Die Existenz von Covid-19 ist allgegenwärtig und hat die Existenz des Kulturbetriebes schon jetzt nachhaltig geschädigt: Eine Konzertabsage folgt auf die nächste, Touren werden verschoben, Festivals gechancelt, Bands und Veranstalter bleiben auf hohen Kosten sitzen. Ehe auch die „The Magical Tour“ von MYRATH mit ELEINE ein vorzeitiges Ende findet, kommen die Leizpziger Fans mit viel Glück noch in den Genuss der Show im Hellraiser.
Genau in der Hälfte der gemeinsamen Tour wird im Hellraiser somit das letzte Konzert beider Bands zu sehen sein, wenn nicht sogar eine der vorerst letzten Shows im Club selbst. Für ELEINE scheint die Enttäuschung über die abgebrochene Tour allerdings wie ein Katalysator zu wirken, denn obgleich die sympathischen Schweden in ihren Ansagen ihren Kummer kundtun, äußern sie auch schon im nächsten Satz ihre Jetzt-erst-Recht-Mentalität: Verstärker an, Nebelmaschine aufgedreht and go!
Die Vorband eröffnet den Abend nicht auf der Hauptbühne des Hellraisers, sondern im wesentlich kleineren Bereich am Nebeneingang; mögen weniger Zuschauer einen kleinen Stich in die Herzen der Musiker stechen, wird die Show dafür umso direkter, die Musik irgendwie intensiver und die Atmosphäre persönlicher. Und genau das beschreibt den Auftritt des Quintetts um Blickfang und Sängerin Madeleine Liljestam nur allzu gut. Die Stimmung in der kleinen, aber dankbaren Hörerschaft ist bestens, sodass ELEINE schon im ersten Track das Publikum für sich gewinnt.
Mit ihrem Symphonic Metal treffen die Schweden auf offenen Ohren, mit ihrem Rammstein-Cover von „Mein Herz brennt“ so oder so. Dazu die anmutig-lasziven Tanzeinlagen von Sängerin Liljestam, die charmanten Ansagen von Gitarrist Rikard Ekberg und fertig ist die kurzweilige Show mit gutem Unterhaltswert, auch wenn ELEINE selbst das Rad des female fronted Symphonic Metal nicht neu erfinden.
Nach einer kurzen Umbaupause wird das Licht bereits wieder abgedunkelt und ein junger Herr betritt die Bühne und signalisiert mit einer kleinen Feuershow während des Intros „Asl“, dass MYRATH bereit sind, die letzte Show ihrer Tour zu spielen.
Und eben jene Show ist atemberaubend gut: Nach der Feuershow-Einlage holen die Mannen um Sänger Zaher Zorgati eine Bauchtänzerin auf die Bühne, deren Darbietung hervorragend zum Opener „Born To Surive“ passt; einem Trademark-Track der Band, der die orientalischen Elemente ebenso gut mit Prog Metal zu verbinden weiß wie der darauffolgende Song „You’ve Lost Yourself“.
Über allen thront dabei Zorgatis ausdrucksstarker wie warmer Gesang, dessen Melodieführung einfach nur sofort einnehmend ist – jedes verdammte Mal. Mit zehn Tracks ihres aktuellen Albums „Shehili“ (2019) haben MYRATH den Fokus ihrer Setlist ganz klar auf ihre neuen Tracks gelegt, spielen dazwischen aber einige Songs ihrer letzten beiden Alben „Legacy“ (2016) sowie „Tales Of The Sands“ (2011).
Schon früh im Set verrät Zorgati zwei neue gute Nachrichten: Nicht nur, dass er dem Publikum verspricht, im nächsten Jahr erneut mit MYRATH nach Leipzig zu kommen, auch wollen die Tunesier ihr neues Album im Gepäck haben – hört, hört! Erfreuliche Nachrichten, wenn man gerade Hit wie „Dance“ und „Monster In My Closet“ vorgespielt bekommt. Dazwischen amüsiert der gesprächige Sänger mit Themen rundum Game Of Thrones und dem Coronavirus seine Zuhörerschaft, animiert zum Mitklatschen und dem Hände in die Luft strecken; Aufgaben, welche das Publikum prompt und freudig umsetzt.
Dazwischen vollführt der junge Herr vom Anfang erneut einen kleinen Zaubertrick, ehe Schlagzeuger Morgan Berthet die Menge von etwa 50 bis 60 Besuchern mit einem Solo nochmals zum Abgehen auffordert – nicht schwierig bei einem Encore mit „Believer“ und dem Titeltrack „Shehili“.
Nach über 160 Minuten voller guter Tracks, unterhaltsamen Musikern und tollen Showeinlagen findet The Magical Tour heute leider ihr vorzeitiges Ende. Beide Bands sind sichtlich geknickt deswegen, liefern aber dennoch oder gerade deswegen starke Auftritte mit enormer Spielfreude ab. Besonders die hervorragende Setlist von MYRATH machte von Beginn an so viel Spaß, dass die Vorfreude auf das angekündigte neue Album schier endlos ist!