[Modern Metal / Melodic Death Metal] Des einen Freud ist des anderen Leid: Während es die eine Sorte Metalhörer gibt, die von Genre-Verquickungen nicht genug bekommen können und gerade dann eine Platte kaufen, wenn sie mindestens drei Genres abdeckt, existiert auch die andere Sorte Hörer, die mit so einem Genre-Geplänkel nicht viel anfangen können und stattdessen den straighten Sound eines traditionellen Metalalbums zu schätzen wissen.
Gehörst du zu der letzten Gruppe, dann danke ich dir für das Interesse an der Review, empfehle dir aber, die erste Full-Length von OCEANS nicht zu kaufen. Denn mit „The Sun And The Cold“ liefert das Quartett eines der vielversprechendsten Modern-Metal-Debüts der letzten Jahre ab, das vor Nu-Metal-, Deathcore- und Prog-Metal-Hommagen nur so strotzt. Warum die Mischung größtenteils nicht nur gut funktioniert, sondern regelrecht zündet? Zum einen, weil die Stimmbänder von Sänger Timo alles zwischen rauem Klargesang und tiefen Growls abdecken, zum anderen, weil das Gros der Songs ebenfalls so facettenreich wie der Gesang aufgebaut ist.
OCEANS setzen vordergründig auf verdammt catchy Refrains im Singalong-Stil („We Are The Storm“) oder prägnantes Wording („Truth Served Force Fed“), bieten dazwischen aber auch genügend harsches Headbang-Material mit erdrückenden Double-Bass-Einlagen („Dark“), heftigen Melodic-Death-Metal-Flirts („The Sun And The Cold“) sowie langsam anschwellender Spannung als Kniff der Komposition („Polaris“, „Hope“). Dabei erinnern OCEANS stellenweise an die großen Bands der vergangenen zwei Dekaden der Metalgeschichte: Seien es mit Tesseract („Polaris“), Linkin Park („Take The Crown“) und Job For A Cowboy („Truth Served Force Fed“) die modernen Meilensteine als auch Urgesteine wie Amorphis oder Katatonia („The Sun And The Cold“). Dass die Hitmaschine Nuclear Blast OCEANS bereits vor der Veröffentlichung ihrer ersten beiden EPs unter Vertrag nahm, ist da keine Überraschung.
Viele Referenzpunkte zu bieten, ist das eine, diese Punkte zu einer geradlinigen Songstruktur zu formen das andere; obgleich es sich mit „The Sun And The Cold“ um das Debüt einer jungen Band handelt, gelingt den deutschen Senkrechtstartern diese Verbindung so routiniert wie bereits etablierten Bands – fast beiläufig fügen sie dem Ganzen sogar noch ihre eigene Note hinzu. Dieses große Potenzial, das OCEANS in den knapp 50 Minuten Spielzeit vollends präsentieren, wird außerdem von einer äußert druckvollen, klaren Produktion unterstützt, die besonders das starke Drumming in den Vordergrund rückt, ohne den charismatischen Gesang sowie die dynamische Rhythmusfraktion untergehen zu lassen. Summa summarum liefern OCEANS mit „The Sun And The Cold“ also genau dieses erfrischende wie beinharte Brett ab, das man sich zu wünschen nicht gewagt hatte.
Wertung: 8.5 / 10