgehalten? Acht Jahre sind eine lange Zeit …
Es gibt viele verschiedene Gründe … aber einer ist sicher, dass wir in diesen Jahren weniger Zeit für die Band hatten. THYRFING ist nicht unser Hauptberuf oder das, womit wir unseren Lebensunterhalt verdienen, sondern eher etwas, das wir machen, wenn wir die Zeit, Inspiration und kreative Momente haben. Ich denke, dass jeder von uns das Gefühl hatte, dass, wenn wir ein weiteres Album machen würden, es so gut wie möglich sein müsste, und wir nichts überstürzen oder irgendwelche Abkürzungen nehmen sollten … sei es bei den Songs oder dem Artwork, den Fotos, Videos … wir wollten einfach, dass dieses Mal alles so gut wie möglich wird.

Aber es geht nicht nur um die Zeit, sondern auch darum, wie sie vergangen ist: Es herrschte völlige Stille, und dann kam auf einmal die Albumankündigung mit der ersten Single. Ist es nicht riskant für eine Band in der heutigen schnelllebigen Zeit, jahrelang fast komplett zu verschwinden?
Ich weiß nicht, ob ich zustimmen kann, dass es eine komplette Stille war … meiner Meinung nach haben wir die Band während dieser ganzen Zeit einigermaßen am Leben erhalten, indem wir jedes Jahr einige Festivals – unter anderem das Wacken und das Summer Breeze Open Air – gespielt haben, zusammen mit ein paar anderen Gigs, und zum ersten Mal neue Territorien wie Russland, Brasilien besucht haben. Aber ja, ich verstehe deinen Punkt und weiß, was du meinst. Die Sache ist die, dass wir wirklich nicht so eine Herangehensweise oder ein Denken vom geschäftlichen Standpunkt aus haben … wir halten uns nicht für eine Art „Industriezyklus“, bei dem wir bestimmte Dinge zu einer bestimmten Zeit tun müssen. Ich weiß nicht, ob manche Hörer oder Fans das als Problem ansehen, aber wenn ja … dann muss es so sein. Natürlich hätten wir das Album gerne früher veröffentlicht, aber wie ich schon sagte … Qualität in allen Schritten ist etwas, das wir immer über Quantität und „schnelle“ Dinge stellen. Ich muss aber sagen, dass ich positiv überrascht bin von all dem großartigen Feedback und dem anhaltenden Interesse während all dieser Jahre … es scheint, dass die meisten THYRFING-Fans eine entspannte und ähnliche Herangehensweise haben wie wir, anstatt dass alle Dinge jetzt sofort passieren müssen.

Thyrfing Band 2021
THYRFING 2021; © Jens Ryden

In der Zwischenzeit hat Peter Löf die Band verlassen und ihr habt keinen festen Keyboarder mehr. Was waren die Gründe für seinen Weggang – und werdet ihr die Position wieder besetzen?
Soweit ich weiß, hatte er einfach keine Lust mehr, keine Motivation und keine Zeit, die er dafür aufbringen konnte. In diesem Sinne war es also ein undramatischer Abschied, auch wenn es natürlich sowohl aus persönlicher als auch aus kreativer Sicht sehr traurig ist, da er eines der Gründungsmitglieder und einer der wichtigsten Songschreiber war. In der Folge war es sicherlich eine Herausforderung, ihn zu ersetzen, und keine leichte Aufgabe. Letztendlich stellte sich heraus, dass wir die beste Lösung bereits in der Band hatten, da unser Bassist – und ebenfalls Gründungsmitglied – Joakim diese Rolle übernommen hat. Er hat einen fantastischen Job gemacht und ich kann mir nicht vorstellen, dass wir ihn durch ein sechstes Mitglied ersetzen werden, solange er bereit ist, das zu tun, was der Fall zu sein scheint.

Ansonsten habt ihr ein sehr konstantes Line-up, es gab nur einen wirklichen Umbruch mit den Abgängen von Thomas Väänänen und Henrik Svegsjö 2006/2007, und Kimmy Sjölund verließ euch 2012. Was ist euer Geheimnis, was macht euch als Band so stabil?
Ja, von der ursprünglichen Band sind nur noch ich und Joakim übrig, aber wir haben das aktuelle Line-up jetzt von Peters Weggang abgesehen seit zehn Jahren. Insofern scheint es eine sehr stabile und starke Inkarnation der Band zu sein. Das hängt wohl mit dem zusammen, worüber wir vorhin gesprochen haben … dass wir einfach keine „Maschine“ sind, die weiterlaufen muss, um unsere Rechnungen und die von anderen Leuten zu bezahlen. Wir stellen die kreativen Aspekte und das Wohlbefinden aller an erste Stelle, was wahrscheinlich einer der Gründe dafür ist, dass sich alle wohlfühlen und eine gute und kreative Zeit in dieser Band haben.

Ich persönlich war vom letzten Album, „De Ödeslösa“, ein wenig enttäuscht: Es zeigte weniger Entwicklung als etwa „Hels Vite“ gegenüber „Farsotstider“. Was verbindest du mit dem Album, was gefällt dir daran – und was vielleicht nicht?
Ich halte es für ein großartiges Album und eines der besten, die wir gemacht haben. Ich würde es sowohl über „Farsotstider“ als auch über „Hels Vite“ stellen, aber das ist natürlich Geschmackssache. Ich habe während der Entstehung dieses Albums eine ziemlich harte Zeit durchgemacht, also verbinde ich vielleicht Emotionen und Gefühle damit, die andere Leute offensichtlich nicht haben.  Ich finde aber in erster Linie, dass es einige großartige Songs und Riffs enthält. Es war unser erstes Album mit unseren neuen Mitgliedern Dennis und Fredrik und erst das zweite mit Jens. Wenn man also bedenkt, dass wir einige neue Mitglieder hatten, finde ich, dass wir ein wirklich starkes THYRFING-Album hinbekommen haben. Vielleicht hätte es ein bisschen mehr „Punch“ und Aggressivität gebraucht … vielleicht wurde es ein bisschen zu „stromlinienförmig“ und es fehlten ein paar Hooks und etwas Bissigkeit. Wir haben das meiste davon selbst produziert, vielleicht hätte es von etwas mehr Feedback und Input von außen profitiert. Aber ja, insgesamt ist es ein gutes Album, denke ich.

Wann habt ihr angefangen, am Material für euer neues Album „Vanagandr“ zu arbeiten?
Wir haben recht früh mit den neuen Songs angefangen, ich glaube, der erste war so um 2015 herum fertig. Dann ging es weiter, aber natürlich in einem sehr langsamen Tempo. Wir haben Demos für alles gemacht und uns wirklich die Zeit gegeben, alles zu bewerten und sicherzustellen, dass wir das Gefühl hatten, dass alle Songs gleich stark sind. Ende 2019, glaube ich, hatten wir endlich das Gefühl, dass wir alles beisammen hatten und es Zeit war, loszulegen, womit wir in die nächste Phase eingetreten sind und alle Details und Pläne für die eigentliche Produktion gemacht haben.

Thyrfing Band 2021
THYRFING 2021; © Jens Ryden

Auf jeden Fall überzeugt das neue Album mit Abwechslung und extrem starken Songs – wo siehst du persönlich den entscheidenden Unterschied zu euren bisherigen Alben?
Danke, freut mich, das zu hören. Ich denke, wir haben es geschafft, ein Album ohne schwache Momente oder „Füller“ zusammenzubekommen … das mag wie eine abgedroschene Floskel eines jeden Musikers klingen, der ein neues Album veröffentlicht, aber ich glaube, wir haben es dieses Mal tatsächlich geschafft. Jeder Song hat seine Daseinsberechtigung und seinen Platz. Wir haben auch generell das Tempo etwas angezogen, und ein bisschen mehr Punch und Aggression in Produktion und Performance gepackt, was das Album fokussierter und markanter macht.

Was bedeutet der Titel „Vanagandr“ und steht er mit einem Albumkonzept in Zusammenhang?
„Vanagandr“ ist ein alternativer Name für die Wolfsgestalt Fenrir, die aus der nordischen Mythologie recht bekannt ist. Der Titel steht in Zusammenhang mit dem Lied „Undergångens Länkar“, das darauf basiert, dass Fenrir bis zur letzten Schlacht und dem Ende der Zeiten gefesselt ist. Es gibt also keine Storyline oder ein klares Konzept für das gesamte Album, sondern eher eine Verbindung zu diesem speziellen Song.

Das Cover-Artwork von Niklas Sundin, der auch das Artwork für „Vansinnesvisor“ gemacht hat, ist eine gelungene Mischung aus „typisch Black Metal“ (düstere Malerei) und moderner Kunst. Warum passt es perfekt zu diesem Album?
Uns war klar, dass es eine große Herausforderung ist, ein Cover mit einer Wolfskreatur zu gestalten, da dieses Bild in der Musik und diesem Genre im speziellen sehr häufig, vielleicht sogar etwas zu oft verwendet wird. Ich glaube, am Ende ist es gut geworden und passt hervorragend zur Atmosphäre und zum Sound des Albums. Es ist markant, aber gleichzeitig auch dramatisch und detailliert.

Bandlogos sind im (Black) Metal quasi ein Kulturgut, zumindest aber ein sehr wichtiges Erkennungszeichen. Bei THYRFING ist es hingegen schon fast Tradition, dass ihr für jedes Album ein neues oder zumindest modifiziertes Logo habt. Warum wollt ihr hier im Wandel bleiben?
Hm, ja, wir haben im Laufe der Jahre einige verschiedene Logos verwendet. Auf „Vansinnesvisor“ hatten wir ein anderes Logo, da dieses Album vom Konzept und dem allgemeinen Artwork und der Stimmung her ein bisschen anders war als unsere ersten drei. Dann haben wir beschlossen, das alte Logo auf dem nächsten Album wieder zu verwenden, allerdings in leicht veränderter Form, mit diesen „baumartigen“ Ornamenten. Wir hatten dieses Logo drei Alben lang, bevor wir jetzt wieder zu einem neuen Logo übergegangen sind. Ich sehe zwar ein, dass es sinnvoll wäre, aus Gründen der Konsistenz am gleichen Logo festzuhalten, aber manchmal funktioniert es einfach nicht mehr oder passt nicht mehr zum Gesamtbild, und da wir es schon einmal geändert haben, ist es von daher wohl weniger dramatisch …

Das bisherige THYRFING-Logo (2005-2020) mit seinen „baumartigen Elementen“.

Nach der Kombination aus klarer Schrift und maximal verschnörkeltem Black-Metal-Logo auf dem letzten Album habt ihr nun ein sehr gut lesbares Logo gewählt. Was war die konkrete Idee hinter dieser Entwicklung?
Genau das: Wir hatten das Gefühl, dass wir etwas brauchen, das lesbar, ein bisschen schlichter und kraftvoller ist. Obwohl wir das vorherige Logo natürlich in vielerlei Hinsicht lieben, ist es natürlich nicht in allen Situationen sonderlich praktisch. In größerem Maßstab und in einer „sauberen“ Umgebung sieht es großartig aus, während es in manchen Situationen, vor allem in kleineren Formaten, einfach zu einem Klumpen wird und überhaupt keinen Sinn ergibt. Also ja, wir wollten etwas, das sich in allen Situationen bewährt. Das heißt nicht, dass wir die Verwendung des alten Logos in bestimmten Situationen ausschließen, und ich bin sicher, dass es in Zukunft hier und da unter den richtigen Umständen auftauchen wird. Aber es ist eben eher eine „Marke“ oder ein Symbol als ein lesbarer Schriftzug.

Langsam gehen die Konzerte wieder los, die ersten Festivals haben bereits stattgefunden – plant ihr eine Tournee für euer Album?
Ja, so scheint es, und wir können nur hoffen, dass es in dieser Richtung weitergeht. Wir haben einige Pläne für Shows in der Mache, aber wir werden sehen, was am Ende dabei herauskommt. Es sind auf jeden Fall noch unsichere Zeiten …

Vielen Dank für das Interview. Zum Abschluss ein kleines Brainstorming:
Stream-Konzerte: Für THYRFING, und für mich als Musikfan würde ich sagen „völlig falsch“, wenn damit diese Streams ohne Publikum und nur mit der Band auf einer Bühne (oder im Wohnzimmer!) gemeint sind. Ich kann natürlich verstehen, warum manche Bands das machen, und dass sie sich in diesen Zeiten etwas einfallen lassen müssen. Aber vom künstlerischen Standpunkt aus gesehen ist es nichts, was mir etwas gibt. Durch das Fehlen von Publikum und Interaktion ist es etwas völlig anderes und hat meiner Meinung nach nichts mit Live-Musik zu tun. Ein klassisches Live-Konzert mit Publikum zu streamen, ist jedoch etwas ganz anderes.
Rainbow „Rising“ CoverDas beste Metal-Album aller Zeiten: Auf diese Frage habe ich im Laufe der Jahre so viele verschiedene Antworten gegeben … und die Tatsache, dass sie fast jedes Mal anders lauten, sollte ein Beweis dafür sein, dass diese Frage unmöglich zu beantworten ist. (lacht) Normalerweise entscheide ich mich für ein Metallica- oder Bathory-Album, aber heute werde ich Rainbow „Rising“ sagen! Ein so perfektes Album. Kein einziger schwacher Moment und eine wunderbare Verschmelzung von klassischem Rock, Proto-Metal und epischen Momenten.
Das Schlimmste daran, (nicht) auf Tour zu sein: THYRFING ist keine Band, die ausgiebig tourt, hauptsächlich spielen wir Festivals und ausgewählte Shows . Das Tourleben ist also nichts, das wir in den letzten Jahren „vermisst“ haben, auch wenn wir natürlich die Möglichkeit, Shows und Festivals zu spielen, vermissen. Ich denke, das Beste am Touren ist, dass man eine gute Routine entwickeln kann, wenn man jeden Abend die gleiche Crew, das gleiche Equipment und die gleichen Abläufe hat. Es ist eine etwas entspanntere Atmosphäre, was die Logistik und die Vorbereitungen angeht, im Vergleich zu einem Festival, wo die Zeit für die Vorbereitungen immer begrenzt ist und das Equipment und das Personal natürlich jedes Mal anders ist. Das Schlimmste ist … nun, da wir es nicht so oft machen, werden wir dessen nicht wirklich überdrüssig, aber ich denke, es kann auf eine gewisse Weise langweilig und repetitiv werden – wie die meisten Dinge, die man jeden Tag für eine gewisse Zeit macht, denke ich.
Wenn euer neues Album ein Auto wäre – was für eines wäre es? Es wäre ein gut gemachtes Auto, in das jemand viel Gedanken und Sorgfalt in jedes Detail gesteckt hat, ohne irgendwelche Kosten zu scheuen. Es wäre wahrscheinlich nicht der auffälligste Sportwagen, der auf der Straße alle Blicke auf sich zieht, aber für diejenigen, die es ausprobieren, wäre es ein lohnender und zuverlässiger Begleiter.
Ein Essen, das dich immer glücklich macht: Alles, was Koriander enthält.
Dein neu entdecktes „Lockdown-Hobby“: Keine Zeit für Hobbys! Bei uns in Schweden gab es nie einen Lockdown, die Arbeit und die Schule liefen tagsüber wie gewohnt weiter. Und meine ganze Freizeit ist in das Album geflossen. Neue Hobbys sind für meine Ruhestandsjahre gedacht, wie es scheint.

Vielen Dank für das Gespräch – die letzten Worte gehören dir!
Gern geschehen und danke für das Interesse. Ich hoffe, dass die Leute sich das Album mal anhören, und dass wir in absehbarer Zeit auch wieder auf den Bühnen stehen können. Prost!

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