Sieht man sich den Backkatalog von FLOTSAM AND JETSAM an, wird deutlich, dass die Truppe aus Arizona mit ihren Plattencovern selten Glück hatte: „Doomsday For The Deceiver“? Potthässlich! „When The Storm Comes Down“? Abartig! „Cuatro“? Augenkrebs! Mit ein oder zwei Ausnahmen lässt sich die Liste bis in die Gegenwart fortsetzen. FLOTSAM AND JETSAM verstecken hinter diesen furchtbaren Bildchen aber oft hervorragende Alben. Somit reiht sich auch ihr neuestes Werk „The End Of Chaos“ bestens in die bisherigen Veröffentlichungen der Truppe ein, denn auch hier wurde ein gelungenes Album mit dem denkbar unattraktivsten Titelbild geschmückt.
Ein weiteres Merkmal von FLOTSAM AND JETSAM ist, dass die Schlagzeugerposition in dieser Band in jüngeren Jahren einem Schleudersitz gleicht – allein auf den letzten beiden Alben ist jeweils ein anderer Felldrescher zu hören. Für „The End Of Chaos“ verpflichtete die Truppe einen gewissen Ken Mary, der sich bereits in den Mitte der 80er einen Namen als Trommler der U.S. Metaller Fifth Angel machen konnte und später bei Impellitteri die Kessel rührte. Warum das wichtig ist? Weil der Mann für diese Platte die perfekte Wahl war: FLOTSAM AND JETSAM kehren ihren Speed- und Thrash Metal-Wurzeln auf ihrer neuesten Veröffentlichung nämlich noch weiter den Rücken und rangieren 2019 vornhemlich im ruppigeren U.S. Metal.
Vergleiche mit FIFTH ANGEL – vor allem zu deren aktuellstem Album „The Third Secret“ – drängen sich in Nummern wie „Control“, aber vor allem „Recover“ oder „Demolition Man“ geradezu auf, denn hier traut sich die Formation neben wuchtig-treibenden Riffs mehr denn je gänsehaut-verdächtige Gitarrenmelodien und große, hymnische Refrains zu. Das steht den Speed Metal-Veteranen auch überraschend gut zu Gesicht, was in erster Linie am superben Gesang von Frontmann Eric Knutson liegt. Der Mann war schon immer das Aushängeschild dieser Band und es ist schön, zu hören, dass seine Stimme auch über dreißig Jahre später noch über jeden Zweifel erhaben ist. Natürlich können FLOTSAM AND JETSAM auch immer noch Thrash, wie hier in Songs wie „Slowly Insane“ oder „Unwelcome Surprise“ zu hören ist, im Vergleich zu den verspielteren, eingängigeren Titeln, die den Großteil des Materials von „The End Of Chaos“ ausmachen, verlieren diese Tracks jedoch.
Ihren besten Moment erleben die Herren aus Phoenix in „Architects Of Hate“, denn diese Nummer bildet die perfekte Symbiose der beiden stilistischen Pole dieses Albums. Dazwischen gibt es mit „Good Or Bad“ noch einen eher progressiv angehauchten Song und im abschließenden „The End“ fährt die Truppe gar einen derart bombastischen Refrain auf, dass man an die deutschen Power Metaller Brainstorm denken will. FLOTSAM AND JETSAM haben es mit „The End Of Chaos“ also geschafft, ihren Sound in jeder Beziehung frisch zu halten und zeigen obendrein, dass sie auch 2019 noch die ein oder andere – durchweg angenehme – Überraschung auf Lager haben. Abschließend sei noch die hervorragende Produktion dieses Albums erwähnt, denn die Herren überzeugen auf ihrem 14. Album dank Bearbeitung durch Produzentenlegende Jakob Hansen mit verdammt fettem Sound und sägenden Gitarren – so muss das!
Man soll ein Buch nicht nach seinem Einband und ein Album nicht nach seinem Artwork beurteilen – gut für FLOTSAM AND JETSAM, denn sonst hätte „The End Of Chaos“ bereits vor dem ersten Ton keine Chance. Wer sich vom ur-hässlichen Äußeren dieser CD nicht anschrecken lässt, kommt in den Genuss eines der besten Alben, welche die Burschen aus Phoenix je veröffentlicht haben. FLOTSAM AND JETSAM flirten hier alles andere als subtil mit dem modernen U.S. Metal und schaffen so eine nahezu perfekte Einheit aus Riff-getriebener Härte und erhabenen Melodien mit hymnischen Refrains. Hoffentlich schaffen es ein paar dieser Songs ins Live-Set der Band, denn das Material hat es zweifelsohne verdient, vom Publikum aus voller Kehle mitgesungen zu werden.
Wertung: 8.5 / 10