Review Wormwood – Arkivet

Naturromantik ist eines der im Black Metal meistbesungenen Themen. Es ist zu einem beträchtlichen Teil der inspirierenden Schönheit mächtiger Gletscher und mysteriöser Wälder zu verdanken, dass diese Musikgattung so „grim“ und „frostbitten“ klingt. Dass gerade diese eindrucksvollen Landschaften wegen der Klimakrise vor dem Aus stehen, hört man jedoch kaum eine Band beklagen. Von der an Realitätsverweigerung grenzenden Unwilligkeit so vieler ihrer musikalisch Gleichgesinnten, für eine klimapolitische Wende einzutreten, haben WORMWOOD offensichtlich die Nase voll. Auf ihrem dritten Album „Arkivet“ finden die Schweden deutliche Worte für den Schaden, den der Mensch auf seinem Heimatplaneten anrichtet.

Wer heute noch abstreitet, dass unser unersättliches Streben nach wirtschaftlichem Wachstum dazu geführt hat, dass unser ökologischer Fußabdruck auf der Erde eine Spur der Verwüstung hinterlässt, ist entweder völlig vernunftresistent oder einer der wenigen Profiteure dieses bösen Spiels. Es verwundert daher nicht, dass WORMWOOD auf der gut 45 Minuten langen Platte einen vorwurfsvollen und pessimistischen Ton anschlagen. Er steckt vor allem in den grimmigen, kernigen Screams, während die kraftstrotzenden Gitarrenriffs und Leadmelodien – insbesondere in der betrüblichen, mit sphärischen Synthesizern endenden Midtempo-Nummer „The Slow Drown“ – tiefste Melancholie ausdrücken.

Und doch wohnt den Tracks auch eine unbeugsame Erhabenheit inne, die sich immer wieder in epischem Tremolo-Picking und hymnischen Clean-Vocals entblößt. Die Rock- und Folk-Einflüsse, die WORMWOOD schon auf ihren ersten beiden Studioalben an den Tag gelegt haben, fügen sich auch hier wieder stimmig in die Songs ein. Trotz des todernsten Textkonzepts wirken die auflockernden Einschübe wie die lässigen Soli und Clean-Gitarren-Passagen („Overgrowth“) sowie die Streicher im schwungvollen „My Northern Heart“ keineswegs fehl am Platz. Sie gereichen den Tracks zu mehr Einprägsamkeit, ohne den melodischen Black Metal der Band allzu sehr aufzuweichen.

Den Höhepunkt des Albums haben WORMWOOD sich für den Schluss aufgehoben: das neunminütige „The Gentle Touch Of Humanity“, in dem die Gitarren besonders imposant und drängend klingen und in dessen Zentrum ein Gewirr von Samples aus Fernsehberichterstattungen über die Zerstörung unserer Umwelt steht. Deutlicher hätte das Quintett seine Botschaft nicht vermitteln können.

Ob WORMWOOD mit „Arkivet“ das starke „Nattarvet“ (2019) übertrumpfen konnten, ist nicht leicht zu beurteilen. Ein paar kleine Kritikpunkte lassen sich schon finden – etwa der leicht schwächelnde Drum-Sound und die hin und wieder etwas zu abrupten Überleitungen zwischen einzelnen Songabschnitten. Insgesamt haben WORMWOOD mit ihrem weißen Album aber ein packendes, markantes Werk kreiert und damit zugleich ein wichtiges Statement gesetzt, das bislang unbedarften Black-Metal-Fans hoffentlich den Ernst unserer ökologischen Lage begreiflich machen wird. Immerhin liefern WORMWOOD ihnen damit einen triftigen Grund für die in dem Genre oft undifferenziert propagierte Misanthropie.

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Wertung: 8 / 10

Publiziert am von Stephan Rajchl

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