Am Puls der Szene – Vol. VI


Es gibt Labels wie Nuclear Blast oder Century Media, die mit ihren Veröffentlichungen die Szene dominieren können, da sie die größten Bands beheimaten. Es gibt kleinere Labels wie Van oder Relapse bei denen der Name als Gütesiegel gilt.

Doch gerade abseits der vielen großen, kleinen und Kleinstlabels brodelt es gewaltig. Denn eines der herausragendsten Merkmale der Metalszene ist der unheimlich aktive und produktive Underground. Hier veröffentlichen (relativ) unbekannte Truppen gute und mittelmäßige Scheiben, Rohkrepierer aber immer wieder auch grandiose Platten, die gehört werden müssen.

Wir von Metal1.info wollen diesem genialen Untergund Rechnung tragen und bringen euch in unserer Kategorie „Am Puls der Szene“ Veröffentlichungen abseits der Labels näher – gute wie schlechte.


Frost, Pisse & Elend - Frost (EP)

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Es gibt im Black Metal viele blöde und noch mehr ganz blöde Bandnamen. Und dann gibt es FROST, PISSE & ELEND. Das klingt irgendwie gleichzeitig komplett daneben und doch on point, immerhin geht es im Black Metal nicht ums Blumenpflücken. Dass die erste EP der Kieler Newcomer schlicht „Frost“ heißt, ist dann leider eher weniger kreativ – es sei denn, es ist als erster Teil einer EP-Trilogie gedacht. Nun ja. Musikalisch liefert die erst 2020 gegründeten Band genau das ab, was man sich von einer rohen Black-Metal-Band erwartet; erfreulicherweise aber, ohne sich dabei „pseudo-true“ zu gerieren: Die fünf Stücke fokussieren sich auf Doublebass-getriebenes Shredding mit harschen Screams. Doch auch für die ein oder andere Melodie (Through Smoke And Fire“), eingestreute Cleanparts („Squalor“) oder auch mal einen Midtempo-Part („Fortress“) sind sich FROST, PISSE & ELEND nicht zu fein. Spätestens „Summoning Ritual“ lässt die (Crust-)Punk-Affinität der Kieler durchkommen – die sich im Übrigen in einer klar antifaschistischen Ausrichtung der Band manifestiert. In einem Genre, das sich diesbezüglich selten mit Ruhm bekleckert, ist das doch mal ein Lichtblick. Aber keine Sorge, man kann FROST, PISSE & ELEND auch „ganz unpolitisch“ hören, „wegen der Musik“ – zumal „Frost“, passend zu Genre und Bandnamen, so fies wie finster klingt.

[Moritz Grütz]


Twoism - II

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Zwischen Post-Rock, Trip-Hop und Ambient gab es bislang kaum Berührungspunkte. Nachdem jedoch schon Les Discrets mit „Prédateurs“ (2017) eine kohärente Verbindung zwischen diesen drei Genres hergestellt haben, tut es ihnen das deutsche Ein-Mann-Projekt TWOISM auf seinem zweiten Album „II“ gleich. Im Vergleich zu den Franzosen geriert Solokünstler a.k. sich jedoch als noch experimentierfreudiger. Im Zuge der nicht einmal halbstündigen Platte lässt TWOISM unter anderem betrübliche, gegen Ende aber zunehmend erhebendere Clean-Gitarren und Leads („Sayn“), leichtherzige Ukulelenakkorde, kalte und beklemmende Beats („Honorem“), dumpfe Synthesizer, mit Vocoder verzerrte Backing-Vocals sowie allerlei interessante Geräusch-Samples aufeinandertreffen. Das Ergebnis ist eine erfrischend unkonventionelle Klangcollage, der es im Vergleich zu „Prédateurs“ allerdings an kompositorischem und soundtechnischem Feinschliff sowie einem roten Faden mangelt.

[Stephan Rajchl]


Bestialis - Ritus (EP)

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Bislang als Veranstalter des Culthe Fest in Münster in Erscheinung getreten, wenden sich Lastaurus (Gesang) and Absorber (Gitarre) nun einem eigenen Black-Metal-Projekt zu: BESTIALIS. Auf der Debüt-EP „Ritus“ (nur als Download und Vinyl erhältlich) wendet sich das Duo dankenswerterweise keinen peinlichen satanistischen Ritualen zu, sondern Kulten aus der persischen Mythologie oder gar prähistorischer Zeit. Musikalisch liefern BESTIALIS Black Metal der gefälligen Sorte: Statt reiner Blast-Beat-Orgien lassen BESTIALIS auf das Akustik-Gitarren-Intro drei ansprechend vielseitig gestaltete Songs folgen, die im Up-Tempo genauso überzeugen wie im groovigen Mid-Tempo („Re-Incantation“) und dabei dank simpler, aber griffiger Melodien gut ins Ohr gehen. So klingt „Ritus“ vielleicht noch nicht gänzlich unverkennbar – doch ohne Frage machen BESTIALIS mit ihrem ersten Output doch schon sehr vieles richtig. Nicht zuletzt, weil sie sich erst einmal für eine 16-Minuten-EP entschieden haben, die wirklich Lust auf mehr macht, statt sich mit einem Full-Length zu verheben. Für Atmosphäre sorgen neben dem schön gurgelnden Screaming und stellenweise dezent eingesetztem Klargesang weitere Akustik-Gitarren-Einsprengsel – für noch etwas mehr Charme sollten sich BESTIALIS für künftige Releases aber doch einen Schlagzeuger ins Boot holen. Dem bereits angekündigten ersten Album kann man auf dieser Basis jedenfalls gespannt entgegensehen kann.

[Moritz Grütz]


Fiur - Verse

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Mit seinem Soloprojekt FIUR spielt der Deutsche Tobias Jäpel Black Metal, wie er melodischer nicht sein könnte. Anstatt die dreiviertelstündige Laufzeit seines zweiten Albums „Verse“ mit ausdruckslosem Geschrammel aufzubauschen, reiht der Multiinstrumentalist unermüdlich so prägnante wie rasante Tonfolgen aneinander. Seine inhaltlich von naturromantischer Dichtung inspirierten Songs gehen mit ihren kernigen Screams, quirligen Leadgitarren und ungestümen Drums vor purer Energie geradezu über. Dass das Schlagzeug bei dem halsbrecherischen Tempo des fast schon hyperaktiven Riffings stellenweise nicht ganz hinterherzukommen scheint und die Keyboards im Intro „Bergesklang“ und im Interlude „In kaltem Stein“ mit ihrem künstlichen Bläser-Sound etwas zu dick aufgetragen klingen, ist da bloß ein Tropfen auf dem heißen Stein. Wie hervorragend FIUR sich darauf versteht, mitreißende Melodien zu schreiben, zeigt sich insbesondere im schwungvollen, rein instrumentalen Elfminüter „Seelenflug“. Bezieht man dann noch die kraftvolle Produktion mit ein, kann man „Verse“ eigentlich jedem Melodic-Black-Metal-Fan guten Gewissens ans Herz legen.

[Stephan Rajchl]


Liverum - Discover Your Land

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Kaum zu glauben, dass LIVERUM mit „Discover Your Land“ aus dem Jahr 2017 nach wie vor nur ein einziges Album aufgenommen haben. Die junge polnisch-norwegische Progressive-Death-Metal-Kapelle ist viel zu talentiert, um es dabei zu belassen. Wer Songs wie „Nebula“ oder „Natural Elements“ hört, wird gleich festellen, dass Death Metal nicht mal die einzig zutreffende Bezeichnung für ihre abwechslungsreiche, groovige und melodiöse Spielart ist. Insbesondere „Meadow“ zeigt, welch hervorragendes Gespür LIVERUM für hochklassige Melodiebögen und frische Songstrukturen haben. Dieser märchenhafte Gitarrenlauf brennt sich regelrecht fest im Gehörgang. Auf insgesamt 13 Stücken mit einer Spielzeit von über 70 Minuten zeigen die vier, wie sie spielerisch verschiedene Genres beackern und dabei sehr gekonnt zwischen Death- und Thrash Metal wandeln und eine ordentliche Portion Groove nie fehlen lassen. Mit „Callousness“ wagen sie sich gar in balladeske Gefilde vor und können auch dort punkten. Der absolute Anspieltipp ist aber „Come To My World“, der in seinen sechseinhalb Minuten wunderbar aufzeigt, was in dieser Band steckt. Umso verblüffender ist es, dass die Truppe nach Aussage von Sänger Adrian Dzięcioł einen wesentlichen Teil der Songs bereits in Teenagerjahren geschrieben hat. Bitte mehr davon, LIVERUM!

[Andreas Althoff]


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