Review Orm – Ir

  • Label: Indisciplinarian
  • Veröffentlicht: 2019
  • Spielart: Black Metal

Fast noch schlimmer, als dem eigenen Tod ins Auge zu blicken, ist es, einen geliebten Menschen seinem Lebensende entgegeneilen zu sehen. Eine solche Erfahrung zu verarbeiten oder gar zu akzeptieren, ist nicht einfach und jeder geht anders damit um. Viele Menschen, die einen Verlust zu verkraften suchen, finden etwa Trost in der Musik. Und welche Stilrichtung eignet sich besser zum Ventil für negative Gefühle als Black Metal? Was es bedeutet, durch den Todeswunsch eines nahen Angehörigen hautnah mit der Vergänglichkeit unseres Daseins konfrontiert zu werden, beleuchten die dänischen Black-Metaller ORM auf ihrem zweiten Album „Ir“. Mit seinen zwei über 23 Minuten langen Songs fordert die Platte dem Anschein nach allerdings nicht nur inhaltlich die Resilienz der Zuhörenden heraus.

Bei Kompositionen solchen Ausmaßes stellt sich freilich immer die Frage, ob die jeweiligen Songs trotz ihres Umfangs stringent sind. Im Fall von „Ir“ lautet die Antwort: größtenteils ja. Den einen oder anderen abrupten Umbruch hätten ORM zwar schon ein wenig eleganter in Szene setzen können, im Großen und Ganzen werden die beiden Tracks aber doch von einem stimmigen Fluss getragen. Anders als viele andere Bands ihres Genres erreichen die Dänen dieses Maß an Konsistenz allerdings nicht einfach durch monotones Songwriting.

Gramvolle Screams, griffige, teils fast schon tragische Tremolo-Riffs und ungezügelte Blast-Beats bilden zwar das Rückgrat der Stücke, von diesem genretypischen Konstrukt weichen ORM jedoch nicht selten ab. In „Klippens Lyse Hal“ schiebt das Quartett mehrere Clean-Gitarren-Parts ein, die zum Teil spröde und minimalistisch, zum Teil aber auch mysteriös und dynamisch klingen. „Bær Solen Ud“ beginnt hingegen mit einem schönen, ausgedehnten Akustik-Arrangement, wird dann zunehmend drängender und endet schließlich auf stimmige Weise mit erhabenen, melancholischen Gitarren-Leads.

„Ir“ ist demnach weder zu sprunghaft noch zu eintönig, sodass ORM sich mit der langen Laufzeit ihrer beiden Tracks keineswegs übernehmen. Dennoch hinterlässt die Platte nicht ganz den emotionalen Krater, den man angesichts der vertonten Thematik erwarten würde. Obwohl manche Abschnitte durchaus in Erinnerung bleiben, hebt das Album sich als Ganzes kaum vom Genre-Standard ab. In dieser Hinsicht ist es auch nicht vorteilhaft, dass die Gitarrenmelodien im an sich recht kraftvollen Sound teilweise zu kurz kommen und sich dadurch nicht ganz entfalten.

Für ihre Ambitionen haben ORM definitiv Anerkennung verdient – ein dreiviertelstündiges Zwei-Track-Album über den Umgang des Menschen mit seiner Sterblichkeit würde sich schließlich nicht jede Band zutrauen. Tatsächlich lässt „Ir“ sich trotz seines schweren Stoffs und seiner Länge sogar überraschend mühelos anhören. Vielleicht ist dies aber auch der Grund dafür, dass das zweite Full-Length der Dänen nicht besonders begeistert: Man fühlt sich beim Hören einfach nicht herausgefordert oder überwältigt. Letztlich haben ORM hiermit also ein solides, aber sicherlich nicht unverzichtbares Black-Metal-Album kreiert.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Wertung: 6 / 10

Publiziert am von Stephan Rajchl

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert