GARBAGE zählten sogar in den verrückten 90ern zu den spannendsten Bands des Planeten. Mit ihrer Mischung aus Rock, Techno, Pop und ein bisschen Shoegaze, satten Riffs und hämmernden Beats, ruhigen Tönen und dem Phänomen Shirley Manson am Mikrofon beglückte und verstörte die Band Fans und Kritiker gleichermaßen. Vier Jahre nach „Little Birds“ sind GARBAGE nun wieder da und legen ihr siebtes Studioalbum vor, welches auf den Namen „No Gods No Masters“ hört. Dass der Titel ein anarchistischer Slogan ist, der sich bis ins 19. Jahrhundert zurückverfolgen lässt, ist dabei sicher kein Zufall.
Inspiriert wurde die Platte von den sieben Leiden Marias und zeigt die Band einmal mehr von ihrer unberechenbaren und abwechslungsreichen Seite. So sind die ersten Töne von „No Gods No Masters“ das Geräusch von Slotmaschinen, die dem Spieler das große Glück versprechen. Dieses bleibt jedoch eine unerreichbare Illusion, wie Manson im Text zum Opener „The Men Who Rule The World“ deutlich macht und ganz nebenbei den lyrischen Grundtenor der neuen Platte offenbart – es geht um Gesellschaftskritik.
Das ist angesichts des Titels kaum verwunderlich und wirft zugleich die Befürchtung auf, dass sich die Band textlich in Allgemeinplätzen und Plattitüden verlieren könnte. Im gleichen Moment zerschlägt Manson mit ihrem Gesang sämtliche düsteren Vorahnungen und begeistert mit Texten, die nicht nur clever formuliert sind, sondern auch mit der Art ihres Vortrags begeistern. Im Marschtempo gehalten, getragen von einem funkigen Bass, spärlichem Gitarreneinsatz und verzerrten Syntheffekten prangert die Combo den Missbrauch von Reichtum und Macht sowie die patriarchalischen Strukturen der westlichen Welt an. Das könnte prima zu stumpfem Anarcho-Punk passen, wird in den Händen von GARBAGE jedoch zu echter Kunst.
Im Laufe der Platte bleiben die Synths als tragendes Element vorhanden, auch wenn die Band auf deren Basis stark variierende Songs aufbaut. „The Creeps“ beispielsweise überzeugt mit einer stark verzerrten Melodie und schnellerem Tempo, was dem Song eine aggressivere Punk-Rock-Note verleiht. Im krassen Gegensatz dazu steht „Uncomfortably Me“, welches sehr ruhig gehalten und von einem pulsierenden Bass vorangetrieben wird. Mit einer unheimlich schönen, samtweichen Gesangsleistung legt sich Mansons Stimme wie eine warme Decke um den Hörer. Zugleich erhält man Einblick in die innere Zerrissenheit der Sängerin, was den sanften Gesang wunderbar kontrapunktiert. So erzählt sie vom steten Bedürfnis, all ihren Kritikern zu gefallen und dem simultanen Wunsch, ihnen ins Gesicht zu spucken.
Der ruhigste Track auf „No Gods No Masters” ist allerdings „Waiting For God”, das nur aus leichten Ambient-Synth-Beats besteht, während Manson mit sanfter und zugleich tieftrauriger Stimme über die fortwährende Polizeigewalt gegen Afroamerikaner singt. Eine dermaßen beklemmende Atmosphäre zu erschaffen ist wahrlich nicht leicht, GARBAGE gelingt es in grandioser Manier. Doch auch einen locker-leicht-poppigen Track haben GARBAGE auf „No Gods No Masters“ untergebracht. „Flipping The Bird“ klingt mit seiner leichten Gitarrenmelodie nach Sommer, während Manson darüber singt, es den Leuten, die sie nicht leiden kann, einfach mal so richtig zu zeigen. Abgerundet wird die Platte mit dem rockigen Titeltrack und dem leicht jazzigen „This City Will Kill You“, welches mit dem Einsatz von Hörnern und Streichern dem Album eine weitere Facette hinzufügt.
Mit „No Gods No Masters” haben GARBAGE ein Album geschrieben, das die soziopolitische Kritik nicht nur in intelligente Texte packt, sondern durch den Fokus auf die emotionalen Auswirkungen der Missstände die Thematik für den Hörer greifbar macht. Die Band gibt keine Antworten auf die großen Fragen und greift auch nicht direkt die Mechanismen hinter den gesellschaftlichen Problemen an. Vielmehr zeigt sie auf, wie die Leben der Menschen von diesen Schieflagen beeinträchtigt werden. GARBAGE ist mit „No Gods No Masters“ ein großartiges Album gelungen, das zu gleichen Teile berührt und begeistert.
Wertung: 9.5 / 10