Post-Rock ist in aller Munde, hat sich doch nach der Jahrtausendwende eine umfangreiche Szenelandschaft herauskristallisiert, die vor allem eins verbindet: Das Loslassen von den Konventionen, die klassisches, textorientiertes Songwriting so mit sich bringen. Aber gibt es einen roten Faden, einen Aspekt, der all diese sehr unterschiedlich geprägten Musiker und Bands verbindet? Dieser Frage möchte Jack Chuter mit „Storm Static Sleep: A Pathway Through Post-Rock“ nachgehen. Keine einfache Aufgabe, wie sich auf den 295 Seiten in englischer Sprache zeigen soll.
Grundlage für Chuters Nachforschungen ist eine der ersten Erwähnungen des Begriffs „Post-Rock“ in den frühen 1990er Jahren durch den Musikkritiker Simon Reynolds. Eine erste Spur ist dessen Aussage „to use rock instrumentation for non-rock purposes“ (in etwa mit „die Verwendung eines Rock-Instrumentariums in einem nicht-rockigem Kontext“ zu übersetzen) und der Umstand, dass viele der frühen sogenannten „Post-Rock-Referenzwerke“ wie zum Beispiel „Spiderland“ von Slint oder Talk Talks „Spirit of Eden“ von einem ausgeprägtem Spiel mit Lautstärkeverhältnissen, der Dynamik, geprägt sind. Durchaus ein Merkmal, dass auch viele moderne Genrevertreter wie Mogwai oder God Is An Astronaut auszeichnet.
Chuter hat im Rahmen der Recherchen Interviews mit über 30 Musikern und Produzenten (u. a. Stuart Braithwaite von Mogwai, Producerlegende Steve Albini oder Takaakira Goto von Mono) geführt. Spannend dabei ist, dass er die Gesprächspartner mit Fragen zu ihrer Musik konfrontiert, mit denen sich die Musiker bis dato in ihrem Schaffen oftmals nicht wirklich beschäftigt haben – was zu durchaus persönlichen Anekdoten führt, wenn zum Beispiel Goto über die für ihn durchaus therapeutische Wirkung von Monos Musik spricht oder Niels Kinsella von God Is An Astronaut der Post-Rock-Szene eine gewisse elitäre Attitüde, um nicht zu sagen: Arroganz, attestiert.
Dabei driftet „Storm Static Sleep: A Pathway Through Post-Rock“ aber niemals in gehaltlosen Gossip ab, sondern bleibt stets spannend, da die Motivation der Musiker, sich weiterzuentwickeln und von klassischen Strukturen zu lösen, im Vordergrund steht. Und es zeigt sich, wie groß die musikalische Bandbreite in dieser Schublade ist: Chuter räumt sowohl den experimentelleren Bands wie Tortoise, als auch den Indie-lastigeren Vertretern wie Disco Inferno Platz ein, ignoriert dabei aber auch nicht die metallischere Seite, verkörpert durch Bands wie Neurosis oder Isis – viele von ihnen verbunden durch eine gewisse Atmosphäre in Form von sich bis zum Crescendo steigernden und durchaus kopfkino-kompatiblen Soundlandschaften, die einen wesentlichen Reiz des Genres ausmachen.
„Storm Static Sleep: A Pathway Through Post-Rock“ ist für alle, die wissen wollen, wo diese recht eigene Rock- und Metalvariante ihren Ursprung hat, eine durchaus empfehlenswerte Lektüre. Wobei der Leser nicht den Fehler machen darf, eindeutige Antworten auf all seine Fragen zu erwarten. Denn wie so oft bei schleichenden, organischen Prozessen, kann hinterher keiner so ganz genau sagen, warum es so und nicht anders gekommen ist.
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