Review Maïeutiste – Veritas

  • Label: Les Acteurs De L'Ombre
  • Veröffentlicht: 2019
  • Spielart: Black Metal

Maieutik, der altgriechische Begriff für Hebammenkunst, bezeichnet die von dem Philosophen Sokrates angewandte Methode des Dialogs, nach welcher man seinem Gegenüber durch gezielte Fragen zur Erkenntnis verhilft. Dass sich die französischen Black-/Doom-Metaller MAÏEUTISTE nicht nur nach ebendiesem philosophischen Ansatz benannt, sondern ihre erste Demo gar „Socratic Black Metal“ getauft haben, mag prätentiös erscheinen – ihre hoch angesetzten Ambitionen konnte man der Band nach ihrem selbstbetitelten Debüt jedoch nicht mehr absprechen. Bei der Umsetzung ihrer Vision übernahmen sich MAÏEUTISTE allerdings noch ein wenig, sodass die Platte zwar viel Abwechslung bot, jedoch einen roten Faden vermissen ließ und nicht die vollen 76 Minuten ihrer beträchtlichen Spielzeit hindurch für Begeisterung sorgte. Mit „Veritas“ folgt nunmehr vier Jahre danach das zweite Album, auf dem sich die Franzosen etwas fokussierter zeigen.

Dies fängt schon beim Umfang der Veröffentlichung an. MAÏEUTISTE haben ebendiesen hier auf 54 Minuten gekürzt, von denen wiederum acht Minuten – Achtung, Spoiler! – auf die Stilleperiode entfallen, die den eigentlichen Abschlusstrack „Veritas II“, in welchem MAÏEUTISTE das melodische Motiv des eröffnenden Titeltracks auf kohärente Weise wieder aufgreifen, von dem „geheimen“ Stück im Stück abgrenzt. Ob es sich lohnt, so lang auf ein kurzes Dark-Ambient-Outro zu warten, sei freilich dahingestellt. Grundsätzlich haben die Black-/Doom-Metaller jedoch gut daran getan, sich bei der finalen Auswahl des verwendeten Songmaterials de facto mit einer guten Dreiviertelstunde zu begnügen – auf diese können MAÏEUTISTE nämlich umso stolzer sein.

Wie bereits erwähnt hat es das Duo diesmal geschafft, seinen progressiv angehauchten Mix aus Black und Doom Metal konsistenter zu gestalten, sodass die Anleihen aus gänzlich anderen Genres nicht länger deplatziert erscheinen und sich sogar ein 15-minütiges Doom-Monstrum von einem Track wie „Vocat“ weder überladen noch zerfahren anfühlt. An Vielseitigkeit mangelt es „Veritas“ jedenfalls wirklich nicht: Das mächtige „Infinitus“ erinnert mit seinem Mahlstrom aus Growls, Gitarren und Drums an Opeth, im anmutigen Interlude „Spiramus“ versprühen MAÏEUTISTE mittels Akustikgitarre und Geige einen auch im Artwork zum Ausdruck kommenden, geschmackvollen Barock-Flair und „Veritas II“ beginnt mit lieblichen Post-Rock-Gitarren, die selbst Alcest kaum besser hinbekommen hätten.

Hinsichtlich der den Großteil der Laufzeit ausmachenden Black-Metal-Parts überraschen MAÏEUTISTE zum Teil mit groovenden Riffs und Rhythmen sowie mit zwischendurch eingestreuten, theatralischen Clean-Vocals, die sogar ICS Vortex Konkurrenz machen könnten, im Mix allerdings leider etwas zu kurz kommen. Von diesem kleinen Manko abgesehen überzeugt das Album aber auch bezüglich der kraftvollen, ausdifferenzierten Produktion.

Sieht man MAÏEUTISTE ein paar kleinere Fauxpas wie den etwas zu leise abgemischten Klargesang und den überflüssigen „Hidden-Track“, auf den es sich nicht wirklich zu warten lohnt, nach, kann man „Veritas“ problemlos als rundum gelungenes Album bezeichnen. Die Franzosen haben darin zahlreiche interessante Einfälle verarbeitet und dadurch ihre bis dato spannendsten Kompositionen hervorgebracht, sodass selbst die längsten Songs der Platte nie ihre Wirkung verfehlen. Ihre dramatische Mischung aus ungestümem Black Metal, niederschmetterndem Doom Metal und dezenten Prog-, Klassik- und Post-Rock-Einflüssen haben MAÏEUTISTE hiermit zur vorläufigen Vollendung gebracht. Wer nach dem überdimensionierten Debüt in Bezug auf die Band noch skeptisch war, sollte ihr nun definitiv noch eine Chance geben.

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Wertung: 8 / 10

Publiziert am von Stephan Rajchl

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