Anfang der 80er schrieben HEXX als Teil der ersten Welle an U.S.-Metal-Bands Genre-Geschichte – ihre ersten beiden Alben „No Escape“ und „Under The Spell“ gelten nicht ohne Grund bei Fans bis heute als Meilensteine des Bay-Area-Metals. Nach knapp zehn Jahren wurde es jedoch still im die Mannschaft, die erst 2017 mit ihrem Comeback-Werk „Wrath Of The Reaper“ in die Öffentlichkeit – und zu ihren musikalischen Wurzeln – zurückkehrte. Seither läuft es für HEXX allerdings ziemlich gut und weil mit „Entangled In Sin“ drei Jahre nach dem erfolgreichen Neustart die nächste Platte der Truppe erschienen ist, unterhielten wir uns mit Gitarrist und Bandgründer Dan Watson.
Hi Dan und vielen Dank für dieses Interview! Ich hoffe dir und deiner Familie geht es in diesen Zeiten gut?
Hi, Thomas. Mir und den Meinen geht es gut – ich hoffe, euch auch! Ich bin es, der zu danken hat.
Seit der Veröffentlichung des HEXX-Combacks „Wrath Of The Reaper“ sind drei Jahre vergangen. Was habt ihr seither getrieben?
Seit der Veröffentlichung von „Wrath Of The Reaper“ haben wir hier in der Bay Area ein paar Konzerte gespielt und hatten das große Glück, nach Deutschland auf das „Bang Your Head!!!“ eingeladen zu werden. Diese Show war für uns das Highlight des Jahres. Nach dem Erscheinen des Albums haben wir die meiste Zeit damit verbracht, für den Auftritt auf diesem Festival zu proben. Ursprünglich hatten wir ein 50-minütiges Set geplant, aber etwa einen Monat vor dem Festival kontaktierten uns die Veranstalter und sagten, wir sollten aufgrund der Menge an Material in unserer Diskografie ein Zwei-Stunden-Konzert spielen. Das war witzig, weil wir unser kürzeres Programm schon ziemlich gut drauf hatten – wir waren also ziemlich selbstsicher und vielleicht auch ein bisschen eingebildet. Im letzten Moment mussten wir uns dann doch noch den Arsch aufreißen, um die Gelegenheit, ein viel längeres Set zu spielen, nutzen zu können – so läuft es halt im Showbusiness. Danach haben wir uns bereits ans Songwriting für unser neues Album „Entangled In Sin“ gemacht.
Euer neues Album „Entangled In Sin“ steht kurz vor der Veröffentlichung. Was müssen wir darüber wissen?
Das neue Album wurde in den „Sonic Room Studios“ im kalifornischen Livermore mit Tim Narducci aufgenommen. Bart Gabriel hat es produziert. Wir haben für dieses Album viel mehr Aufwand bei der Vorproduktion als noch bei „Wrath Of The Reaper“ betrieben. Bart Gabriel war uns dabei eine große Hilfe. Ich habe ihm Demoversionen unserer neuen Songs geschickt und nachdem er sie gehört hatte gab er uns Tipps zu allem vom Tempo bis hin zum textlichen Inhalt. Er war in diesem Prozess sehr wichtig und ich werde ihm und den Leuten bei High Roller Records auf ewig für ihren Support dankbar sein. Meiner Meinung nach ist „Entangled In Sin“ das bessere Album. Nicht, dass nicht auch „Wrath Of The Reaper“ seine Momente hätte, aber die neue Platte übertrifft sie in vielerlei Hinsicht. Ich finde die Songs besser und die Produktion ist auf jeden Fall besser. Für dieses Album haben wir alles mit Clicktrack geschrieben und geprobt. Wir haben besonderes Augenmerk auf die Tempi gelegt, damit die Riffs mit maximalem Druck fließen und grooven. Die Platte hat auch textlich eine fokussiertere Botschaft als sein Vorgänger.
Wie liefen das Songwriting und die Aufnahmen zum neuen Album ab?
Dieser Prozess beginnt normalerweise mit mir. Ich arrangiere komplette Demoversionen der Songs inklusive Gitarren und Gesangsmelodien. Die sende ich dann an den Rest der Band. Sie geben dann ihren Input und gemeinsam arbeiten wir die Arrangements, Songstrukturen und Texte so lange aus, bis wir zufrieden sind. Allerdings war dieses Album von Anfang an von Problemen und Rückschlägen geplagt. Das Schlimmste war der Tod unseres Bassisten und Gründungsmitglieds Bill Peterson. Er starb etwa eine Woche bevor er ins Studio gekommen wäre, um seine Basslinien für die Neuaufnahmen von „Night Of Pain“ und „Terror“ einzuspielen. Und dann starb auch noch unvorhergesehenerweise der Vater unseres Freundes, Tontechnikers und Co-Produzenten Tim Narducci. Allerdings sind der Band Rückschläge nicht fremd. Also bissen wir uns durch und nach einem Jahr war das Album endlich fertig.
„Entangled In Sin“ hat ein ziemlich explizites Artwork mit einem ebenso starken Titel. Was ist die Idee dahinter?
Die Idee ist, ein offensichtliches Problem zu benennen und die Scheinheiligkeit von Religion und Theologie im Allgemeinen zu entlarven. Manche Leute haben das Artwork als anstößig und anti-religiös bezeichnet. Ich nehme mal an, dass diese Leute sich der brutalen und blutigen Geschichte der katholischen Kirche und des Christentums nicht bewusst sind. Es ist Tatsache, dass im Namen Jesu Christi mehr Blut vergossen wurde als für irgendjemanden sonst in der Geschichte der Menschheit. Und dass der blinde Glaube an diesen Gott direkt für den sexuellen Missbrauch, der in der katholischen Kirche seit ihren Anfängen praktiziert wird, verantwortlich ist. Soweit es mich betrifft ist jeder, der ein Problem mit diesem Cover hat, Teil des Problems. Wenn jemand die katholische Kirche und ihre Mitglieder für diese schreckliche Ungerechtigkeit, die Kindern angetan wird, verteidigt, dann hat er Blut an seinen Händen und Scheiße am Pimmel. Mal ehrlich: Welcher moralische Kompass leitet diese Leute denn bitte dazu an, eine Organisation zu unterstützen, die sich an Kindern vergeht und dann versucht, das zu vertuschen? Dafür gibt es keine Rechtfertigung. Wahrscheinlich sind die Einzigen, die sich daran stören, Katholiken oder Pädophile. Und natürlich katholische Pädophile. Die Oberhäupter der katholischen Kirche sind selbst ihre schlimmsten Feinde. Ihre Taten beweisen, dass ihre Theologie Bullshit ist. Denkt mal drüber nach: Wenn der Gott der Christen nichts gegen seine eigenen Priester tun kann oder will, die sich an Kindern vergreifen und ihre Leben für ihre eigene egoistische Befriedigung zerstören, wieso genau glaubt ihr, dass er sich einen Dreck um dich oder mich schert?
Und worum geht es in euren Texten genau?
Okay, das würde jetzt den Rahmen sprengen, aber ich werde mal versuchen, euch eine kurze Übersicht über die Themen der einzelnen Songs zu geben.
In „Watch Me Burn“ geht es wie üblich darum, dass ein Musiker am Scheideweg seine Seele an den Teufel verkauft, allerdings verkauft unser Sänger Eddy Vega in unserer Version seinen Seele an den Teufel von Oakland. Und es ist Zahltag!
„Entangled In Sin“ dreht sich nicht nur darum, die katholische Kirche und das Christentum als die vielleicht schlimmste und korrupteste Religion des Planeten zu entlarven, sondern auch, die Scheinheiligkeit aller organisierten Religionen aufzudecken. Wenn die Menschen ihren Verstand der Theologie verschreiben, sind die meisten für immer verloren. Um Sigmund Freud zu zitieren: „Religion ist so lächerlich absurd und kindisch, dass es ebenso demütigend wie beschämend ist, sich vorzustellen, dass er Mensch sich nie über sie erheben könnte.“
In „Vultures Gather Round“ geht es um die angeblich freie und unvoreingenommene Presse hier in den USA und darum, wie sie den Hunger des Amerikanischen Volkes nach Gewalt, Tod und Leid stillt. Und es geht darum, wie Furcht dazu genutzt wird, die Menschen auseinanderzubringen.
„Beautiful Lies“ handelt davon, wie die Amerikaner von ihrer Regierung belogen werden. Und davon, dass, weil das Christentum hier jedem aufgezwungen wird, die Amerikaner gehirngewaschene Gläubige sind, anstatt, dass sie Verantwortung übernehmen und für sich selbst denken.
In „Power Mad“ nehmen wir uns den römischen Kaiser Caligula vor. Jegliche Ähnlichkeiten zu einem unfähigen, kindischen, privilegierten Ex-Reality-TV-Moderator sind rein zufällig.
„Internal Enemy“ behandelt, wie sich die Menschen selbst belügen. Die Realität ist für sie nicht auszuhalten, also verdrängen sie sie zugunsten einer Fantasiewelt. Es geht auch darum, dass Religion absichtlicher Selbstbetrug ist.
„Strive The Grave“ handelt von der Reise des Lebens und wie wir alle irgendwann einmal dem Tod gegenüberstehen. Es soll die Zerbrechlichkeit des Lebens zeigen und dass wir jeden Moment und einander wertschätzen sollten. Nur für den unwahrscheinlichen Fall, dass wir nach dem Tod nicht wiedergeboren werden oder neben Jesus Christus sitzen dürfen bzw. uns mit 72 Jungfrauen vergnügen können, versteht sich …
„Touch Of The Creature“ thematisiert Alkoholabhängigkeit.
„Wise To The Ways Of The World“ beschäftigt sich damit, dass Religion von Regierungen dazu genutzt wird, die Massen zu manipulieren, weil diese Glaube kritischem Denken vorziehen.
„All Over But The Bleeding“ ist eine Metapher dafür, wie man für jeglichen vernünftigen Gedanken verloren ist, sobald man seinen Geist der Theologie geöffnet hat. Außer dem Bluten passiert dann nicht mehr viel.
„Signal 30 I-5“ handelt von einem tödlichen Unfall auf der kalifornischen Interstate 5. Sie führt von Los Angeles durch die San Francisco Bay Area den Rest der Westküste entlang.
„Terror“ dreht sich um Albträume.
„Night Of Pain“ haben wir damals über unseren Sänger Eddy Vega und seine ersten sexuellen Gehversuche geschrieben.
Für euer neues Album habt ihr eure Klassiker „Night Of Pain“ und „Terror“ neu eingespielt. Wie kam die Idee dazu?
Bart Gabriel hatte die Idee, zwei Songs von unserem 1984er Debüt „No Escape“ neu aufzunehmen. Aufgrund der eher suboptimalen Produktion unseres ersten Albums fanden wir es eine gute Idee, zwei der eher einprägsamen Songs der Platte neu aufzunehmen und vor der Veröffentlichung als Single herauszubringen. John Marshall hat für unser Remake von „Terror“ ein fantastisches neues Intro geschrieben und aufgenommen. Auch „Night Of Pain“ klingt wirklich stark und Eddys Gesang ist großartig!
Die COVID-19-Pandemie wirkt sich auf jeden Bereich des Lebens aus, aber Bands und Live-Clubs werden besonders hart getroffen. Wie geht es euch damit?
Ja, da sind wir ziemlich am Arsch, weil wir eine neue Platte haben und noch nicht einmal hier in der Gegend Konzerte spielen können, um sie zu supporten. Wir haben die Hoffnung fast aufgegeben, je wieder in Europa spielen zu können. Den meisten anderen Bands geht es genauso. Alles, was wir jetzt tun können, ist die Sache auszusitzen und zu hoffen, dass wir bald zur Normalität zurückkehren können.
Kommt ihr also nach Deutschland, sobald das Touren wieder möglich ist?
Das hoffe ich sehr. Diese Band lebt hauptsächlich dafür, in Europa aufzutreten, weil wir hier in den USA weitgehend ignoriert werden. Die Aussicht, dass wir eines Tages wieder mit unseren Fans in Deutschland in Kontakt kommen, ist das, was uns antreibt.
Vielen Dank für dieses Interview. Lass uns zum Abschluss noch etwas Brainstorming betreiben. Was fällt dir spontan zu den folgenden Begriffen ein?
Wahljahr: Oh Mann, da muss ich wieder etwas weiter ausholen. Ich wurde das jetzt schon öfter gefragt, also werde ich hier die gleiche Antwort geben. Als Erstes: Ich hasse Politik. Ich hasse das Zwei-Parteien-System und hier in Amerika stehen jetzt die Präsidentschaftswahlen an und es schlägt 13. Unsere Vorstellung von Wahrheit und Gerechtigkeit wird von den Mainstream-Medien pervertiert, weil die von irgendwelchen Interessengruppen gekauft wurden. Das Wahlprogramm von Donald Trump lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Unwissenheit ist Macht. Oder auch: Zwei und zwei ergibt fünf. Ich sehe leider erschreckende Parallelen zu George Orwells Roman „1984“. Es ist ziemlich scheiße, nur zwischen zwei Kandidaten wählen zu können. Ich bin ein stolzer Liberaler und ein Demokrat. Als Demokrat ist mir die Demokratie wichtig. […] Wie schon gesagt: Ich hasse Politik, aber diese Wahl ist von immenser Wichtigkeit für das Land und den Rest der Welt. Sie ist zu wichtig, um zu ignorieren, was alles auf dem Spiel steht. Donald Trump hat das Niveau der Präsidentschaft derart nach unten gezogen, dass sie keinerlei Glaubwürdigkeit mehr hat. Dank Trump ist sie nur noch ein Witz – ein verdammt schlechter Witz. Und damit keine Unklarheiten auftreten: Das ist ein Witz auf unser aller Kosten. Leider braucht man von einer Nation, die nicht aus informierten, rational Denkenden Individuen, sondern aus geistig schwachen Gläubigen besteht, nichts anderes erwarten. Zusammenfassend würde ich sagen: Wenn der Gott der Christen real ist und tatsächlich möchte, dass Donald Trump Präsident bleibt, dann ist er ein schwulenfeindlicher, rassistischer, frauenfeindlicher Arsch und ich will nichts mit ihm zu tun haben.
Morbid Reality: Falls ihr damit auf unsere Death-Metal-Phase anspielt, dann hört ihr auf dem „Morbid Reality“-Album eine Band am Ende ihrer Kräfte. Eine Gruppe von Musikern, die alles in ihre Leidenschaft gesteckt haben und in ihrem Feld einfach keine Akzeptanz finden konnten. Ich glaube, tief in uns selbst wussten wir, dass es zu Ende ging. Ich sehe diese Platte als Ausdruck unserer gemeinsamen Frustration und Wut. Wir waren ziemlich angepisst und ich denke, das merkt man.
Vinyl: Ich liebe Vinyl. Ich habe noch immer all meine Schallplatten seit Ende der 60er.
Festivalsaison: Ich liebe die Metal-Festivalsaison in Europa. Ich wünschte nur, HEXX könnten etwas öfter daran teilhaben.
HEXX in zehn Jahren: Ich habe keine Kristallkugel, aber ich hoffe inständig, dass wir noch weitere zehn Jahre überstehen. Nur die Zeit wird das zeigen.
Noch einmal vielen Dank für deine Zeit. Die letzten Worte gehören dir – möchtest du unsere Lesern noch etwas mitteilen?
Ich möchte mich bei euch dafür bedanken, dass ihr mir eine Plattform und die Möglichkeit zu diesem Interview gegeben habt. Und euren Lesern danke ich dafür, dass sie sich die Zeit genommen haben, es zu lesen.
Beste Grüße,
Dan Watson.
Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
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