Dávid Makó ist Fitnesstrainer, Kampfsportler und Solokünstler mit Hardcore-Hintergrund. Doch seine Musik bei THE DEVIL’S TRADE klingt gefühlvoll und verletzlich. Und auch Makós Antworten und Gedanken zu seiner Motivation, Musik zu machen und die Corona-Krise durchzustehen, zur der politischen Lage in seinem Heimatland Ungarn und dem Instrument seiner Wahl – dem Banjo – lassen erkennen, dass in dem stattlichen Mannsbild mit dem markanten Schnauzbart viele Gedanken und Zweifel stecken.
Wir befinden uns mitten in seltsamen Zeiten – wie steht es mit der Corona-Krise in Ungarn? Fühlst du dich derzeit sicher und wohl in deinem Heimatland?
Ich fühle mich sicher, weil ich mich auf meine unmittelbare Umgebung beschränke. Obwohl ich mich hier schon seit Jahren nicht mehr wohlfühle. Sobald man mit der ungarischen Realität konfrontiert wird, fühlt man sich nicht mehr zu Hause.
Wann hast du erkannt, dass die Corona-Krise auch dich persönlich betreffen würde?
Eine solche Situation, mit der man noch nie zuvor konfrontiert war, ist eine heikle Sache, wenn es um diese Erkenntnis geht. Egal, wie schlecht die Nachrichten sind, versucht man, optimistisch oder hoffnungsvoll zu bleiben, bis es direkt dein Leben trifft. Mich hat es getroffen, als unsere Tournee mit Darkher und Forndom abgesagt wurde, meine Mutter eigentlich ins Krankenhaus gehen sollte und ich aufhören musste, im Fitnessstudio zu arbeiten.
Und wie hat es sich konkret auf dich ausgewirkt?
Ich habe Glück gehabt, denn die emotionale Seite war schwieriger als die finanzielle. Ich habe weiter Online-Schulungen gemacht und meine Verlobte hat ihren Job nicht verloren, so dass wir abgesichert waren. Aber als Musiker live zu spielen und als Kampfsportler meine Kunst auszuführen sind elementare Bedürfnisse für mich, von denen meine psychische Gesundheit abhängt. So kam ich an einen sehr dunklen Ort. Aber verglichen damit, was viele andere Menschen verloren haben, ist das nicht der Rede wert.
Dein Album kommt jetzt trotzdem heraus, während andere ihre Veröffentlichung verschoben haben. War das die Entscheidung des Labels, und bist du damit zufrieden?
Die Entscheidung basierte auf der Idee, dass es in einen leereren Raum hinausgelassen würde. Für einen unbekannten Künstler, der gerade bei einem großen Label unterschrieben hat, ergibt das Sinn. Wir saßen seit Januar auf diesem Album, die Songs wurden im vergangenen November fertig gestellt, sodass es schon eine Qual war, so lange zu warten. Außerdem tut sich so für mich wenigstens etwas in diesen Zeiten der Ungewissheit.
Das Album ist dein Debüt bei Season Of Mist. Wie ist es dazu gekommen, dass du dort gelandet bist?
Es war der Erfolg des großen Einsatzes und der harten Arbeit meines Managers Zoltan Jakab. Seit 2016, als ich meine erste Tournee als Support-Act gespielt habe, hat er daran gearbeitet, so viele prominente Personen wie möglich zu meinen Shows zu bringen. Als Michael [Berberian, Labelchef bei Season Of Mist] nach der Sommertournee mit Oceans Of Slumber um ein Demo mit drei Songs bat, hatten mich seine Kollegen bereits mehrmals auf verschiedenen Bühnen gesehen. Und so war es auch beim Roadburn.
Und was ist deine Lieblingsband aus dem breit gefächerten Roster von Season Of Mist – auf welche Band bist du besonders stolz, sie jetzt als Labelkollegen zu haben?
Einige von ihnen liegen mir sehr am Herzen, beispielsweise Der Weg einer Freiheit. Ich liebe jeden einzelnen von ihnen und kann es kaum erwarten, sie wiederzusehen! Tamás Kátai, mein ungarischer Künstlerkollege, ist ein echter Fackelträger in dem Sinne, dass er unabhängig seinen eigenen Weg geht, und das allein ist für jeden aus Ungarn eine Heldentat. Ursprünglich komme ich aus der Doom/Stoner- und Hardcore-Szene, daher ist es ein schönes Gefühl, beim selben Label zu sein wie Weedeater und Black Tusk, mit denen ich in der Vergangenheit so oft die Bühne geteilt habe. Auch Crippled Black Phoenix sind nicht nur eine großartige Band, sondern haben mich zu Beginn dieses Abenteuers sehr unterstützt. Und dann sind da noch Bands wie Rotting Christ, Heilung, Sólstafir oder Musiker wie Abbath, die die Grundpfeiler der europäischen Heavy-Music-Kultur bilden. Was ich erreiche, macht mich selten stolz, denn Erfolg ist zerbrechlich und vorübergehend … aber dass ich mit Gaahls Wyrd im selben Team bin, kann ich immer noch kaum glauben.Du hast das Album praktisch in Eigenregie aufgenommen und auch selbst produziert – war das eine Folge der Corona-Krise oder ein bewusst gewählter Weg?
Wenn es darum ginge, ein finanziell erfolgreiches Projekt zu schaffen, würde ich auf jeden Fall Profis um Hilfe bitten. Aber der einzige Grund, warum ich Musik schreibe und spiele, ist, dass ich es nicht nicht tun kann. Ich würde unglücklich werden. Es ist eine Therapie, ein System, das ich geschaffen habe, um die destruktiven Energien in mir zu verarbeiten. Ich kann also nur in einer Umgebung arbeiten, in der ich mich sicher fühle. Was ich brauche, ist jemand, der in der Lage ist, den Klang, den ich schaffe, aufzunehmen und ihn so zu mischen, dass er meinem Live-Sound am nächsten kommt. Ich bin sehr glücklich, dass einer meiner besten Freunde, Márton Szabó Nagyúr, das perfekt kann! Während der Quarantäne musste ich es zu Hause auf einem Laptop ohne Verstärker und unter Verwendung von Plugins machen, und ich fühlte mich miserabel damit.
Das Album klingt wieder sehr melancholisch und düster. Wie würdest du es es von deinem ersten Album „What Happened To The Little Blind Crow“ abgrenzen, was unterscheidet beide im Charakter?
Der Unterschied ist, dass ich meinen Sound gefunden und meine Ausdrucksmöglichkeiten geschärft habe. Das alles geschah während der Tourneen. Es ist also nur eine bessere und tiefere Form derselben Welt.
Ein prägendes Element deiner Musik ist das Banjo. Was hat dich dazu gebracht, dieses Instrument zu erlernen und deine Musik darauf auszurichten – was fasziniert dich am Banjo?
Es gibt eine bestimmte Art und Weise, wie ein Banjo klingen kann, und nur eine Handvoll Spieler lässt es so klingen. Meistens diejenigen, die nicht die besten Spieler sein wollen, sondern einen bestimmten Vibe erzeugen wollen, glaube ich. Wenn ich diesen einzigartigen Klang höre, werde ich sofort in den Wald gezogen und rieche die feuchte Erde und die verrottenden Blätter, spüre die kühle Luft und sehe die Bäume. Ich erinnere mich an zwei Momente, als ich zum ersten Mal das Gefühl hatte, diese Vibes erzeugen zu wollen. Der erste war eine Aufnahme in den Extras einer Raubkopie einer Tom-Waits-Live-DVD, wo er zwei Lieder auf einem Banjo in einer Scheune gespielt hat. Und der zweite war in dem Film „Searching For The Wrong Eyes Jesus“, in dem David Eugene Edwards im Wald auf dem Banjo spielte. Und später spielte einmal ein alter Bergarbeiter ein Lied auf seinem Banjo und es brach mir das Herz.
Worum geht es in den Texten von „The Call Of The Iron Peak“ und wie passt das Cover in das Konzept?
Das Artwork ist Teil einer Fabel, die mit dem Nachfolger-Album zu „The Call Of The Iron Peak“ abgeschlossen sein wird. Es ist meine Erzählung über eine Krähe und die Apokalypse. Während das Artwork selbst eine Geschichte ist, sind die Texte ausschließlich meine persönlichen Notizen zu meiner Reise. Oder ich bin die Krähe – wer weiß das schon? Der „Iron Peak“ auf dem Cover ist ein real existierender Gipfel in den österreichischen Alpen. Ich weiß nicht, ob er einen richtigen Namen hat, aber er glänzt, als wäre er aus Eisen und ist etwa 2000 Meter hoch. Ich wollte isoliert und weit weg von meinem Alltag sein, um Lieder für dieses Album zu schreiben, also wohnte ich mit meiner Verlobten dort auf einer Hütte und wanderte jeden Tag. Diese Stille und Ruhe, die ich auf dem „Iron Peak“ fand, war die vollkommenste Leere, die ich je erlebt habe. Mir wurde klar, dass diese Stille das ist, wonach ich immer gesucht habe. Die Lieder zwischen den beiden Versionen des Titelthemas handeln von meiner Angst, meiner Wut, meiner Liebe und sogar von meinen politischen Ansichten.
Heute werden Alben oft nur noch als Promo-Tool betrachtet, um einen Grund zu haben, auf Tournee zu gehen. Ergibt eine Veröffentlichung Sinn, wenn man keine Shows spielen kann?
Ich würde sagen, Platten sind Abdrücke der Momente, in denen die Lieder aufgenommen wurden. Wenn es um meine Lieblingskünstler geht, gefallen mir die Live-Versionen normalerweise mehr. Für mich ist es ein großer Kampf, meine Lieder als fertig zu betrachten und zu sagen, dass man sie so veröffentlichen kann. Zehn Minuten später würde ich sie anders singen oder andere Setups verwenden. Aber es ist die zweitwichtigste Art, meine Welt auszudrücken. Die erste ist die Live-Aufführung.
Abgesagte Shows wie das Roadburn dürften sehr wehgetan haben – siehst du eine Chance, dass das alles in naher Zukunft wiederkommt? Wagst du es, an ein Roadburn 2021 zu glauben, aber auch an deine nun auf April verschobene Tour?
Ich bin nicht die richtige Person, um die Zukunft vorauszusagen. Ich sehe alles viel düsterer, als es ist, und ich glaube nur an das, wozu ich in der Lage bin und dass Walter und Becky und alle Veranstalter der Tournee ihr Bestes tun, um die Shows zu ermöglichen.
Wo wir gerade von Glauben sprechen: Gegenwärtig läuft viel schief in der Welt, mit Corona, aber auch politisch. Was gibt dir in diesen Zeiten Kraft, was motiviert dich?
Ich konzentriere mich auf die Dinge, die vor mir liegen, weil es mir schwerfällt, Pläne zu machen – wenn es nicht um Training geht. Ich kann meine Energie nicht für Dinge in der Zukunft aufwenden, weil ich dann in der Gegenwart scheitere. Jetzt, wo ich versuche, die Antwort auf deine Frage zu finden, wird mir klar, wie einfach ich bin: Es gibt nur eine Handvoll Dinge und einige wenige Menschen, die mir wichtig sind, und nur sie sind meine Motivation.
Du postest auf Facebook auch ganz klar politische Statements, unterstützt die antifaschistische Aktion oder kritisierst das Vorgehen der Regierung gegen das Nachrichtenportal index.hu. Viele Metal-Musiker wollen Musik und Politik strikt trennen. Warum ist es dir wichtig, deine politischen Gedanken auch im Namen der Band zu verbreiten?
Wer versucht, sich von diesen Themen fernzuhalten und sein Gesicht abzuwenden, dient damit nur der unterdrückenden Macht. Diese Leute haben ihre Gründe, und jeder rechtfertigt seine Entscheidungen auf seine Weise und oftmals basieren diese Systeme auf Angst, sodass man keinen Einfluss auf sie nehmen kann. Meine Aktionen sind aber auch nicht dazu da, diese Systeme zu verändern, sondern um mit den Leuten auf unserer Seite zu kommunizieren und ihnen das Gefühl zu geben, dass sie nicht allein sind. Und um mir das Gefühl zu geben, dass ich nicht allein bin.
Ist das in Ungarn ein Risiko, so „systemkritisch“ oder „links“ zu sein, entweder von der politischen Seite oder auch von der Metal-Szene?
Es kommt darauf an, wie gefährlich man werden kann. Die rechtlichen Risiken sind meist indirekt und unterschwellig, sodass man nicht erkennt, dass es sich um ein politisches Attentat handelt. Die Aktion gegen index.hu [das Nachrichtenportal war von staatlicher Seite her gesperrt worden, A. d. Red.] war die bisher lauteste … zumindest war sie laut genug, um auch im Ausland gehört zu werden. Aber die soziale und kulturelle Untergrabung geschieht schon seit langer Zeit, und wir haben in den letzten Jahren so viel verloren. Fast alle oppositionellen Medien sind verschwunden. Theater, Clubs und Konzerthallen wurden geschlossen, tausende von Proberäumen wurden in den letzten acht Jahren zerstört; und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Das sind nur die Dinge und Orte, die wir nutzen könnten, um unseren Schmerz und unsere Wut zu lindern.
Vielen Dank für das Interview! Zum Abschluss ein kurzes Brainstorming:
Donald Trump: „Die Hölle, das sind die Anderen.“
2021: Lektionen zu lernen.
Deutschland: [antwortet auf Deutsch] Moin!
Das erste Getränk, das du in einer Bar bestellst: Wasser
Dein aktuelles Lieblingsalbum: LLNN – Deads
THE DEVIL’S TRADE in zwanzig Jahren: Ich will’s nicht wissen.
Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
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