1988 veröffentlichten die U.S. Metaller RIOT mit „Thundersteel“ nicht nur eines ihrer besten Alben, sondern vermutlich eines der besten Heavy-Metal-Alben überhaupt. Das ist jetzt 30 Jahre her. Während die New Yorker davon absehen, ihr Referenzwerk zu diesem Anlass neu aufzunehmen, so ließ die Truppe doch verlauten, dass sie sich während der Arbeiten an ihrem neuen Album „Armor Of Light“ auf eben jene Platte besinnt hätte. Solch ein Unterfangen ist immer mit einem gewissen Erwartungsdruck verbunden, aber wenn dem einer standhalten kann, dann RIOT V.
Eines wird relativ schnell klar: „Armor Of Light“ ist mit hoher Wahrscheinlichkeit das schnellste Album, das RIOT V in jüngerer Vergangenheit aufgenommen haben. Ab dem mitreißenden Opener „Victory“ prescht die Truppe mit nur wenigen Ausnahmen bei voll durchgetretenem Gaspedal durch die knapp einstündige Spielzeit. Die klassischen RIOT-V-Trademarks sind dabei natürlich vollständig vorhanden, weshalb der Hörer auch auf „Armor Of Light“ dank Nummern wie beispielsweise „End Of The World“ edelstes Power-Metal-Riffing und Gänsehaut-Melodien zuhauf auf die Ohren bekommt. Power Metal und nicht U.S. Metal? Ganz genau, denn die Truppe aus New York klingt auf ihrem neuesten Album stark vom europäischen Power Metal inspiriert.
Solche Momente gab es auch schon auf früheren Alben, allerdings tritt gerade dieser Aspekt auf „Armor Of Light“ verstärkt in den Vordergrund. Das mag auch daran liegen, das RIOT V ihr Songwriting gerade im Vergleich zu „Unleash The Fire“ deutlich entschlackt haben und auf ihrer neuen Platte vornehmlich mit gradlinigen, eigängigen und somit deutlich simpleren Songs in Erscheinung treten. Das bedeutet, dass die Nummern auf „Armor Of Light“ eine recht hohe Anfangswirkung entfalten und dank großer Refrains und extrem zugäntglicher Strukturen sofort ins Ohr gehen, zieht jedoch ihre Langlebigkeit in Zweifel, zumal die Band hier nur selten auf die Bremse tritt und das Material somit eine gewisse Gleichförmigkeit aufweist – bei einer knappen Stunde Spielzeit ist das gewagt.
Dennoch: RIOT V sind zweifelsohne eine der fähigsten Metal-Bands überhaupt und auch „Armor Of Light“ macht das in jedem Ton deutlich. Sänger Todd Michael Hall ist hier in stimmlicher Höchstform und wie nicht anders zu erwarten begeistern die Gitarristen Mike Flyntz und Nick Lee auch auf dieser CD wieder durch geradezu irrwitzige Leadgitarrenduelle. Im Vorfeld haben RIOT V obendrein vollmundig behauptet, sich beim Songwriting zu „Armor Of Light“ an ihrem Jahrhundertwerk „Thundersteel“ zu orientieren.
Tatsächlich erinnert eine Nummer wie das zackige „Messiah“ stark an den Titeltrack besagter Platte, das cool stampfende „Caught In The Witches Eye“ hat viel von „Sign Of The Crimson Storm“ und auch Songs wie „Angel’s Thunder, Devil’s Reign“ oder „Heart Of A Lion“ fangen den Geist des 1988er Albums gut ein. Insgesamt machen sich RIOT V hier trotz eventueller Anleihen nicht der Selbstkopie schuldig – es sollte jedoch auch bemerkt sein, dass „Thundersteel“ eine deutlich vielseitigere Platte als „Armor Of Light“ ist. Alles in Allem haben RIOT V mit ihrem neuesten Album ein weiteres hervorragendes Heavy Metal-Album abgeliefert, das alles beinhaltet, was Fans der Band erwarten und dabei wie aus einem Guss wirkt, jedoch vielleicht eine Idee zu lang ausgefallen ist.
Ein zweites „Thundersteel“ ist „Armor Of Light“ sicher nicht geworden, aber das ist auch gar nicht nötig. Im Vergleich zum Vorgänger haben RIOT V hier ein weitaus gradlinigeres, schnörkelloseres Album eingespielt, das dennoch alle stilbildenden Elemente der Band in Vollendung bietet. Bei einer knappen Stunde Spielzeit wirkt „Armor Of Light“ vielleicht ein bisschen zu lang, das ist jedoch Gejammer auf hohem Niveau, denn RIOT V beherrschen ihr Handwerk derart gut, dass sie ein Album auch mit zwölf rundum zufriedenstellenden Songs ausstatten können.
Wertung: 8 / 10