Interview mit Markus Stock von Empyrium

Nach sieben Jahren des Wartens sind EMPYRIUM endlich mit einem neuen Werk zurückgekehrt. Nach dem eher experimentellen „The Turn Of The Tides“ setzt das Duo auf „Über den Sternen“ zwar wieder verstärkt auf alte Tugenden, dennoch ist das Album weit mehr als eine bloße Rückbesinnung auf die Wurzeln der Band. Wie Projektkopf Markus Stock über seine Frühwerke in Gegenüberstellung mit seinen jüngsten Veröffentlichungen denkt, was „Über den Sternen“ aus seiner Sicht mit Judas Priests „Painkiller“ gemein hat und wie ausgerechnet ein Hackbrett seinen Weg auf die Platte gefunden hat, haben wir im folgenden Interview von dem Multiinstrumentalisten erfragt.

Die derzeitige Pandemie hat unter anderem der Musikbranche schwer zugesetzt. Soweit ich weiß, seid ihr hauptberuflich Musiker. Wie kommt ihr in dieser prekären Situation zurecht?
Wir beide leben exklusiv von Einkünften aus musikalischer bzw. kreativer Tätigkeit, weswegen es natürlich dieses Jahr teils zu recht großen finanziellen Einbußen kam. Trotz allem kommt man über die Runden und es gibt viele Dinge an der ganzen Situation, die mich doch weitaus mehr tangieren als die finanziellen Einbußen.

Einige Bands haben versucht, die Einbußen mangels Konzerten durch spezielles Merch oder Streaming-Shows zu kompensieren. Habt ihr solche Ansätze auch in Erwägung gezogen bzw. ist das noch eine Option für euch – etwa für den Fall, dass eure ohnehin schon verschobenen Shows doch ganz ausfallen müssen?
Streaming-Shows interessieren mich tatsächlich nicht sonderlich, auch wenn wir da dieses Jahr eventuell noch eine Ausnahme machen werden. Prinzipiell bin ich aber generell nicht der große Freund des Reproduzierens und Interpretierens, sondern mein Augenmerk liegt ganz klar auf der kreativen Seite als Musiker/Komponist/Texter und auch in meiner täglichen Arbeit als Produzent und Mixing/Mastering-Engineer. Ich betreibe ja auch einen Merch-Shop, welcher meine musikalischen Projekte umfasst und da habe ich dieses Jahr natürlich ein bisschen mehr Umsatz forciert – auch durch das Wiederbeleben eines sehr alten Hobbys von mir – der Landschaftsfotografie – konnte ich dieses Jahr den einen oder anderen Umsatzverlust kompensieren durch das Verkaufen von Drucken und Kalendern mit meinen Fotografien.

Euer letztes Album „The Turn Of The Tides“ war nach euren Akustik-Platten ein markanter Umbruch, der wohl nicht all eure Fans begeistert hat. Wie denkst du rückblickend über das Album?
Ich persönlich mag „The Turn Of The Tides“ immer noch sehr und es war genau die richtige Platte für uns zur richtigen Zeit. Der Titelsong ist für mich einer der innigsten und besten Songs in unserem gesamten Schaffen. Natürlich ist der Song unglaublich nach innen gerichtet und deshalb eher etwas unscheinbarer. Ich las sogar mal in einem Review, er wäre ja nur ein überlanges Outro. So verschieden kann die Wahrnehmung sein… „Über den Sternen“ ist natürlich in seiner Gesamtheit und den Themen gerecht werdend in manchen Momenten sehr viel extrovertierter und erhabener.

Euer neues Werk „Über den Sternen“ scheint hingegen sehr positiv aufgenommen worden zu sein, was nach sieben Jahren Wartezeit und der stilistischen Ausrichtung der Platte vielleicht nicht ganz unerwartet kommt. Habt ihr vorab mit einer derart überschwänglichen Resonanz schon gerechnet?
Jein. Man konnte irgendwo ob der Ausrichtung des Materials damit rechnen, aber so genau weiß man es ja vorher eh nie. Es freut einen natürlich, aber es ist nicht das Wichtigste. Ich habe oft mit Thomas während der Entstehungszeit des Albums darüber geredet, wie schwer es uns mittlerweile fällt, Musik freizugeben und sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Der Prozess des Erschaffens ist für mich der Zweck der Kreativität und auch der heilsame Aspekt. Oftmals würde ich sie gerne einfach für mich behalten und ihr die uneingeschränkte Liebe schenken, die sie verdient. Klingt jetzt ein bisschen nach Gollum… (lacht)

Ihr habt zum Release eures neuen Albums erwähnt, dass ihr über längere Zeit daran gearbeitet habt. Wie seid ihr die neuen Songs angegangen und wie haben sie sich während dieser Entstehungszeit entwickelt?
Die ersten Ideen für „Über den Sternen“ entstanden bereits 2016. Es war aber ein langer Weg bis zur Fertigstellung. Wir haben in mehreren einwöchigen Sessions in meinem Studio (Klangschmiede Studio E) über die Jahre an den Songs gearbeitet. Letztlich entschied ich mich dann 2019 dazu, nochmal alle Drums neu einzuspielen, um gewisse Mängel auszumerzen und dem Album einen einheitlicheren Sound zu verpassen. Das war „a pain in the ass“, wie der Brite zu sagen pflegt, musste aber sein. In einer weiteren mehrtägigen Session habe ich dann sehr viel Hackbrett gespielt, wovon wir letztlich nicht alles auf der Platte verwendet haben, aber oftmals hat das Hackbrett dann Piano-Parts oder Gitarrenstimmen übernommen und so dem Album nochmal mehr Atmosphäre eingehaucht. Ganz zum Schluss kam dann nochmal eine einwöchige Vocal-Session, in der wir beide unsere Vocals aufgenommen haben. Hier und da immer wieder kleinere zusätzliche Sessions mit den Gastmusikern (Flöte, Cello, Violine, Viola) und schlussendlich habe ich das Album dann im Frühjahr 2020 gemischt und gemastert.

Auf „Über den Sternen“ setzt ihr wieder vorrangig Stilmittel ein, die man von euren früheren Veröffentlichungen kennt. Warum habt ihr euch nun wieder eher eurer Vergangenheit zugewandt, anstatt wie zuletzt ganz neue Wege zu gehen?
Es ist – um ehrlich zu sein – einfach so passiert. Ich denke, auch ein wenig durch meine Rückbesinnung auf die Wurzeln mit Sun Of The Sleepless oder das „Performen“ der „Songs Of Moors…“-Songs im Live Kontext hat uns diese emotionale „Wucht“ der Neunziger wieder mehr in seinen Griff bekommen, was sich dann dementsprechend auf dem Album manifestiert hat.

Bist du der Ansicht, dass „Über den Sternen“ eurer Diskografie dennoch etwas Neuartiges hinzufügt?
Meine erste Frage wäre: Ist das wichtig? Und meine Antwort ist: Womöglich nein. (lacht) Es gibt einige Arrangements, die Benutzung des Hackbretts etc., die wir früher nicht so gemacht haben, aber sonst enthält es natürlich alle Elemente, die man von früheren Alben schon so kennt.

Produktionstechnisch ist eure neue Platte wesentlich ausgefeilter als eure Frühwerke und zugleich stilistisch breiter gefächert als eure Akustik-Alben. Ganz banal gefragt: Macht dies „Über den Sternen“ aus deiner Sicht zu eurem besten Album?
Nein, dies alleine macht „Über den Sternen“ natürlich nicht zu unserer besten Platte und es obliegt mir auch nicht, das selbst zu beurteilen. Freilich ist immer das, woran man jungst gearbeitet hat, als Künstler auch das, was einem emotional am Nächsten steht, aber es gibt sehr viele Dinge, die für mich persönlich eine Platte wertvoll machen und da spielt die Produktion und die Reife der musikalischen Darbietungen nicht immer eine herausgestellte Rolle. Der emotionale Inhalt von Musik und wie stark sie mich erreicht, ist sicher das Wichtigste. Da könnte ich unzählige Beispiele nennen (Emperor, Mortiis, Burzum, Gehenna etc. etc.), wo die Frühwerke aus Sicht der Produktion oder musikalischen Reife nicht sonderlich herausragend waren, die erzeugte Atmosphäre und der emotionale Inhalt jedoch unerreicht bleiben für das jeweilige Projekt. Auch muss man sehen, dass ich zur Zeit von „A Wintersunset…“ gerade 17 geworden war, null Erfahrung hatte, das Album in vier Tagen aufgenommen und in einem Tag „gemischt“ wurde und ich im Gegensatz heute an unzähligen Alben als Songwriter und Multiinstrumentalist gearbeitet und mehrere 100 Alben von anderen Bands in meinem Studio produziert habe. Ähnliches gilt natürlich auch für Thomas. Genau deswegen liegt die Schwierigkeit eher darin, die musikalische Unbeschwertheit, Reinheit des Ausdruckes und ja – Naivität – von früher zumindest teilweise wieder heraufzubeschwören und mit der Reife von heute zu verbinden.

Vielen gelten selbst eure ungeschliffeneren Alben wie „A Wintersunset…“ als wichtige Klassiker. Denkst du, dass es bei „Über den Sternen“ auf lange Sicht genauso sein wird?
Das kann nur die Zeit beantworten. Und wie ich vorher schon sagte: „Geschliffenheit“, „Reife“, „Erfahrung“ alleine sind keine Merkmale, die Musik für mich wertig machen. Dann wäre es bloßes Handwerk und das ist sehr, sehr schal. Gemeinhin gilt „Songs Of Moors And Misty Fields“ bisher als der größte Klassiker in EMPYRIUM’s Diskografie und mir ist auch bewusst, warum das so ist. Man spürt aus jeder Note den „Sturm und Drang“, der der Musik innewohnt. Jede Millisekunde ist erfüllt von jugendlicher Leidenschaft. Ich hoffe, dass „Über den Sternen“ eine Art „Painkiller“ in unserer Diskografie wird. Ein späteres Rückkehren zu einer „wilderen“ Form des Ausdrucks.

Eine gewisse Neuerung ist jedenfalls, dass das Hackbrett auf dem Album eine sehr präsente Rolle spielt. Was hat euch dazu inspiriert, dieses im Metal recht selten anzutreffende Instrument in euren Sound zu integrieren?
Der ganz simple Fakt, dass ich vor zwei Jahren ein gebrauchtes, altes Hackbrett gekauft habe. (lacht) Ich habe es ja schon auf der letzten Sun-Of-The-Sleepless-Veröffentlichung (der Split mit Cavernous Gate) recht ausgiebig benutzt. Die Inspiration, ein Hackbrett überhaupt zu kaufen und auszuprobieren, kam natürlich durch Dead Can Dance, aber auch durch ein paar Youtube-Videos, die ich gesehen habe, wo Zauberhaftes auf dem Hackbrett dargeboten wurde.

Inhaltlich spielt die Naturmystik bzw. Naturromantik nach wie vor eine große Rolle in euren Songs – ein Thema, das schon immer ein prägendes Merkmal eurer Musik war. Ist es nach fünf Alben nicht schwer, sich in dieser Hinsicht nicht zu wiederholen?
Nein, nicht zwingend. Die Natur ist ja immer und jederzeit in stetigem Wandel – wie auch der Mensch als Teil der Natur ein Teil dieses Wandels ist. Insofern sind die Facetten, die Blickwinkel und Themen unerschöpflich. Es gibt sicher einzelne Themenbereiche, die irgendwann erschöpft sind, aber generell ist dieses Gebiet der Inspiration schlicht unendlich.

Immer mehr Arbeit findet heute vor dem Bildschirm statt – da kann man mitunter schon das Gefühl bekommen, seinen Bezug zur Natur zu verlieren. Wie lässt sich deiner Meinung nach das Sehnen nach Natürlichkeit mit der unabwendbaren Realität der Digitalisierung in Einklang bringen?
Ob diese Realität der Digitalisierung dazu führt, dass man den Bezug zur Natur verliert – und das passiert heute bei sehr vielen Menschen, da stimme ich dir absolut zu – liegt im eigenen Umgang mit der Digitalisierung. Man selbst kann entscheiden, wie groß der Einfluss dieser Digitalisierung auf einen selbst ist, und dementsprechend handeln und bei vielen ist ja das Sehnen zu einer Rückkehr zu einem einfacheren Leben (auch bei mir) groß. Natürlich hat (fast) jeder ein Smartphone heute und arbeitet viel am Computer, aber es gibt ein Gegengift gegen die komplette digitale Verseuchung und das ist die Realität; Aufenthalt in der Natur, am besten bei richtig „schlechtem“ Wetter, ein Blick in den Sternenhimmel, Musik oder Kunst im Allgemeinen mit seiner vollen Aufmerksamkeit auf sich wirken lassen und nicht als Hintergrundberieselung nutzen, menschlicher Kontakt anstatt Skype oder Zoom und kreative Arbeit und Ausdruck, wobei man zwar sicher heute oft diese Technologie nutzt, aber sich nicht von der Technologie benutzen lassen sollte. Ich denke, genau darin liegt der Schlüssel zu einem nicht krank machenden Umgang mit Technologie. Das eigentliche Erleben und Spüren des Menschseins hat definitiv nichts mit Smartphones oder Computern zu tun – man sollte diese einfach als Werkzeuge sehen und benutzen.

Anstelle einer romantischen Landschaftsszenerie zeigt das Cover eures neuen Albums ein symbolisches Bild von Fursy Teyssier. Warum habt ihr euch diesmal für einen anderen visuellen Stil entschieden?
Titel und Inhalt des Albums verlangten, wie wir fanden, einfach nach einem etwas einfacheren Cover das vieles offen lässt und nicht bereits zu prunkvoll daherkommt. Prunk – nicht Punk! (lacht) – gibt es dann tatsächlich viel in der Musik und den Texten von „Über den Sternen“.

Wie lief die Zusammenarbeit mit Teyssier ab? Seid ihr selbst bereits mit konkreten Vorstellungen an ihn herangetreten?
Es war ein steter Austausch zwischen uns. Ich schickte ihm letztendlich in einem unserer Chats dann sogar eine Skizze, was ich mir grob vorstellen könnte, die ihn dann umgehend so inspiriert hat, dass das Cover zwei Stunden später fertig und perfekt war.

Im Artbook finden sich allerdings auch von dir selbst geschossene Naturbilder. Wie hat sich dein Interesse an Fotografie entwickelt?
Die Fotografie begleitet mich eigentlich schon seit den 90ern. Selbst auf „Moors“ und „Weiland“ sind schon Naturfotografieren von mir zu sehen. In den letzten Jahren ist dieses alte Hobby von mir – durch meine vielen Aufenthalte in der Natur – wieder stärker aufgeflammt und letztendlich habe ich so viele Erlebnisse und Stimmungen in Form von Bildern auf den Sensor gebannt, dass ich der Meinung war, diese könne man nicht ungenutzt lassen. Also habe ich diese weitere Form meines kreativen Ausdrucks öffentlich gemacht. Ich habe noch viel mit der Fotografie vor. Sie ist eine grandiose Sache für mich – nicht nur ein weiterer Anreiz, bei Wind und Wetter raus zu gehen, sondern auch ein weiteres Werkzeug, Natur und Inspiration zu leben. Nach jedem meiner Fotostreifzüge kann ich danach auch wieder ein paar Schmuckstücke in die Schatulle der Inspiration für neue Musik und Texte legen.

Wie wird es nun mit EMPYRIUM weitergehen? Werdet ihr wieder eine längere Pause einlegen bzw. euch euren anderen Projekten zuwenden?
Für EMPYRIUM gibt es noch keine weiteren, konkreten Pläne. Wir werden sehen was passiert. Ich denke aber, diesmal wird es vielleicht nur drei oder vier anstatt sieben Jahre dauern bis zur nächsten Platte.
Ansonsten wird bald ein neues Noekk-Album erscheinen – also Augen auf! – und ich habe angefangen, an neuen The-Vision-Bleak-Stücken zu schreiben.

Zum Abschluss noch ein kurzes Brainstorming. Was assoziierst du mit den folgenden Begriffen?
Kitsch: Manche haben so viel Angst davor, dass sie lieber gar nichts ausdrücken.
Elektronische Musik: Analoge Synthesizer, großartig!
Weltraumtourismus: Ich schaue lieber geerdet und mit kindlichem Staunen hinauf zu den Sternen.
Epik: Tolkien
Nostalgie: Da bin ich sehr anfällig für. Melancholisches Schwelgen in Vergangenem.
Veganismus: Nicht meine Ernährung.

Vielen Dank für das Interview!

Publiziert am von Stephan Rajchl

Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.

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