Interview mit Henrijs Leja von Helestios

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Treffen sich zwei Letten, ein Grieche und ein Holländer in England … was wie der Beginn eines schlechten Witzes klingt, ist bei HELESTIOS ernst geworden. Die internationalen Newcomer um Sänger und Gitarrist Henrijs Leja haben vor kurzem ihr Debüt „Your Pain Tastes Good“ in Eigenregie auf den Markt gebracht. Was es bedeutet, inmitten einer Pandemie eine neue Band zu gründen und mit ihr durchstarten zu wollen, was Kehlkopfgesang und libanesische Gebete auf einer Metal-Platte verloren haben und vieles mehr verrät uns der Frontmann und Hauptsongwriter im Interview.

Hallo! Vielen Dank, dass du dir die Zeit für dieses Interview genommen hast! Lass uns zunächst einmal den ansteckenden Elefanten im Raum ansprechen: Wie schwer hat euch die Pandemie persönlich getroffen, seid ihr Berufsmusiker oder habt ihr andere Jobs, die euch ein sicheres Einkommen verschaffen?
Hallo und danke für das Interesse! Wir gehen regulären Berufen nach und haben uns bisher gut gehalten, obwohl es nicht einfach ist.

Was bedeutet die Pandemie für euch außerdem als „frische und hungrige“ Newcomer-Band, die gerade erst im Jahr 2020 gegründet wurde, d. h. wie schwer ist es, unter diesen außergewöhnlichen Umständen in der Musikszene Fuß zu fassen?
Nun, es ist für jeden Musiker sehr unglücklich, nicht live auftreten und mit den Fans richtig interagieren zu können. Also können wir hoffentlich bald genug da rausgehen und mit Gleichgesinnten kommunizieren und unser neues Album live spielen!

Da die Kunst- und Unterhaltungsindustrie (und damit auch Live-Shows) auf Eis liegt und die übliche Praxis, Konzerte zur Unterstützung eines neuen Albums zu spielen, wegfällt: Was hat euch dazu bewogen, „Your Pain Tastes Good“ trotz der aktuellen Situation zu veröffentlichen?
Das ist es, was die ganze Industrie macht – sich zurückhalten und auf später warten, damit sie abkassieren können. Für uns geht es um mehr als nur Geld – es geht um die Botschaft und gerade in Zeiten wie diesen ist es für uns alle wichtig, etwas zu haben, das uns inspirieren und vereinen kann, also bleiben wir trotz dieser ganzen Situation stark und wünschen uns das für alle!

Ihr seid eine neue Band, also hoffe ich, dass diese Frage nicht schon lästig ist: Was bedeutet HELESTIOS und woher kommt der Name?
Wir werden eine Mythologie entwickeln, um das in Zukunft zu enthüllen. Obwohl die Tatsache, dass es eine Kombination aus den Anfangsbuchstaben meines Vor- und Nachnamens und Stelios‘ (Aggelis, Leadgitarre – Anm. d. Red.) Namen ist, einen reinen Zufall darstellt. (lacht)

Ihr seid ein recht multinationaler Haufen, der aus Lettland, Griechenland und den Niederlanden stammt, aber jetzt in England lebt. Kannst du unseren Lesern etwas über diese Entwicklung erzählen, z. B. wie die Mitglieder – von denen einige aus verschiedenen Ländern kommen – in der Nähe von Basingstoke gelandet sind, wie ihr euch gefunden habt und wie ihr in einer Band gelandet seid?
Wir sind eigentlich ziemlich stolz darauf, diese Mischung zu haben und damit zu beweisen, dass wir in der Lage sind, zusammenzuarbeiten, obwohl wir unterschiedliche Hintergründe haben. Technisch gesehen leben nur zwei von uns in Basingstoke – Stelios und ich, Henrijs. Ian (den Boer, Schlagzeug – Anm. d. Red.) arbeitet aus der Ferne und lebt in Holland, ebenso wie Agnis (Aldiņš, Bass – Anm. d. Red.) in Lettland.
Alles begann, als ich nach Basingstoke zog, nachdem ich mehrere Jahre in London gelebt hatte und nach Musikern suchte, um eine Band zu gründen – ich traf Stelios und unser Geschmack passte. Was Ian und Agnis betrifft – wir kannten uns schon vorher und wahrscheinlich hat uns diese Pandemie-Sache auch dazu motiviert, ein bisschen zu experimentieren und so aus der Ferne zu arbeiten.

In Bezug auf musikalische Einflüsse und Hintergründe, aus welcher Ecke kommt ihr? Welche Künstler inspirieren euch, welche Bands hört ihr, welche Genres mögt ihr?
Ich denke, man kann durchaus sagen, dass wir alle vom Metal im Allgemeinen beeinflusst sind. Es gibt Bands, an denen man nicht vorbeikommt – Metallica, Megadeth, Sepultura, Dream Theater. Ian steht total auf Cradle Of Filth. Agnis mag Gojira und Zeug, bei dem es auf Präzision ankommt. Stelios würde Septicflesh, seine griechischen Kollegen, zu diesem Haufen hinzufügen. Ich würde Skyforger hinzufügen – meiner Meinung nach die beste lettische Metalband. Die Liste ließe sich noch sehr lange fortsetzen, um ehrlich zu sein.

Kannst du uns erzählen, wie das Songwriting bei HELESTIOS funktioniert? Tragen z. B. alle Mitglieder bei oder gibt es eher einen Hauptsongwriter?
Wir haben einen Haupt-Ideengeber, nämlich mich, und dann haben wir noch Stelios, der die Soli beisteuert, obwohl wir bei „All Attack“ auch die Riffs zusammen komponiert haben. Normalerweise steuert Ian auch ein paar Ideen für die Drums bei und Agnis ist der Typ, der unsere Tontechnik macht, ein bisschen produziert und den Bass absolut monströs klingen lässt! Alles in allem haben wir eine Art Abstimmungssystem: „Dieser Song ist gut, dieser nicht, geh und hol einen anderen!“

Ihr verarbeitet auf „Your Pain Tastes Good“ viele verschiedene Stile. War es euer erklärtes Ziel, facettenreich zu klingen oder ist dies einfach das Ergebnis von vier Individuen mit unterschiedlichen Vorlieben, die gemeinsam Musik machen?
Ich denke, das ist einfach ein Ergebnis des Genusses vieler verschiedener Musikstile und unserer Persönlichkeiten, also etwas, das sich nicht zu sehr in den einen oder anderen Stil einordnen lässt – das Hauptziel ist es, großartige Songs zu haben, die wir gerne spielen und die andere gerne hören.

Soweit ich das sehe, sind die Songs auf „Your Pain Tastes Good“ ziemlich kurz gefasst im Vergleich zu anderen Bands, die einen ähnlichen Stil wie ihr spielen. War es von Anfang an eure Absicht, kurze und bündige Songs zu schreiben oder hat sich das während des Songwriting-Prozesses ganz natürlich ergeben?
Wie Meister Yoda schon sagte: „Go with the flow.“ Wir wollten nicht nur um der Länge willen höhere Songlängen erzwingen. Wenn es sich so anfühlt, als wäre es ein großartiger Moment, um den Song zu beenden, dann ist es so. Man kann den Song ja immer wieder neu auflegen und noch einmal anhören. (lacht)

Ihr beginnt das Album mit einer Kehlkopfgesangsdarbietung. Was hat euch dazu inspiriert, diesen Stil in euer Album aufzunehmen?
Agnis hat diese Fähigkeit entwickelt und wir dachten, es wäre ein großartiger Moment, seine Fähigkeit einzubringen und sie trägt wirklich zu der ganzen Atmosphäre und dem Kontext des Songs bei.

Wie man an einigen Songs und deren Themen erkennen kann, hast du offensichtlich ein großes Interesse an bzw. eine Leidenschaft für den Nahen und Mittleren Osten. Woher kommt diese Faszination?
Es wäre treffender zu sagen: für alle vorbiblischen Kulturen und Mythologien. Es ist einfach so, dass diese in und um Ägypten und im Nahen Osten zugänglicher bzw. besser erhalten sind. Erst in den letzten zehn bis zwanzig Jahren, als unser technologisches Verständnis und unsere Fähigkeiten wuchsen, begannen wir zu bemerken, dass es massive Lücken in dem gibt, was uns in der Schule über die alten Ägypter und Mesoamerika beigebracht wurde. Es ist wirklich eine der wichtigsten philosophischen Fragen aller Zeiten: Wer sind wir und woher kommen wir? Ein armenischer Philosoph sagte im siebten Jahrhundert: „Die Vergangenheit ist ein Turm, von dem aus wir die Zukunft sehen.“

Interessanterweise hast du im Intro von „Return To Baalbek“ eine Aufnahme eines libanesischen Gebets eingebaut, die du von deinem Aufenthalt im Libanon 2019 mitgebracht hast. Was war der Grund für deinen Aufenthalt dort, wie bist du inmitten von Massenprotesten gelandet und warum hast du dich entschieden, die Aufnahme auf das Album zu nehmen?
Es war eine geplante Reise nach Baalbek, um die dortigen riesigen architektonischen Monumente zu besichtigen, die mindestens 9000 Jahre alt sind. Viele Experten aus Archäologie und dem Ingenieurwesen, die diese Stätte studiert haben, kommen zu dem Schluss, dass nur der oberste Teil von den Römern erbaut worden sein könnte, der Rest jedoch aus einer viel älteren Zeit stammt und es ein Problem wäre, dies zu wiederholen, selbst mit unserem modernen technologischen Verständnis und unseren heutigen Werkzeugen. Und doch lebten in alten Mythologien in dieser Region Individuen, die unsere Vorfahren als Götter bezeichneten. Wenn wir die Mythen mit Steindenkmälern zusammenbringen, für die fortschrittliche und für die Bronzezeit völlig unübliche Methoden angewandt wurden, können wir tatsächlich versuchen, dem, was in einer tiefen Vergangenheit geschah, einen gewissen Sinn zu geben. Wir sprechen also von vorbiblischen Ereignissen, die über einen sehr langen Zeitraum unterdrückt und vor den gewöhnlichen Menschen versteckt wurden, um es einfacher zu machen, Nationen und Menschen zu manipulieren, indem man ihnen etwas anderes vorgibt.

„All Attack“ wurde zur Unterstützung der belarussischen Bevölkerung geschrieben. Warum ist dieses Thema wichtig genug für euch, um es in eurer Musik anzusprechen, und wie ist eure Sicht auf den Zustand des Landes? Glaubst du, dass die Demonstrierenden letztendlich Erfolg haben werden oder ist dein Ausblick eher düster?
Ich hoffe wirklich und aufrichtig, dass sie es schaffen! Lukaschenko war seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion an der Macht und wurde jedes Mal für eine weitere Präsidentschaft wiedergewählt. Jedes Mal, wenn es eine Opposition gab, sind diese Leute entweder verschwunden, kamen ins Gefängnis oder starben auf irgendeine Weise. Wir müssen verstehen, dass, wenn wir passiv bleiben und nicht zur Unterstützung unserer Nachbarländer reagieren, diese Art der Kontrolle morgen genauso gut durch einige Tricks im Namen des öffentlichen Wohls auf uns angewandt werden und uns unsere individuellen Rechte wegnehmen könnte.

Denkst du, dass die Entwicklung in Belarus, vielleicht auch die Wahlniederlage von Trump, ein Grund ist, optimistisch zu sein im Hinblick auf den Aufstieg (und jetzigen Niedergang?) autoritärer Ideen auf der ganzen Welt in den letzten Jahren? Oder denkst du eher, dass es keinen großen Unterschied macht, solange es Politiker wie Putin, Erdogan, Bolsonaro etc. gibt?
Nichts ist vorbei. Wir müssen als Individuen aktiv bleiben und zusammenhalten und uns für mehr Meinungsfreiheit einsetzen und gegen Zensur, Rassismus und Spaltung in jeglicher Form. Wir sind alle Menschen, einige unterschiedlich, aber alle auf der Suche nach den gleichen Dingen im Leben – geschätzt zu werden, glücklich zu sein und respektiert zu werden. Wir sollten jeden in Frage stellen, der andere Menschen in den Krieg schicken will, egal aus welchen Gründen.

Ein leichteres Thema zum Ende hin: Während eure Songs einen ziemlich individuellen Stil repräsentieren, sind das Artwork und der Albumtitel eher (proto)typisch für Metal. Kannst du uns kurz durch den Entscheidungsprozess führen, der letztendlich zu diesem Coverbild und dem Titel „Your Pain Tastes Good“ geführt hat?
Die Idee entstand komplett im Teamwork der gesamten Band und das Cover ist eine absolut großartige Arbeit von Artūrs Bērziņš, der eine sofortige Vision hatte, antike Mythologien, moderne Technologien und den Kampf gegen das Böse in ein Bild zu packen!

Auf Metal1.info beenden wir unsere Interviews meist mit einem kurzen Brainstorming. Was kommt dir als erstes in den Sinn, wenn du die folgenden Begriffe liest?
Metallica:
Giganten.
Sepultura: Max ist ein Halbgott!
Boris Johnson: Wer ist das?
Black Lives Matter: Alle Leben sind gleich wichtig.
Antike Geschichte: … ist, wo wir herkommen. Wissen wir, wo wir herkommen?
Dein Lieblingsbier: Mythos, Blonde Trappist, Heineken.

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Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.

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