War französischer Black Metal lange eine Randerscheinung in der Szene, hat sich über die letzten Jahre eine vitale Subkultur entwickelt – nicht zuletzt dank des Underground-Labels Les Acteurs de L’Ombre Productions, das eine spannende Band nach der anderen ans Licht bringt. Auch JOURS PÂLES und deren Debüt „Éclosion“ reihen sich in die lange Liste bemerkenswerter Bands aus dem „LADLO“-Roster.
JOURS PÂLES sind allerdings keine kompletten Newcomer – vielmehr handelt es sich um das neue Projekt von Spellbound, Sänger der Band Aorlhak, einer Black-Metal-Band mit thematischem Mittelalter-Bezug. Forscht man etwas weiter, wird es leider schon wieder schwierig: „Jours Pâles“ ist nämlich als Bandname dem gleichnamigen Album eines anderen, mittlerweile aufgelösten Projektes von Spellbound entlehnt: Asphodèle (2019–2020). Bei diesen arbeitete Spellbound mit Audrey Sylvain zusammen, ehemals Sängerin von Amesoeurs, aber auch der NSBM-Band Peste Noire. Obschon diese Personalie mit JOURS PÂLES nur über eine Ecke in Verbindung steht, hat das ganze damit fraglos ein „Gschmäckle“, das man nicht gänzlich ausblenden kann: Einmal mehr sind die Übergänge zu den unschönen Auswüchsen der Black-Metal-Szene fließend. Da über Spellbound selbst jedoch nichts konkret belastendes bekannt ist und JOURS jedoch keine politischen Ziele zu verfolgen scheinen, haben wir uns zur Besprechung des Albums entschieden.
Diese kritische Einordnung vorangestellt, kann man sich nun dem Album als solchem zuwenden. Positiv fällt direkt das Layout auf, das in atmosphärischen Fotografien gleichermaßen Naturverbundenheit vermitteln wie das Gefühl, den Kräften der Natur gänzlich ausgeliefert zu sein. Wenngleich hier stets nur eine Person zu sehen ist, und das Bandfoto im Digipak zwei Männer zeigt, ist JOURS PÂLES kein Soloprojekt: Mit James Sloan (Uada, Grave Light) an der Gitarre und dem Schweden Christian Larsson (Gloson, ex-Svart, ex-Shining) am Bass hat sich Spellbound zwei renommierte Musiker ins Boot geholt. Dazu kommen verschiedene Gäste: Graf von Psychonaut 4 und Lilas Ondine Dupont (Silhouette) als Gastsänger, sowie Sylvain Bégot (Monolithe) und Lonn (Aorlhac) als Solisten an der Gitarre.
Wer sich extra Lead-Gitarristen für sein Album engagiert, hat wohl anderes im Sinn als rohen True-Black-Metal. Und tatsächlich ist „Éclosion“ von Anfang an ein gefühlvolles, melodisches Album, das mit herrlichen Leadmelodien begeistert: Schon der Opener „Illunés“ hat subtiles Rock-Feeling im Riffung – getragen wird der Song jedoch durch seine fließenden Melodien, die viel Post-Black-Metal-Flair haben. Diese Stimmung wird durch den Gesang verstärkt, der von Sprechgesang bis zu gezogenem Screaming reicht – „truer“ Black Metal klingt anders. In dem damit abgesteckten stilistischen Feld bewegen sich JOURS PÂLES auch im Verlauf des restlichen Albums mit seinen insgesamt rund 50 Minuten Spielzeit – die Ideen gehen ihnen dabei aber nicht aus: Bei „Eclamé“ gibt es mit dem Gesangsbeitrag von Lilas Ondine Dupont nochmal ein Highlight im bis dahin eh schon durchweg hochklassigen Songmaterial, der darauf folgende Titeltrack bringt nochmal alle Elemente im Sound von JOURS PÂLES auf den Punkt und in „Suivant L’astre“ verbeugen sich die Franzosen tief vor Tribulation. Vor allem die lässige Gitarrenarbeit, die mal mit schwebenden Soli, mal mit bedächtigen Cleangitarren, mal mit galoppierendem Riffing extrem abwechslungsreich gestaltet ist, macht Freude. Und auch der Gesang passt stimmig ins Bild – sofern man sich mit gescreamtem Französisch anfreunden kann.
Mit dem Instrumental „C2h6o“ endet eine musikalische Reise, die 50 Minuten wie im Flug vergehen lässt: JOURS PÂLES wissen ihre Songs spannend und dynamisch zu gestalten, ohne dabei gewollt innovativ zu klingen. So ist „Éclosion“ jedem Fan von melancholischem/melodischem Post-Black-Metal zu empfehlen – unter nochmaligem Verweis auf den Status der Band als „Hellgrauzonenband“ durch die persönliche Verstrickung mit NSBM-Kreisen von Bandkopf Spellbound in anderen, ehemaligen Projekten.
Wertung: 8.5 / 10