Review Sturmgeist – Operation Zion

Black Metal ist davon geprägt, „anti“ zu sein: „Anti-Human/Anti-Life“, antichristlich und leider viel zu oft auch antisemitisch. Bei einem Albumtitel wie „Operation Zion“ schrillen da natürlich die Alarmglocken – zumal die Band STURMGEIST heißt. Oder aber: Obwohl die Band STURMGEIST heißt und Freunden avantgardistischen Black Metals als Solefald-Sideproject ein Begriff sein könnte. Was für ein Unsinn.

Denn natürlich ist Cornelius von Jackhelln, studierter Philosoph, aufgeklärter Autor und musikalischer Visionär, nicht überraschend ins Lager tumber Provokateure oder gar das gefährlicher Faschisten gewechselt – im Gegenteil. Vielmehr ist einfach die Prämisse falsch: „Operation Zion“ ist nicht „anti irgendetwas“, sondern „pro“, sozialistisch-zionistischer Black Metal quasi. Auch das wirft natürlich Fragen auf – die naheliegendste, wie ein in Berlin lebender Norweger ohne jüdische Wurzeln auf diese Idee kommt und was er damit bewirken möchte. Das beantwortet Jackhelln dankenswerterweise im Vorwort des Booklets sehr klar: „Wenn ich frei genug war, mich in meiner Kunst mit deutscher und germanischer Identität auseinanderzusetzen, dann bin ich auch frei genug, mich mit Israel, der Nation und dem Volk zu solidarisieren – ohne jedoch die Verletzungen grundlegender Menschenrechte seitens der aktuellen Regierung gegenüber dem palästinensischen Volk gutzuheißen.“

Dass der Themenkomplex Israel auch mit hehren Absichten einem Minenfeld gleicht, dessen ist sich Cornelius von Jackhelln bewusst – immerhin kommen STURMGEIST mit ihren ironisch teutonisch geprägten Werken („Über“, 2006) aus nicht minder gefährlichem Terrain. Auch daraus leitet der Musiker seine Mission ab: „Germanische Themen in einer extremen musikalischen Form zu verarbeiten, wie es das Markenzeichen von STURMGEIST in der Vergangenheit war, bringt eine Verantwortung mit sich, besonders in einer Szene, in der antisemitische Äußerungen getätigt wurden. Denjenigen, die einwenden mögen, dass Musik nicht politisch sein sollte, kann ich nur antworten: Manchmal muss sie das wohl sein.“ Dass in das Projekt „Operation Zion“ neben Jackhelln selbst ausschließlich jüdische Musiker involviert waren, ist also kein Zufall, sondern ein Statement gegen ebenjene antisemitischen Umtriebe in der Szene. Dahingehend der Coup schlechthin ist, dass als Schlagzeuger Nir Nakav von der israelischen Band Salem mitwirkt, die dereinst von Varg Vikernes verunglimpft wurden.

Musikalisch klingt, was Jackhelln mit seinen israelischen Freunden aufgenommen hat, erwartbar unerwartet: Den martialisch-pompösen Hanzel-und-Gretyl-Touch von „Über“ sucht man diesmal vergeblich – aber auch der rohe Black Metal, der das musikalisch gar nicht so futuristische Manifesto Futurista“ (2009) prägt, ist nur stellenweise ein Faktor. Stattdessen klingen STURMGEIST diesmal überraschend ruhig, längst nicht nur das Intro ist von Klargesang und sanften Klängen dominiert. „Jerusalem Syndrome“ erinnert sehr deutlich an Solefald, „Liberation In Berlin“ mit seinem pathetisch gesprochenen Text könnte von Laibach stammen und auch sonst passiert auf „Operan Zion“ viel: Synthies und orientalische Instrumente, eine geträllerte Frauenstimme und Sprechgesang sind die avantgardistschen Elemente. Als Bindeglied fungiert das nicht wirklich extravagante, aber gerade darin für STURMGEIST und Solefald typische Riffing und Screaming.

Als Textsprache wird munter zwischen Französisch, Deutsch, Norwegisch und Hebräisch gewechselt, inhaltlich beschreibt Jackhelln mal das Projekt an sich („Sturmgeist left Berlin for Operation Zion …“, aus: „Jerusalem Syndrome“), mal die Befreiung Deutschlands („Berlin from above through the silver clouds – Is this what they saw in 1945“, aus: „Liberation In Berlin“) und droht zwischendurch auch mal dem IS („Come IS barbarians – with your beards and black flags – You’ll return to where you came from – in black body bags“, aus: „Satanic Verses“). Das wirkt vielleicht ein wenig willkürlicher als erwartet, verwirrt beim Hören aber lediglich im norwegisch getexteten „Eg Skal Vera Jöde“, in dem unerwartet Begriffe wie „Mahnmal der ermordeten Juden Europas“ oder „Pariser Platz“ auftauchen. Und besser als pseudo-böse Anti-Texte ist es allemal.

Das größte Manko an „Operation Zion“ ist, dass das Album (physisch) kaum zu bekommen ist – außer etwa als Import über israelische Onlineshops. Das ist fast ironisch, da es ein weiteres Ziel des Projektes war, gegen den Jackhelln zufolge in Norwegen weit verbreiteten kulturellen und wissenschaftlichen Boykott Israels zu protestieren. Wer sich aber ernsthaft für dieses vierte STURMGEIST-Album interessiert, wird dessen auch habhaft werden. Für aufgeschlossene ([Black]-Metal-)Hörer lohnt die Mühe: Die Musik ist verschroben, klar, aber eben auch einmalig – und schon als Statement bemerkenswert.

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Wertung: 8.5 / 10

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