Interview mit Daniel Moilanen von Katatonia

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KATATONIA sind nach zweijähriger Bandpause zurück – und das stärker denn je. Schlagzeuger Daniel Moilanen über die Auszeit, deren Auswirkungen auf „City Burials“ und die Folgen der Corona-Krise für Berufsmusiker. Zum Abschluss machen wir einen Schlenker zu Moilanens Zweitband RUNEMAGICK, die seit dem Comeback 2017 zwei Alben veröffentlicht hat.

Hallo und vielen Dank, dass du dir für Zeit genommen hast! Wie geht es dir?
Mir geht es gut, danke. Social Distancing während der Frühlingszeit, es könnte nicht besser sein. Ich habe den Nachmittag damit verbracht, Kommentare zu „The Winter Of Our Passing“ zu lesen, der dritten und letzten Single vor der Veröffentlichung von „City Burials“, habe dazu einen guten Whiskey getrunken und The Chasm gehört. Mir scheint es also offensichtlich nicht so schlecht zu gehen.

Im Dezember 2017 kündigten KATATONIA an, im Anschluss an die Tournee im Februar/März 2018 aufgrund „aktueller Probleme und Verletzungen“ eine „kurzfristige Pause“ einzulegen, um „neu zu bewerten, was die Zukunft für die Band bereithält“. Was geschah damals, wie kam das?
Es war eigentlich nicht auf konkrete Gründe zurückzuführen. Nur Jahre und Jahre der Arbeit, die darin gipfelten, dass wir uns gefragt haben, ob es das ist, was wir wollen … und wie wir es wollen. Jonas und Anders sind seit vielen Jahren Metal-Brüder und das letzte Jahrzehnt war für die Band das arbeitsreichste aller Zeiten. Musik für seinen Lebensunterhalt zu spielen oder es zumindest so gut es geht zu versuchen macht Spaß – es kann sich aber auch bisweilen anfühlen, als wollte man ein Seil bergauf schieben. Vielleicht hätten sich manche erhofft, dass unsere Pause so etwas wie in „Some Kind Of Monster“ war … aber so aufregend war es nicht.

Ihr habt die letzten Shows ohne Gitarrist Roger Öjersson gespielt. Warum?
Roger hat schon lange Zeit Probleme mit seinem Rücken. Kurz bevor wir losfliegen wollten, hat es ihn regelrecht umgehauen und er konnte sich nicht mehr richtig bewegen. Deshalb waren Reisen und Headbangen auf der Bühne keine Option. Aber da das sozusagen die letzten Auftritte vor der Pause waren, war es auch keine Option, sie abzusagen. Also sind wir gefahren, während Roger sich zu Hause erholte.

War die Band nur nach außen auf Eis gelegt, hat also keine Auftritte gespielt, oder komplett, also auch nicht geprobt?
Nein, die Pause war eine komplette. Unser Hauptquartier wurde neu eingerichtet, unsere ganze Ausrüstung wurde eingelagert und unsere Tischtennisplatte rückte in den Fokus. Aber es gab keine Aktivitäten im Zusammenhang mit KATATONIA. Wir standen natürlich auch weiterhin in Kontakt. Aber wir waren auch mit anderen Dingen beschäftigt, mit unseren Familien, anderen Bands, Jobs und so weiter.

„Ich glaube nicht, dass das
Komponieren jemals aufgehört hat.“

Die Pause endete offiziell 2019. Wann habt ihr KATATONIA wieder zum Leben erweckt, wieder angefangen, Songs zu schreiben und euch zu Proben oder Aufnahmen zu treffen?
Ich glaube, es war im Januar 2019, als wir erstmals darüber sprachen, Jubiläumsshows für „Night Is The New Day“ zu spielen und ungefähr im März oder April, als die ganze Band wieder angefangen hat zu proben. Ich glaube nicht, dass das Komponieren jemals aufgehört hat. Das tut es nie. Sobald ein Album fertig ist, steht schon ein nächstes am Horizont. Aber erst nachdem wir langsam wieder angefangen hatten, wurde aus diesem Horizont ein neues KATATONIA-Album.

In den letzten sechs Jahren wechselte die Besetzung von KATATONIA ein paarmal, ihr habt mit verschiedenen Session-Musikern gearbeitet. Inwieweit hatte das einen Einfluss auf die Band, euer Zusammenspiel und eure Zusammenarbeit?
So sehr hat sich die Besetzung eigentlich nicht verändert. Nachdem Daniel Liljekvist und Sodo ausgestiegen waren, gab es eine kleine Lücke während der Akustik-Tournee: Bruce Soord und J-P Asplund waren nur Session-Musiker für diese Tour. Nachdem ich dazukam, war das Lineup mit Tomas Åkvik, der einige Konzerte mit uns spielte, recht stabil, ehe dann Roger dazukam. Ich glaube, alle Musiker, mit denen man arbeitet, beeinflussen einen in gewisser Weise. Selbst nachdem ich jahrelang mit denselben Jungs gespielt habe, lasse ich mich immer noch davon inspirieren, was und wie sie ihre Instrumente spielen.

Wie sehr hat das „The Fall Of Hearts“ beeinflusst?
Offensichtlich hat die Akustik-Tour einige der Sounds auf „The Fall Of Hearts“ inspiriert, auf dem ja J-P auch Perkussion gespielt hat, damit es noch organischer klingt. Diese Tournee hat sicher die Tür zu all den neuen Dingen geöffnet, die KATATONIA dann als Musiker und Komponisten machen konnten, was in Verbindung mit meiner Herangehensweise beim Schlagzeug wiederum neben „Sistere“ und „Decima“ auch zu Songs wie „Passer“ und „Takeover“ geführt hat – Ideen, an die sich die Band früher in ihrer Karriere vielleicht nicht gewagt hätte.

„The Fall Of Hearts“ war auch dein erstes Album mit KATATONIA. Jetzt, wo ein weiteres fertig ist: Wie stehst du zu „The Fall Of Hearts“ – bist du immer noch mit jedem Detail zufrieden?
Gott, nein. Ich bin nie mit Details zufrieden! Das Album als Ganzes ist natürlich immer noch großartig. Dass mein Schlagzeugspiel auf „City Burials“ so zufriedenstellend ist, war nur möglich, weil ich jetzt schon eine Weile mit der Band spiele. Bei „The Fall Of Hearts“ war das alles noch ziemlich neu für mich.

„Roger in der Band zu haben macht mich
zu einem besseren Schlagzeuger.“

„City Burials“ ist das erste Album mit Roger Öjersson. Inwieweit war der kreative Prozess deswegen diesmal anders?
Roger und seine Herangehensweise an die Musik in der Band hat uns allen einen ganz neuen Blick auf unser Tun ermöglicht. Er ist ein phänomenaler Gitarrist und ein fantastischer Sänger! Das ermöglicht uns so viele Möglichkeiten, mit übereinandergelegten Spuren und der Verteilung der Parts auf der Bühne. Nachdem er ein paar Jahre mit Roger auf Tour war, denke ich, dass Jonas ihm auch mehr Spielraum beim Songwriting gegeben hat. So wie er und Anders es mit mir als Schlagzeuger bei „The Fall Of Hearts“ getan haben. Wir wissen, wie wir wachsen können. Allein Roger in der Band zu haben macht mich zu einem besseren Schlagzeuger … ich muss nicht mehr so viel üben.

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Im Vergleich zum letzten Album ist „City Burials“ fast 20 Minuten kürzer. Ich denke, das macht es einfacher, ins Album zu finden. War das eine bewusste Entscheidung oder hat es sich einfach so ergeben?
Die Art und Weise, wie „City Burials“ aufgebaut ist, würde für ein sehr langes Album nicht wirklich funktionieren. Die Lieder sind direkter, die Produktion ist dicht und das alles füllt das Album bis ans Limit aus. Mit „The Fall Of Hearts“ wurden die Songstrukturen etwas komplexer und wir nutzten eine organischere Klanglandschaft mit akustischer Perkussion, akustischen Gitarren und etwas weniger Elektronik. Abgesehen von der Komplexität machen es diese Variation und eine luftige Produktion einfacher, eine lange Tracklist auszugleichen, ohne dass das Album erdrückend wird. Während „Secret Story“ von Pat Metheny beispielsweise gemütliche 75 Minuten lang ist, würde ich nicht wollen, dass „Legion“ von Deicide dieselbe Länge hat. Ich denke, „City Burials“ ist unser „Legion“.

„Der progressive Ansatz dieses Albums
liegt eher in den Details.“

Auch in musikalischer Hinsicht ist eine deutliche Entwicklung festzustellen: Ich finde, es ist abwechslungsreicher, ein bisschen härter, aber dennoch genauso proggy wie das letzte Album. Würdest du das unterschreiben – oder was sind aus deiner Sicht die Hauptunterschiede?
Ja, das stimmt so. Während „City Burials“, wie du sagst, mit seinen vielleicht etwas intuitiveren Songstrukturen leichter zugänglich sein dürfte, ist es mindestens so „technisch“ wie „The Fall Of Hearts“, was unser eigentliches Spiel betrifft. Der progressive Ansatz dieses Albums liegt eher in den Details, der Schichtung und der Art und Weise, wie es gespielt wird, und nicht so sehr in ungeraden Taktarten oder der Instrumentierung. Und nein, es ist nicht so doomig oder düster wie ältere Alben, aber ich glaube, dass „City Burials“ trotzdem das härteste Album ist, das die Band je gemacht hat. Auch wenn das sicher nicht alle Fans so sehen.

Das Cover von "City Burials" von KatatoniaAuch das Cover ist sehr düster, es könnte  auch ein Black-Metal-Album zieren. Was war die Idee hinter der Kombination aus diesem Bild und dem Albumtitel?
Dies ist das Gebiet von Lord Seth und Blakkheim. Alles, was ich über diese Ideen sagen konnte, haben sie schon besser gesagt. Für mich passen Albumtitel und Cover einfach perfekt zur Produktion, den Liedern und Texten. Es ist vielleicht das „einfachste“ Cover, das die Band je hatte, aber gleichzeitig hat es Gewicht. So wie es sein sollte.

„Es fühlt sich nicht toll an, diese Alben
einfach nur existieren zu lassen.“

Ich nehme an, ihr hattet geplant, bald auf Tournee zu gehen. Wegen der Corona-Pandemie ist das erstmal nicht möglich. Wie schwer trifft euch das als Band, aber auch als einzelne Musiker, die ihren Lebensunterhalt mit Musik verdienen?
Für uns bedeutet Rockmusik zu spielen nicht im Proberaum zu schwitzen. Unser Fokus liegt nach dem Schreiben und Aufnehmen eines Albums liegt immer auf der Bühne. Nicht auf der Bühne stehen zu können, führt für uns zu einem sehr unruhigen Dasein. Und da das Album gerade zu Beginn der Krise veröffentlicht wird, die ein Jahr dauern kann, fühlt es sich nicht gut an. Neben der Veröffentlichung von „City Burials“ arbeitet Niklas am dritten LIK-Album und ich habe gerade das zweite Album mit Henrik Palm fertiggestellt. Aber es fühlt sich nicht toll an, diese Alben einfach nur existieren zu lassen … sie müssen aufgeführt werden.

Was hältst du von Streaming-Konzerten, wie sie derzeit von einigen Bands gespielt werden, manchmal auch als bezahlte Streams?
Ich denke, es ist eine wunderbare Möglichkeit, Menschen zu erreichen. Einige Bands und Künstler machen daraus etwas Neues und Aufregendes, etwas mehr als nur eine Clubshow in 720p. Wenn KATATONIA etwas Ähnliches machen würde, würden wir wohl auch etwas Besonderes wollen. Man könnte den Vorteil nutzen, nicht auf der Bühne stehen zu müssen, sondern stattdessen vielleicht in einer Studioumgebung aufzutreten, mit einer netten, stimmungsvollen Beleuchtung, ohne sich Sorgen machen zu müssen, Wein über die Setlist zu verschütten. Aber ja, ich unterstütze es voll und ganz, neue Wege zu finden, um Fans zu erreichen. Ich bin nur nicht online-erfahren genug, um wirklich zu wissen, wie ich es selbst umsetzen kann.

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„Ich schaffe es ja kaum, mein Instagram-Konto zu pflegen.“

Einige Musiker haben auch damit begonnen, Online-Unterricht zu geben und den Fans Songs auf ihrem Instrument beizubringen. Ist das auch etwas, worüber du nachgedacht hast?
Für mich ist das nichts. Ich verfolge eine Handvoll Schlagzeuger im Web, deren Online-Unterricht für alle Musiker wirklich Gold wert ist. Meine Lektionen wären nur die Mine ohne ein Licht, das den Weg weist. Ich bin wirklich schlecht im Üben, was für Unterrichtszwecke nicht gerade ideal ist. Ich lerne einfach meine Sachen und spiele sie … das zu erklären dauert nur eine Minute.

Nun sind alle Festivals in Europa für dieses Jahr abgesagt. Was bedeutet die Krise auf lange Sicht für die Szene – wird sie bleibende Schäden erleiden?
Ja, ich denke, alle Aspekte des Lebens, wie wir es bisher gelebt haben, werden sich dauerhaft verändern. Was die Musikszene anbelangt, werden Künstler und Bands sich daran gewöhnen müssen, online zu sein. Für die jüngere Generation ist das meiner Meinung nach kein so großes Problem, aber für uns ältere Geeks fühlt es sich seltsam an. Ich schaffe es ja kaum, mein Instagram-Konto zu pflegen. Aber so wie Unternehmen schließen, werden wohl auch einige Bands und Künstler aufgeben müssen. Wenn du kein Geld damit verdienst, wirst du weitermachen können. Wenn es um Unmengen an Geld geht, wirst du auch überleben. Aber wenn es gerade genug ist, um durch Tourneen und den Verkauf von Merchandise am Leben zu bleiben, und du nicht mehr auf Tour gehen kannst, werden die Zeiten hart werden.

Du bist auch bei RUNEMAGICK aktiv, die vor drei Jahren reaktiviert wurden. Was hat euch dazu bewogen, die Band wiederzubeleben?
Wir hatten schon viele Jahre darüber gesprochen, die Band zu reaktivieren, aber das Leben kommt einem immer in die Quere, weißt du? Ich und Nicklas waren bei Heavydeath aktiv, also fühlte es sich nicht komisch an, noch einmal über RUNEMAGICK nachzudenken. Und als uns das Kill-Town Death Fest zum neunten Mal gefragt hat, ob sie uns buchen könnten, haben wir ja gesagt und erst später über die Konsequenzen nachgedacht. Eigentlich wollten wir nur ein paar Tracks für eine digitale Veröffentlichung aufnehmen, um etwas Besonderes für das Festival zu haben. Diese Tracks wurden zu einer EP, die wiederum zu ‚Evoked From Abysmal Sleep‘ wurde. Und plötzlich waren wir wieder dabei.

Im Oktober 2019 habt ihr „Into Desolate Realms“ veröffentlicht. Wart ihr mit den Reaktionen zufrieden und seid ihr selbst mit dem Album zufrieden?
Ich bin sehr zufrieden mit dem Album.  Nachdem wir so lange nur ein Trio waren, fühlte es sich gut an, mit Jonas Blom als Vollzeitmitglied neues und altes Blut in der Band zu haben. Ich denke, so gut wie auf „Into Desolate Realms“ haben wir seit „Darkness Death Doom“ nicht geklungen. Es ist uns gelungen, unsere Death-Metal-Ära mit unserer Doom-Ära auf eine fast ätherische Art und Weise zu verflechten.

So erschienen innerhalb von zwei Jahren zwei Alben von RUNEMAGICK. Wann können wir das nächste erwarten?
Da wir alle mit unseren anderen Bands und Projekten beschäftigt sind, ist das schwer zu sagen. Nicklas [„Terror“ Rudolfsson – A. d. Red.] hört nie auf, Musik zu schreiben, also ist es nur eine Frage der Zeit, bis es Material für ein neues RUNEMAGICK-Album gibt. Wann wir in der Lage sind, aufzunehmen, ist eine andere Sache. Aber der Prozess selbst ist ziemlich schnell, wenn wir den Ball erst einmal ins Rollen bringen.

Vielen Dank für das Interview! Zum Abschluss ein Brainstorming:
Dein Hobby neben dem Musikmachen:
Ich lese viel und horte Bandmerch.
Wenn du in eine Bar gehst, bestellst du zuerst … zwei Bier.
Der Musiker, mit dem du gerne mal zusammenarbeiten würdest: Paul von Blood Incantation. Hey Paul, wenn du das liest – schick mir mal ein paar Riffs!
Dein Lieblingsalbum im Moment: Außer „City Burials“? „Poverty Metal“ von Heteanrik Palm.
KATATONIA in zehn Jahren: Auf Jubiläumstour für „City Burials“. Spielen aber trotzdem immer noch “Teargas”.

Nochmals vielen Dank für deine Zeit und Antworten. Die letzten Worte an unsere Leser gehören dir:
Unterstützt die Szene, passt auf euch auf, macht mehr Stage-Dives!

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Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.

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