Review Talco Maskerade – Locktown

2015 veröffentlichten die Ska-Punker TALCO ein Album mit dem Titel „Silent Town“. Hätten die Italiener damals schon gewusst, was fünf Jahre später über die Welt hereinbrechen würde, hätten sie sich diesen Albumtitel vielleicht aufgespart – für ihren Soundtrack zur Corona-Krise. Den veröffentlichen sie nun: als „akustisches Nebenprojekt“ (mit gleicher Besetzung) unter dem Bandnamen TALCO MASKERADE und dem etwas bemüht wirkenden Albumtitel „Locktown“.

Fans der Band dürfte das im harten italienischen Lockdown in Streaming-Sessions erarbeitete Material aus zwei Gründen nicht unbekannt sein: Zum einen interpretieren TALCO MASKERADE auf „Locktown“ sieben Hits der TALCO-Diskografie in neuem Arrangement, zum anderen wagten die Italiener im Herbst 2020 – zwischen der ersten und zweiten Corona-Welle – eine Tour durch einige der ansonsten still gewordenen Städte Deutschlands: Statt vor tanzenden Fans in gesteckt vollen Hallen spielten TALCO MASKERADE vor sitzenden Fans auf, draußen, bei gerade so zweistelligen Temperaturen. Das hätte gehörig schiefgehen können, funktionierte aber dennoch: Weil die Städte viel zu lange viel zu still gewesen waren, weil die Fans ausgehungert, die Musiker spielfreudig waren – und weil die leisen Töne, die TALCO MASKERADE anschlugen, in diesem Setting kraftvoller waren als harte Stromgitarren.

Dass sich dieser Effekt auch daheim mit Musik von Platte reproduzieren lässt, ist nicht garantiert – so manche Akustik-Version entfaltete live schon einen Zauber, der der Studioversion fehlte. Tatsächlich wirkt auch „Locktown“ auf den ersten Durchlauf – und somit automatisch im direkten Vergleich mit den Ska-Punk-Versionen – stellenweise etwas behäbig: Im akustischen Setup, ohne den alles umhüllenden Nebel der Zerrgitarren, rücken TALCO MASKERADE automatisch weiter in Richtung klassischem Ska, während der Punk-Einschlag quasi gänzlich wegfällt. Das muss man mögen, nicht zuletzt weil das verwendete Banjo dem Ganzen immer wieder einen Country-Touch verleiht, der sicher auch nicht jeden Ska-Punk-Hörer anspricht.

Doch während der Punk fehlt, gewinnen die Songs an anderer Stelle hinzu. Statt etwas puristischer als die Originalversionen klingen die Tracks sogar vielschichtiger. Statt sich abzunutzen, wachsen die Versionen: Auf diversen Instrumenten eingespielt, die im klaren Klangbild dann auch alle auszumachen sind, wirkten schmissige Hits wie „La Verità“, „La Torre“ oder „Testamento Di Un Buffone“ fast noch lebendiger als im Original. Und tatsächlich gehören einige der sieben neuen Tracks, „La Mia Perte Peggiore“, „Fine Di Una Storia“ oder „Freak“ etwa, zu den besten Songs, die TALCO bis dato geschrieben haben.

TALCO MASKERADE bieten ein gänzlich anderes Musikerlebnis als „gewöhnliche“ TALCO-Alben: Wer bei „Ska-Punk“ vor allem „Punk“ liest, ist mit „Locktown“ vielleicht falsch beraten – wer den Akzent seit jeher auf „Ska“ setzt, vielleicht sogar ein Faible für Klezmer oder zumindest nichts gegen Musik mit Banjo, Ziehharmonika, Streichern oder Piano hat, sollte hier ein Ohr riskieren. Alle anderen seien einfach auf das nächste reguläre TALCO-Album „Videogame“ vertröstet, das bereits aufgenommen ist und für Oktober 2021 angesetzt wurde.

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Wertung: 8.5 / 10

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