Rein musikalisch haben IMHA TARIKAT den Black Metal auf ihrem Debüt „Kara Ihlas“ (2019) sicherlich nicht neu erfunden. In dem auf den Koran bezugnehmenden Konzept des Albums steckte jedoch durchaus eine gewisse Besonderheit. Ganz verwunderlich ist es daher nicht, dass die zwei Mann starke Band inzwischen renommierten Musikgruppen wie Eïs und Secrets Of The Moon im Roster von Lupus Lounge Gesellschaft leistet. Auch auf dem Nachfolgealbum „Sternenberster“, das einige Monate nach dem digitalen Release im August 2020 inzwischen auch physisch über das neue Label erschienen ist, setzen die Deutschen sich mit einigen interessanten (wenn auch nicht ganz unumstrittenen) Themen auseinander: Psychoanalyse und Traumdeutung.
Zu der auf Sigmund Freud zurückgehenden Theorie des Traums als Manifestation unterdrückter Triebe passt die hemmungslos tobende Musik der Band jedenfalls wie die Faust aufs Auge. Mehr noch als auf ihrer ersten Platte geben IMHA TARIKAT sich hier in Stil und Performance geradezu animalisch. Weder ist Frontmann Ruhsuz Cellâts bullig gebrüllter Schreigesang frei von technischen Makeln, noch wurden die eruptiven Gitarrenriffs und Schlagzeugsalven mit chirurgischer Präzision eingespielt – müssen sie auch gar nicht sein. Abgesehen von dem schwungvollen, staubtrockenen und exotischen Akustik-Outro von „Brand am Firmament“, das spieltechnisch ziemlich missraten klingt, fallen die kleinen Ungenauigkeiten kaum auf.
Deutlich störender sind hingegen die diesmal ganz auf Deutsch verfassten, teils zu gestelzten, teils zu stumpfen Texte, aufgrund derer die Songs mitunter arg pathetisch wirken. Es fällt schwer, die Songs durchwegs ernst zu nehmen, wenn Cellât etwa in „Aufstieg“ ganz bedeutungsschwanger proklamiert: „In den Kratern soll zu lesen sein mein Aufstieg / ein Aufstieg durch Schmerz / um zu erlangen souveräne Klarheit“. Über ihre Musik wissen IMHA TARIKAT sich demgegenüber wesentlich packender auszudrücken.
Neben den martialischen Vocals, in die man am liebsten barbarisch grölend miteinstimmen würde („Kreuzpunkt der Schicksale“), bestechen die Tracks vor allem mit ihren energiegeladenen, quirligen Riffs und Leads („Sturm der Erlösung“), die teilweise punkig treibend daherkommen, und ihrem brachialen, manchmal auch geradlinig schroffen Drumming („Klimax Downpour“). Ihr Songwriting haben IMHA TARIKAT diesmal also merklich eindrücklicher gestaltet. An der kantigen Produktion mag man eingangs ein wenig das Organische von „Kara Ihlas“ vermissen, letztlich passt der Sound aber ebenfalls gut ins Gesamtbild.
Ob IMHA TARIKAT sich seit dem Release ihres ersten Albums zum Guten verändert haben, lässt sich schwer beurteilen – dass ihre Musik nun anders klingt, steht indes außer Frage. Einerseits haben die Black-Metaller ihre Darbietung und ihre Kompositionen in eine noch ungestümere und eingängigere Richtung entwickelt, andererseits sind der Band hier mit dem Outro von „Brand am Firmament“, dem unecht und plump klingenden Piano-Stück „Outro (Cosmic Dissolving)“ sowie einigen der Textzeilen deutlich mehr Ausrutscher passiert. Insgesamt ist „Sternenberster“ allerdings derart vollgepackt mit mitreißenden Gesangsparts, Melodien und Rhythmen, dass man IMHA TARIKAT ihre gelegentlichen Fehltritte gerne nachsieht.
Wertung: 7 / 10