Mystizismus ist ein Thema, mit dem viele Black-Metal-Bands sich in ihrer Musik auseinandersetzen. Da die meisten Interpret*innen des schwarzen Genres im europäischen und US-amerikanischen Raum beheimatet sind, beziehen sie ihre lyrischen Inspirationen üblicherweise aus in diesen Breitengraden als „westlich“ angesehenen Quellen. Dass FYRNASK ihr viertes Studioalbum „VII – Kenoma“ hingegen inhaltlich auf „Musibatname“, das „Buch des Leidens“ des persischen Poeten und Sufisten Fariduddin Attar, stützen, ist vor diesem Hintergrund etwas Besonderes. Das Wissen darüber, was genau es mit den Songtexten auf sich hat, bleibt zwar jenen, die der isländischen Sprache mächtig sind, vorbehalten. Allein wie FYRNASK ihre Überlegungen musikalisch kommunizieren, lässt jedoch einiges erahnen.
Wer mit den bisherigen Veröffentlichungen der Deutschen vertraut ist, weiß, dass das im Black Metal oft bemühte Adjektiv „rituell“ bei FYRNASK nicht bloß eine leere Worthülse ist. Tatsächlich steckt etwas Zeremonielles darin, wie stoisch die Band ihre bis zu 13 Minuten langen Stücke wie den Opener „Hrævaþefr“ – oft mittels desolater Clean-Gitarren, Perkussionen, sphärischer Geräuschkulissen und flüsternder Stimmen – aufbaut. Nach und nach bäumen die Kompositionen sich auf, um sich schließlich in all ihrer Übermacht zu entblößen.
Wenn FYRNASK mit Schreigesang, imposanten Gitarrenriffs und gleichsam überwältigendem Drumming ihren infernalischen Black Metal entfesseln, sieht man die Band vor dem inneren Auge eine Wesenheit lovecraft‘schen Ausmaßes heraufbeschwören. Beinahe vergisst man während dieser Passagen, dass man eben doch bloß Menschen und ihren Instrumenten lauscht. Es versteht sich wohl von selbst, dass „VII – Kenoma“ ebenso wenig mit Easy Listening zu tun hat wie sein Vorgänger „Fórn“ (2016). Seine Stärke liegt weder in vordergründigen Ohrwurmmelodien noch in zum ausgelassenen Headbangen anregender Rhythmik. „VII – Kenoma“ ist keine Platte, die man sich zwischendurch aus einer Laune heraus auflegt.
Schenkt man FYRNASK jedoch bewusst Aufmerksamkeit, wird man auf ihrer siebenten Veröffentlichung (inklusive Demos und dergleichen) eine Stunde lang durchgehend zum Staunen gebracht. Das liegt zum einen an der nuancierten Produktion, zum anderen insbesondere am wohlüberlegten Songwriting. Sogar den intensiveren Parts wohnt etwas Meditatives inne, sodass das karge Outro „Blótguð“ mit seinen bedrückenden, wortlosen Gesängen, bauchigen Perkussionen und tristen Streichern nicht etwa als deplatzierter Umbruch dasteht, sondern das Album auf stimmige Weise auflöst.
Ganz wie das Textkonzept, dem FYRNASK sich auf „VII – Kenoma“ verschrieben haben, ist auch der musikalische Aspekt der Platte nur mit Mühe zu erfassen. Single-taugliche Hits, eingängige Hooklines oder gar Mitsing-Refrains sucht man hier vergebens. Es ist ein Album, das am Stück gehört werden muss und doch selbst nach mehrmaligem Hören nie all seine Geheimnisse preisgibt. Ist man dazu geneigt, sich auf Musik als spirituelles Erlebnis einzulassen, wird man von FYRNASK jedoch unweigerlich beeindruckt – selbst, wenn man ihr Mysterium nie ganz begreifen wird.
Wertung: 8 / 10